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  • Yoga-Lehrerin Tanja Brenner in ihrem „Studio 78“ in Eimsbüttel.
  • Foto: Quandt

Immer mehr Hamburger rollen die Matte aus: Wie Yoga durch die Pandemie hilft

Corona-Blues, Homeoffice-Tristesse, „mütend“: Für das, was die Pandemie uns seit mehr als einem Jahr psychisch abverlangt, gibt es viele Wörter – doch was sind geeignete Möglichkeiten, um aus den Stimmungstiefs wieder herauszufinden? Yoga zum Beispiel. Besonders in dieser herausfordernden Zeit entdecken es immer mehr Menschen für sich – und das zu recht. Denn die Jahrtausende alte indische Bewegungslehre beruhigt nicht nur den Geist, sondern ist auch für die verschiedensten Stellen des Homeoffice-geplagten Körper eine echte Wohltat. Betreiberinnen von Hamburger Yoga-Studios erzählen in der MOPO, was Yoga bewirken kann – und wie bedrohend Corona für ihre Existenz ist. 

Beatrice Maier, „Lichtregen Hamburg“, Uhlenhorst

„Für viele Senioren ist der Zoom-Kurs bei mir das Highlight ihrer Woche“, sagt Krankengymnastin und Yoga-Lehrerin Beatrice Maier von „Lichtregen Yoga“ auf der Uhlenhorst. Acht Zoom-Kurse bietet sie die Woche für Schüler:innen aller Altersstufen an. „Nach dem Yoga tauschen wir uns noch darüber aus, wie es uns geht, was die Einsamkeit in der Pandemie mit uns macht“, so Maier. Doch nicht nur ihre Schüler:innen seien ihr dankbar für ihr Angebot, sondern auch umgekehrt sagt sie: „Viele zahlen auch weiter, um mich zu unterstützen. Obwohl sie über Zoom meist gar nicht mitmachen, weil ihnen das Live-Feeling fehlt. Da bin ich sehr dankbar für. Sie haben mir gesagt: ‚Wir lassen dich nicht im Stich‘“.

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Beatrice Maier übt die Kobra in ihrem „Lichtregen“-Studio auf der Uhlenhorst.

Foto:

HFR

Denn durch die Pandemie geriet auch sie wirtschaftlich ins Straucheln. „Im November dachte ich, dass ich zu mache“, so Maier. Doch da sie in ihrem Yoga-Studio auf der Uhlenhorst noch weitere Räume hat, die sie an Psychologen untervermietet, geht es soweit. Erstmal.

„Yoga kann uns wieder vom Kopf in den Körper bringen. Vor allem in dieser Zeit der Sorgen sind wir nicht mehr mit unserem Körper verbunden, Yoga bringt aber alle Systeme wieder ins Gleichgewicht“, so Maier.  Gerade Bewegungsmangel führt häufig zu Depressionen, so die 62-Jährige. „Körpereigene Prozesse, wie Entgiftung funktionieren nur, wenn der Körper sich entspannt und da kann Yoga wahnsinnig gut helfen.“ 

Sandra Höhlein, „Ahoi Yoga“, Winterhude

„Die Leute sind müde und wollen nicht mehr auf den Bildschirm gucken“, resümiert Sandra Höhlein, die seit 2015 das „Ahoi Yoga“-Studio in Winterhude betreibt. So habe der Zulauf zu den Online-Stunden nach einem Jahr Pandemie ziemlich nachgelassen. Dabei gibt es bei „Ahoi“ jeden einzelnen Kurs auf Zoom, der Stundenplan wurde eins zu eins online gestellt. Höhlein sagt, dass es vor allem auf YouTube eine Fülle an kostenlosen Yoga-Videos gibt, „das macht es für uns als Studio-Betreiber schwer.“ 

Sie wisse von zwei Studios aus ihrer Nähe, dass sie bereits schließen mussten. „Yogastudios sind Kraftorte, es ist so traurig, wenn sie schließen müssen“, sagt die 36-Jährige, die oft ratlos über die beschlossenen Corona-Maßnahmen ist. „Als wir offen hatten, war bei uns die komplette Nachverfolgung gegeben, die Abstände zwischen den Matten waren da, wir haben andauernd gelüftet. Wir haben so viel gemacht und werden trotzdem mit Fitnessstudios, in denen man zum Beispiel die ganze Zeit Geräte anfasst, über einen Kamm geschoren.“

Doch im „Ahoi“ wird der Kopf nicht in den Sand gesteckt: „Wir sind füreinander da, trotz Pandemie. Viele der Schüler sagen uns immer wieder, dass das Yoga sie trägt. Und genau dafür machen wir immer weiter. Auch wenn es für uns Lehrer:innen oft schwierig ist.“ Sie ist sicher, dass ihr Studio die Pandemie überstehen wird – und sie ihre Schüler:innen eines Tages wieder live unterrichten kann. Sie rät dazu, im Homeoffice immer mal fünf Sonnengrüße zwischenzuschieben. Danach sollte man sich ein paar Minuten hinsetzen und auf den Atem achten und die Augen schließen. „Über die Atmung kommt man immer wieder gut zu sich zurück“, sagt Höhlein. 

