Im Senat völlig isoliert: Steht Hamburgs Wirtschaftssenator vor dem Absprung?
„Was ist mit dem nur los?“: Wer sich des Öfteren im Hamburger Rathaus aufhält, wird früher oder später diese Frage hören. Sie zielt auf Michael Westhagemann, Hamburgs parteilosen Wirtschaftssenator. Der fiel zuletzt durch politische Alleingänge und schwache öffentliche Auftritte auf, wurde von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) inzwischen weitgehend kaltgestellt.
„Was ist mit dem nur los?“: Wer sich des Öfteren im Hamburger Rathaus aufhält, wird früher oder später diese Frage hören. Sie zielt auf Michael Westhagemann, Hamburgs parteilosen Wirtschaftssenator. Der fiel zuletzt durch politische Alleingänge und schwache öffentliche Auftritte auf, wurde von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) inzwischen weitgehend kaltgestellt.
Seit 2018 ist Westhagemann Wirtschaftssenator. Auch wenn der Mann aus der Wirtschaft in der Welt der Verwaltung nie ganz ankam, so fügte sich der stets freundliche Neu-Politiker, der jeden duzt und als nahbar und jovial gilt, in das Senatsteam gut ein. Zwar gehörte Westhagemann nie zum SPD-Machtzentrum, doch spielte der unabhängige Ex-Manager im Senat lange eine untadelige Rolle. Bis er im Sommer die Spielregeln brach und sich gleich zweimal öffentlich gegen den Senatskurs stellte.

Zunächst plädierte er dafür, das abgeschaltete Kohlekraftwerk Moorburg wieder ans Netz zu nehmen. Dann sprach er sich – vehement – gegen ein Terminal für Flüssiggas (LNG) im Hafen aus. Beide Male pfiff ihn der Bürgermeister zurück, genervt davon, dass Westhagemann die Konflikte nicht intern austrug, sondern über die Medien ging. In einer Senatsvorbesprechung fuhr Tschentscher ihm unlängst, so berichten mehrere Teilnehmer:innen, brüsk über den Mund, als er seine Position zu den LNG-Terminals noch einmal aufwärmen wollte.
Hat der Wirtschaftssenator keinen Blick für die Industrie?
Ein Thema, in das sich Westhagemann verbissen hat. Vertreter:innen der Koalition und auch Teile der Opposition kritisieren, dass der Senator dabei einzig und allein die Interessen des Hafens, nicht aber die der energieintensiven Industrie im Blick hat, die das Flüssig-Gas dringend braucht. Doch in dieser Auseinandersetzung mutiert der einstige Teamplayer zum Überzeugungstäter: Westhagemann agiert wie ein Mann, der nichts zu verlieren hat und keine Angst um seine Zukunft haben muss, Mit 65 muss er keine Karriere mehr machen. Kolportiert wird im Rathaus, dass er gesagt haben soll: „Wenn LNG kommt, bin ich weg.“
Ohnehin scheint Westhagemann zuweilen in höheren Sphären zu schweben und sich nur noch für sein Lieblingsthema, den Aufbau der Hamburger Wasserstoffwirtschaft, wirklich zu interessieren. Für sein Engagement für die Zukunftstechnologie, von der niemand weiß, wie groß ihre Rolle wirklich sein wird, lässt er sich bundesweit feiern. Berauscht von der eigenen Performance verlor der Senator die Bodenhaftung und vergrützte manch öffentlichen Auftritt. Auf einer Landespressekonferenz (LPK) verpasste und verpatzte er Ende August seinen Einsatz, sodass seine Sprecherin mehrfach ans Pult eilen und ihm etwas ins Ohr flüstern musste – eine Szene, wie es sie noch nie zuvor auf einer LPK gegeben hat.

Im Senat scheint Westhagemann inzwischen völlig isoliert. Faktisch hat Tschentscher ihn entmachtet, signalisiert klar nach außen: Die Wirtschaftspolitik macht allein der Bürgermeister. Als Tschentscher mit Wirtschaftsvertreter:innen nach Südamerika aufbrach, um hier auch über Westhagemanns Leib-und-Magen-Thema Wasserstoffwirtschaft zu sprechen, durfte der Senator zu Hause bleiben. Im „Bündnis für die Industrie der Zukunft“ mit dem Vorsitzenden des Industrieverbands Hamburg, Matthias Boxberger, spielt nur Tschentscher, nicht aber Westhagemann eine wesentliche Rolle. Auf dem Internationalen Hafensymposium in der Handelskammer hielt Tschentscher Mitte September – frei und punktgenau – eine vielbeachtete Begrüßungsrede, während Westhagemann am späten Nachmittag ein paar dürre Zeilen ablas und sofort wieder verschwand. Und auch bei der Hamburger Zukunftskonferenz für Industrie, Logistik und Häfen im November wird nicht etwa Westhagemann die Grußrede halten, sondern erneut Tschentscher.
Beobachter: Westhagemann wird bald ausgetauscht
Nur wenige politische Beobachter gehen noch davon aus, dass „Mr. Wasserstoff“ noch bis 2025 im Amt bleibt. Fast scheint es so, als wollte er seinen Abgang von der Senatsbühne provozieren. Für die Opposition ein Fest. „Westhagemann hat im Senat nichts mehr zu melden. Im Haifischbecken Rot-Grün schwimmt er ohne Hausmacht und geht völlig unter. Es wird nicht einmal versucht, den Anschein der Geschlossenheit zu wahren“, freut sich der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU, Götz Wiese, über die Störgeräusche in der Koalition.
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Tschentscher kann Westhagemann zwar entmachten, doch so einfach ersetzen kann er ihn nicht. Von acht Senatsmitgliedern, die die SPD bestimmt, sind nur zwei weiblich. Kippt Westhagemann, muss also eine Frau her. Dabei fällt immer wieder der Name Angela Titzrath. Die 56-jährige Managerin ist seit 2017 Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), soll aber bereits abgewinkt haben. So steht Tschentscher derzeit ohne Alternative da.