„Historischer Tag“: Jüdische Gemeinde erhält Synagogen-Grundstück zurück
Sie war das größte jüdische Gotteshaus Norddeutschlands: die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel (Rotherbaum). Vor 85 Jahren wurde sie von den Nazis in der Reichspogromnacht zerstört. Gestern wurde das damals enteignete Grundstück der jüdischen Gemeinde zurückgegeben. Ein historischer Tag – mit einer starken symbolischen Geste, bei der ein alter Nazi-Brief eine Rolle spielte.
Sie war das größte jüdische Gotteshaus Norddeutschlands: die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel (Rotherbaum). Vor 85 Jahren wurde sie von den Nazis in der Reichspogromnacht zerstört. Gestern wurde das damals enteignete Grundstück der jüdischen Gemeinde zurückgegeben. Ein historischer Tag – mit einer starken symbolischen Geste, bei der ein alter Nazi-Brief eine Rolle spielte.
Sandberge türmen sich aktuell auf dem ehemaligen Bornplatz, der heute Joseph-Carlebach-Platz heißt – nach dem letzten Oberrabbiner Hamburgs vor Beginn der Deportationen. Archäologen suchen dort gerade in der Erde nach den Resten der zerstörten Synagoge, auch um möglichst viele Informationen zu erhalten, die für den geplanten Wiederaufbau des Gotteshauses relevant sein könnten.
Dokument der Schande: Nazi-Brief wird zerschnitten
Mit spitzen Fingern hält Philipp Stricharz, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, ein Dokument vor den Sandbergen in die Höhe. Es ist eine Kopie des Briefes vom 9. März 1939, in dem die sogenannte Arisierung des Geländes erstmals dokumentiert ist.
„Die Nazis wollten uns unsichtbar machen. Der heutige Tag zeigt, dass das jüdische Hamburg eine Zukunft hat“, erklärt Stricharz. Jahrzehntelang habe die jüdische Gemeinde auf Gerechtigkeit am Bornplatz gewartet. Jetzt endlich sei dieser Tag gekommen.
Auch für Daniel Sheffer, Initiator der Kampagne für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge, ist dieser Mittwoch ein Wendepunkt. Als Kind habe er seinen Vater gefragt, warum dieser als Jude in den 1970er Jahren nach Deutschland zurückgekehrt sei. „Mein Vater antwortete: ,Weil es andere Deutsche sind‘.“ Jetzt – noch eine Generation später – werde die Veränderung spürbar.
„Zeichen gegen Antisemitismus“: Bürgerschaft stimmt für Rückgabe des Joseph-Carlebach-Platzes an jüdische Gemeinde
„Heute siegt die Gerechtigkeit und das jüdische Leben über die Barbarei der Nazis.“ Zusammen mit Stricharz hält Sheffer das Dokument der Schande nach vorne, damit es vernichtet werden kann.
In einem symbolischen Akt greifen die vier Vorsitzenden der Bürgerschaftsfraktionen der SPD, Grünen, CDU und Linken zu großen Scheren und legen los. Schnipp-schnapp und schon ist der Nazi-Brief zerschnitten. Die Schnipsel fallen zu Boden. Damit ist bildlich besiegelt, was später am Tag in der Bürgerschaft beschlossen werden sollte: Die Rückgabe des Grundstücks an die jüdische Gemeinde.

Für den Vorsitzenden der SPD-Fraktion, Dirk Kienscherf, ist dieser Schritt längst überfällig. „Wir tun heute etwas, das schon lange geschehen hätte müssen.“ Nach dem Ende der NS-Diktatur sei die Aufarbeitung in Deutschland nur schleppend vorangegangen. Mit der Rückgabe des Grundstücks werde „ein Schlussstrich unter ein beschämendes Kapitel“ gezogen.
Liberale Jüdische Gemeinde äußert Kritik an der Rückgabe des Grundstücks
Jennifer Jasberg, Fraktionschefin der Grünen, ergänzt: „Die Schuld wird niemals beglichen. Aber wir sind heute hier an diesem Ort, um das Recht wiederherzustellen.“ Für CDU-Fraktionschef Dennis Thering ist der Wiederaufbau der zerstörten Synagoge „ein starkes und sichtbares Zeichen gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Hamburg“.
Und Cansu Özdemir von der Linksfraktion betont, dass die neue Synagoge nicht nur ein Schritt sein wird, um jüdisches Leben in Hamburg wieder sichtbar zu machen, sondern auch ein Versprechen für die Sicherheit der Gemeinde. „Die vier Bürgerschaftsfraktionen stehen hier heute zusammen als Brandmauer gegen Hass und Antisemitismus.“
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Kritik an der Rückgabe des Grundstücks kam von der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Israelitischer Tempelverband, die seit längerem eine eigene Synagoge für sich fordert. „Wir begrüßen den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge“, erklärte der Vorsitzende Eike Steinig. „Aus unserer Sicht war die Eigentümerin des Grundstücks allerdings die Deutsch-Israelitische Gemeinde, der damalige Dachverband des Israelitischen Tempelverbands. Die heutige Jüdische Gemeinde Hamburg ist nicht deren Rechtsnachfolgerin.“ Steinig fordert eine Klärung der Rechtslage sowie die Einbeziehung der Interessen der Liberalen Jüdischen Gemeinde.
Wann mit dem Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge begonnen wird, steht noch nicht fest. Der Architekturwettbewerb soll noch in diesem Jahr starten.