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Sandra Höhlein betreibt das „Ahoi Yoga“ in Winterhude.

Foto:

Jens Schlegel

Marion Schwarzat, „Urban Yoga“, St. Georg und Poppenbüttel

Yoga funktioniert auch auf dem Bildschirm. Diese Erfahrung hat auch das Team von „Urban Yoga“ gemacht. „Seit Beginn des ersten Lockdowns vor einem Jahr unterrichten wir Yogastunden und Ausbildungen online und haben in den letzten Monaten sogar zwei Online-Yogafestivals mit internationalen Yogalehrern organisiert“, sagt Betreiberin Marion Schwarzat. 

Neben Yoga sieht sie vor allem auch in der Meditation eine Möglichkeit, die Psyche in der Pandemie stark zu halten, denn dadurch können wir „unsere Akzeptanz für diese schwierige Situation stärken.“ Akzeptanz ist etwas, das auch die Studio-Betreiberin braucht, denn „Urban Yoga“ geht es nicht gut: „Seit Monaten sind unsere Studios in St. Georg und Poppenbüttel geschlossen. Aber aufgeben ist keine Option für uns.“ 

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Haben auf online umgestellt: (v.l.) Nell Leiss, Marion Schwarzat, Jenny Gerdes und Anna Herz von „Urban Yoga“.

Foto:

Grit Sowonia

Tanja Brenner, „Studio 78“, Eimsbüttel

Optimistisch nach vorne blicken fällt Tanja Brenner in der aktuellen Situation nicht leicht, auch wenn sie als Yogini ihr „Monkey Mind“, wie vor allem im Yoga das Gedankenkarussell genannt wird, das uns jeden Tag umtreibt, in Schach zu halten weiß. „Auch wenn wir hier seit einem Jahr alles dafür tun, optimistisch zu bleiben, haben wir Phasen, in denen wir einfach Lockdown-müde sind“,sagt Brenner, die Schüler:innen sonst eigentlich in ihrem lichtdurchfluteten „Studio 78“ an der Emilienstraße auf den Matten zur inneren Mitte führt. 

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„Seit März 2020 bewegen wir uns von Schließung zu Schließung und Einschränkung zu Einschränkung. Die wirtschaftliche Lage sieht sehr ungewiss aus. Gott sei Dank haben wir Überbrückungshilfen erhalten. Es ist aber alles eine Frage der Zeit, wie lange diese Herausforderung anhält. Ein bisschen Luft gibt es noch, aber lange hält auch diese nicht mehr an“, fasst die Studio-Betreiberin, die genau wie die anderen Anbieter Yoga per Zoom anbietet, die bedrückende Lage zusammen.

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Yoga-Lehrerin Tanja Brenner in ihrem „Studio 78“ in Eimsbüttel.

Foto:

Quandt

Cornelia Brammen, „OMY! Smart-Telefonyoga“, angeboten vom Verein „Yoga für alle e.V.“

Nicht nur per Bildschirm, sondern auch per Telefon kann Yoga den Weg zu Menschen finden – in Hamburg durch den Verein „Yoga für alle e.V.“, die auch jährlich die Hamburger Yoganacht veranstalten. Der Verein bietet das sogenannte OMY!Smart-Telefonyoga für Menschen über 60 mit geringfügiger Rente an.

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„Yoga für alle e.V.“-Gründerin Cornelia Brammen.

Foto:

Julia Schwendtner

Menschen, die in Altersarmut leben und sich keine Mitgliedschaft in einem Studio leisten können – und keinen Zugang zu Online-Yoga-Stunden haben. „Interessierte Menschen erhalten einen gedruckten Flyer mit Übungen. Eine speziell ausgebildete Yogalehrerin ruft sie einzeln an, macht einen Termin mit ihnen aus und dann findet das Telefon-Yoga 10 Mal zu diesem Termin jeweils 30 Minuten statt“, erklärt Cornelia Brammen von „Yoga für alle e.V.“

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Bei Anruf Yoga: Damit auch zu Hause bei den Asanas Wohlfühl-Atmosphäre herrscht, unterstützt das Hamburger Yoga-Label Chakrana Yoga für Alle e.V. und stellt Homewear-Mode für Frauen aller Altersklassen und Körpergrößen her. Das Stigma, dass Yoga nur für junge, schlanke Frauen geeignet ist, will das Label auflösen. 

Foto:

Julia Schwendner

Für die Teilnehmer ist das Telefon-Yoga ein Raum, in dem sie eine halbe Stunde lang mal durchatmen können – von der Pandemie und ihren anderen Sorgen. So sagt eine 72-jährige Teilnehmerin: „Telefonyoga gibt mir Sicherheit, ich übe intensiver, als wenn ich allein Gymnastik mache. Mein Rücken und meine Atmung sind besser geworden. Meine Beine sind nach dem Telefonyoga so leicht, es ist, als wenn ich schwebe. Seit ich Telefonyoga mache, gehe ich mehr spazieren und mache mehr Gymnastik. Es spornt mich an.“

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