„Ich war wie ferngesteuert“: Gärtnerin gibt unter Tränen tödliche Stiche zu
Als junge Frau verliebte sie sich in ihn, wartete 33 Jahre lang, bis er sie heiratete, ertrug unzählige Enttäuschungen: Im Mordprozess gegen eine Hamburger Gärtnerin (55) hat die Angeklagte unter heftigem Weinen eine deprimierende Liebesgeschichte geschildert, an deren Ende sie ihren Mann „wie ferngesteuert“ umbrachte.
Als junge Frau verliebte sie sich in ihn, wartete 33 Jahre lang, bis er sie heiratete, ertrug unzählige Enttäuschungen: Im Mordprozess gegen eine Hamburger Gärtnerin (55) hat die Angeklagte unter heftigem Weinen eine deprimierende Liebesgeschichte geschildert, an deren Ende sie ihren Mann „wie ferngesteuert“ umbrachte.
Am zweiten Tag des Mordprozesses gegen eine 55 Jahre alte Gärtnerin aus Hamburg flossen viele Tränen: Die Frau gab den tödlichen Messerstich auf ihren Ehemann (75) unumwunden zu. Eine entsprechende Erklärung hatte eine ihrer Verteidigerinnen am Donnerstag vor dem Landgericht in Hamburg verlesen. „Es war, als ob etwas in mir aussetzt. Ich war wie ferngesteuert. Ich habe ein Messer gegriffen, mich umgedreht und einmal zugestochen“, ließ sich die angeklagte Deutsche zitieren. Die 55-Jährige weinte währenddessen ununterbrochen. Einmal musste die Verlesung sogar unterbrochen werden, weil sie keine Luft mehr bekam.
Tatort ist die Gartenlaube der Angeklagten in der Kleingartenanlage im Hövelweg an der Dove-Elbe (Wilhelmsburg). Kurz vor dem Messerstich am Karfreitag dieses Jahres sei ihr Mann in der Laube gestürzt und sie habe ihm wieder auf das Sofa geholfen. Weil sie dabei das Gefühl hatte, er habe sich extra schwer gemacht, sei sie ärgerlich geworden. „Das hat mich unglaublich wütend gemacht.“ Sein „meckernder Kommentar“ dazu habe schließlich zum Messerstich geführt.
Angeklagte schilderte gemeinsame Geschichte – 33 Jahre des Wartens
Dadurch wurden sein Herz und seine Halsschlagader getroffen. Der Mann starb noch in der Kleingartenanlage im Stadtteil Wilhelmsburg. Auch Sanitäter, die die Frau selbst gerufen hatte, konnten das Leben des Mannes nicht mehr retten. Der Mann verblutete innerlich. Das Paar hatte zuvor getrunken. Die 55-Jährige ist wegen heimtückischen Mordes angeklagt.
In der mehr als halbstündigen Verlesung der Erklärung ging es jedoch nur sehr kurz um den Tattag selbst. Vielmehr nutzte die 55-Jährige die Ausführungen, um das gemeinsame Leben Revue passieren zu lassen. Es waren Beschreibungen von einigen Höhen und noch viel mehr Tiefen. Und Schilderungen von vielen enttäuschten Gefühlen der Angeklagten.
Sie habe sich nach eigenen Angaben schon als junges Mädchen im Alter von 22 Jahren in ihn verliebt. Seitdem waren sie ein Paar. Er habe sich gut um sie gekümmert, sagte sie. „Er hat mir die Welt gezeigt und war sehr fürsorglich. Ich habe mich das erste Mal in meinem Leben beschützt gefühlt.“
Doch weil er seine Frau und den gemeinsamen Sohn nicht unversorgt lassen wollte, lässt er sich lange nicht scheiden und zieht auch nicht mit ihr zusammen. Schon damals sei sie deshalb wütend und traurig gewesen.
Das könnte Sie auch interessieren: „Der Junge da auf dem MOPO-Titel, das bin ich“
Die Enttäuschungen mehrten sich schließlich, als er vor mehr als zehn Jahren wegen eines Burnouts psychische Probleme bekommt, wegen der Medikamente stark zunimmt, sich nicht mehr gut fortbewegen kann und zudem mit dem Trinken anfängt, wie sie weiter schilderte. „Er hat weder mit mir noch mit sonst jemandem darüber gesprochen. Nur getrunken. Auch das hat mich sehr belastet.“
2012 zog das Paar zusammen, doch das glückliche gemeinsame Leben blieb aus. Er arbeitete und trank für ihren Geschmack zu viel. Sie sei nicht an ihn herangekommen, begann auch mit dem Trinken. Am Ende habe er seinen Sessel nicht einmal mehr zum Schlafen verlassen, habe schon morgens getrunken.
Hochzeit sei „furchtbar“ gewesen
Immer wieder habe sie auf mehr Glück zusammen gehofft, auf einen schönen Urlaub, eine romantische Hochzeit. „Darauf hatte ich mich mein Leben lang gefreut.“ Vor einem Jahr heiratet das Paar. „Für mich war der Tag furchtbar. Er hat kaum gesprochen. Ich war einfach nur enttäuscht und traurig.“
Verlassen wollte sie ihn nicht. „Ich habe ihn wirklich von ganzem Herzen geliebt und in ihm noch den Mann gesehen, der er einmal war. (…) Ich wollte nur, dass er aufhört zu trinken.“
Das könnte Sie auch interessieren: Mord an Hamburger Rentner: So kamen 100.000 Euro in den Koffer des Opfers
Nach der Entgiftung hatte ihr Mann einen Rückfall, klagt sie: „Ich habe mir davon so viel erhofft, bin aber enttäuscht worden.“ Die Situation zu Hause sei unerträglich gewesen. Duschen wollte er nicht, lag sich wund. Nur seine Frau sollte ihn pflegen, andere Hilfe akzeptierte er nicht. Doch dazu sei sie körperlich schlicht nicht in der Lage gewesen, zudem arbeitete sie noch Vollzeit.
Angeklagte habe immer wieder auf schöne gemeinsame Zeit gehofft
Auch am Osterwochenende habe sie auf eine schöne gemeinsame Zeit im Schrebergarten gehofft. Doch ihr Mann habe nur getrunken und gemeckert. „Ich war genervt und traurig und habe auch angefangen, Bier zu trinken.“ Sie schlief ein und wurde wach, weil er sie nach seinem Sturz rief. Wenige Augenblicke später kommt es zu dem tödlichen Messerstich.
„Ich habe dabei nichts gedacht und dabei nicht gezielt“, lässt die 55-Jährige ihre Verteidigerin verlesen. Erst danach habe sie realisiert, was passiert ist. „Ich habe das Messer rausgezogen und den Notarzt gerufen.“ Unter telefonischer Anleitung habe sie noch versucht, mit einer Herzdruck-Massage sein Leben zu retten. Doch ihr Mann starb noch in der Gartenlaube. Der Prozess geht bis mindestens Ende Januar 2023.