Historische Hamburger Villa soll plattgemacht werden
In Eppendorf steht sie: Die „Salomon-Villa“, eine stattliche Villa aus vergangenen Tagen. 2020 wechselte sie den Besitzer – und der hat große Pläne: Die historische Villa soll Neubauten weichen. Das führt zu Widerstand. Was der neue Besitzer plant und wer warum Einwände hat, lesen Sie hier.
In Alsterdorf steht sie: Die „Salomon-Villa“, ein stattliches Haus aus vergangenen Tagen. 2020 wechselte sie den Besitzer – und der hat große Pläne: Die historische Villa soll Neubauten weichen. Das führt zu Widerstand. Was der neue Besitzer plant und wer warum Einwände hat, lesen Sie hier.
Sie ist ein „Lost Place“, dem Abriss geweiht. Spätestens 2024 soll die um 1890 erbaute Gründerzeitvilla am Salomon-Heine-Weg 60, auf der Grenze zwischen Eppendorf und Alsterdorf, einem Büroneubau oder einem Medizinzentrum weichen. Doch jetzt regt sich Widerstand dagegen, dass die historische Stadtvilla dem Erdboden gleichgemacht wird. Der Denkmalverein, die Links-Fraktion des Bezirks und auch zahlreiche Anwohner:innen kämpfen gegen die Abrissbirne.
Die von einem Fabrikanten erbaute Villa wechselte zuletzt 2020 den Besitzer. Eisfabrikant Matthias Schmidt, der hier gelebt und in einem der in den 1920er Jahren entstandenen Anbauten ein Speiseeis produziert hat, verkaufte sie an den Hamburger Baukonzern Otto Wulff. Der will die gegenüber dem Eppendorfer Mühlenteich gelegene Villa nun plattmachen, beantragte beim Bezirksamt einen Vorbescheid zum Neubau eines sechsstöckigen Bürogebäudes samt Tiefgarage. Im September 2021 wurde der Bescheid erteilt.
Otto Wulff will die Villa in Alsterdorf plattmachen
Doch da mit Büros in Nach-Corona-Homeoffice-Zeiten keine satten Renditen mehr zu erzielen sind, plant Wulff hier nun nach eigenem Bekunden ein Ärztezentrum. Gerade im medizinischen Bereich herrscht in dem Gebiet nördlich des UKEs jedoch quasi Vollversorgung. Otto Wulff wollte sich öffentlich nicht äußern. Das Unternehmen verweist auf MOPO-Anfrage darauf, dass ihnen das Gebäude gehört und sie mit gültiger Rechtsgrundlage planen.
Grundlage der Planungen ist der seit 1968 nie den veränderten Stadtrealitäten angepasste B-Plan „Alsterdorf 1“, der an dieser Stelle Gewerbe vorsieht. Und das Bezirksamt Nord betont: „Das Gebäude steht nicht unter Denkmalschutz, insofern gibt es keinen Ablehnungsgrund für einen Abbruch“.
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Warum „dieses einmalige Gebäudeensemble nie unter Denkmalschutz gestellt wurde“, das kann der Bezirksabgeordnete der Linken, Keyvan Taheri „nicht nachvollziehen“. Und auch Kristina Sassenscheid vom Hamburger Denkmalverein klagt: „Leider ist nur ein kleiner Teil der Hamburger Gründerzeitbauten geschützt, obwohl sie oft unverzichtbare Bestandteile des vertrauten Stadtbildes sind.“
Sassenscheid weiß: „Kleinere und komplexe Ensembles wie diese Villa sind besonders gefährdet, weil Neubauten eine höhere Grundstücksausnutzung und damit mehr Rendite versprechen. Dabei wäre es baukulturell und ökologisch am sinnvollsten, sie zu erhalten.“
Salomon-Villa soll als kulturelle Stätte genutzt werden
„Warum diese Villa Büroräumen weichen muss, ist unverständlich“, ärgert sich auch Taheri und ergänzt: „Eine Nutzung als Wohnraum oder öffentlichen Raum für sozio-kulturelle Vorhaben sollte im Interesse der Kulturstadt Hamburg liegen.“
Wie lebendig es hier zugehen und was für ein Publikumsmagnet die Villa sein kann, zeigte sich im vergangenen Jahr. Wolff stellte es der Galerie Affenfaust zur „Zwischennutzung“ zur Verfügung. Ateliers und Künstler:innenwohnungen entstanden, Ausstellungen bevölkerten das Haus und seine Anbauten, Hunderte Besucher:innen kamen, um die Kunst zu genießen und bis zum frühen Morgen auf dem 1400 Quadratmeter großen Grundstück zu feiern. Da dieses bereits von Büroklötzen umzingelt ist, gibt es keine Anwohner:innen, die sich am regen Kulturbetrieb stören könnten.
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Im Bezirk Nord steht neben der Linken auch der Fraktionschef der Grünen, Timo B. Kranz, einem Erhalt der „Villa Salomon“ positiv gegenüber: „Wir freuen uns natürlich immer, wenn alter Gebäudebestand kreativ genutzt, saniert und aufgewertet statt abgerissen wird, da dies einen deutlich nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen bedeutet.“ Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Obwohl Otto Wullf noch keinen klaren Plan für die zukünftige Nutzung hat, scheint der Abriss der Villa besiegelt.
Auf der Suche nach Lösungen für den Erhalt der Villa
Nicht aber für Keyvan Taheri: „Die Stadt braucht nicht noch mehr Bürogebäude, sondern öffentlichen Raum für alle, einen Ort für Kultur und Teilhabe“, klagt er, selbst Künstler, und kündigt Widerstand an: „Es gilt, jetzt zu mobilisieren und Mitstreiter zu finden, um eine Lösung zum Erhalt der Villa herbeizuführen.“