Wie bei „Schindlers Liste“: So rettete Eberhard Helmrich Hunderten das Leben
Eberhard Helmrich war ein Held. Ein Held aus Hamburg noch dazu. Trotzdem haben nur die wenigsten Hamburger je von ihm gehört. Das wird sich nun hoffentlich ändern. Denn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der sich in seiner Eigenschaft als amtierender Bundesratspräsident aktuell in Israel aufhält, hat am Mittwoch (31. Mai) die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besichtigt – und dabei ganz gezielt auch des Hamburgers Helmrich gedacht.
Eberhard Helmrich war ein Held. Ein Held aus Hamburg noch dazu. Trotzdem haben nur die wenigsten Hamburger je von ihm gehört. Das wird sich nun hoffentlich ändern. Denn Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der sich in seiner Eigenschaft als amtierender Bundesratspräsident aktuell in Israel aufhält, hat am Mittwoch (31. Mai) die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem besichtigt – und dabei ganz gezielt auch des Hamburgers Helmrich gedacht.
Die Geschichte von Eberhard Helmrich erinnert stark an die von Oskar Schindler, jenem Unternehmer aus der NS-Zeit, dem Steven Spielberg mit dem Film „Schindlers Liste“ ein Denkmal setzte.

Helmrich entsprach äußerlich ganz dem arischen Ideal: Groß, blond, drahtig. Tatsächlich aber verachtete der 1899 in Hamburg geborene Wehrmachtsoffizier Hitler und die NS-Rassenideologie zutiefst. Indem er die SS austrickste, hat er unzähligen Juden das Leben gerettet. 1965 gehörte Helmrich zu den ersten überhaupt, die von der Gedenkstätte Yad Vashem mit dem Titel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet wurde.
Peter Tschentscher besucht Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem
Schauplatz von Helmrichs Heldentaten: Drohobycz, eine Stadt in Galizien, heute ein Teil der Ukraine. Im Zweiten Weltkrieg war die Region Standort der Ölindustrie und deshalb für die Nazis besonders wichtig. Juden wurden zur Zwangsarbeit gezwungen. Später begann die SS damit, sie zusammenzutreiben. Viele wurden gleich ermordet, andere in die Vernichtungslager in Zentralpolen verfrachtet. Von 85.000 jüdischen Bürgern waren nach dem Krieg nur rund 1000 übrig.

Die, die überlebten, haben das zu einem großen Teil Eberhard Helmrich zu verdanken. Er – Vater der FDP-Politikerin Cornelia Schmalz-Jacobsen – war Agrarexperte und leitete in Drohobycz die Abteilung für Ernährung und Landwirtschaft. Später wurde er zum obersten Wirtschaftsbeamten der Region ernannt. In dieser Funktionen tat er alles, was er konnte, um der lokalen jüdischen Bevölkerung zu helfen.
So versorgte er beispielsweise in Zeiten akuter Lebensmittelknappheit das jüdische Krankenhaus mit Nahrungsmitteln und bewahrte so viele Patienten vor dem Hungertod. Weitere Menschen rettete er, indem er ein landwirtschaftliches Arbeitslager gründete – „Hyrawka“ war der Name. Indem er dort 300 jüdische Männer und Frauen beschäftigte, bewahrte er sie vor den Deportationen und Mordaktionen. Helmrich schaffte es sogar ganz offiziell, von der SS die Genehmigung für sein Lager zu erhalten. Sein Argument: Die jüdischen Bauern würden die deutschen Besatzer mit frischem Gemüse versorgen. „Selbst wenn sie krank sind, werden Juden so hart arbeiten, als hinge ihr Leben davon ab“, so Helmrich zur SS. Das überzeugte.
Helmrich trickste die SS aus und nahm große Risiken auf sich
Seine Mitarbeiter wies Helmrich an, die jüdischen Arbeiter human zu behandeln. Als die Beschäftigung von Juden in der Landwirtschaft verboten wurde und das Lager „Hyrawka“ aufgelöst werden musste, sorgte Helmrich dafür, dass die jüdischen Arbeiter in andere Arbeitslager der Umgebung kamen. So verzögerte er ihre Deportation in die Vernichtungslager und eröffnete vielen von ihnen die Chance zur Flucht. Helmrich nahm große Risiken auf sich, als er beispielsweise jüdische Flüchtlinge tagelang in seinem Haus versteckte.

Schließlich schmiedeten er und seine Frau Donata Helmrich einen besonders kühnen Plan. Sie versorgten eine Reihe junger jüdischer Frauen mit gefälschten ukrainischen Dokumenten und schickten sie als Dienst- und Kindermädchen nach Deutschland. Die Familien, in denen die Mädchen tätig waren, ahnten nicht, dass es sich bei ihnen um Jüdinnen handelte. Die Mädchen schwebten in ständiger Gefahr, enttarnt zu werden, aber sie alle überlebten den Krieg.
Tschentscher kniet neben dem Baum, der für Helmrich gepflanzt wurde

Im Dezember 1965 wurde Eberhard Helmrich als einer der ersten Menschen von Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt. Daran wurde an diesem Mittwoch erinnert, als Bürgermeister Peter Tschentscher Yad Vashem besichtigte und im sogenannten „Garten der Gerechten“ den Baum aufsuchte, der dort zu Ehren von Eberhard Helmrich gepflanzt wurde.
„Die historische Schuld Deutschlands ist erdrückend“, sagte Tschentscher bei seinem Besuch. „Eberhard Helmrich hat sich von der nationalsozialistischen Ideologie nicht vereinnahmen lassen und Zivilcourage gezeigt. Während viele an den Verbrechen der Nazis mitgewirkt oder weggesehen haben, hat Eberhard Helmrich gegen die Unmenschlichkeit des Regimes gehandelt und damit Menschenleben gerettet.“

Tschentscher legte in der „Halle der Erinnerungen“, dem zentralen Ort der Gedenkstätte, einen Kranz nieder und besichtigte auch das eindrucksvolle Mahnmal für die ermordeten Kinder. Durch Yad Vashem ließ sich Tschentscher von Susan Caine führen. Sie entstammt einer jüdischen Familie aus dem Hamburger Grindelviertel. Ihre Mutter Eva Löwenthal und deren Eltern flohen 1938 nach England und entgingen so der Deportation ins Vernichtungslager.
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Yad Vashem ist vielleicht einer der traurigsten Orte auf der ganzen Welt: Yad Vashem heißt zu deutsch soviel wie „Denkmal und Name“. Die bedeutendste Holocaust-Gedenkstätte der Erde wurde auf einem 18 Hektar großen Areal hoch oben auf dem Berg des Gedenkens in Jerusalem errichtet. Sie erinnert an die sechs Millionen von den Nazis ermordeten Juden, an die zerstörten jüdischen Gemeinden, an die Ghetto- und Widerstandskämpfer, ehrt aber auch die „Gerechten unter den Völkern“, die während des Holocaust ihr Leben aufs Spiel setzten, um Juden zu retten. So wie Eberhard Helmrich.

Geschichten wie seine nicht zu vergessen, das sei sehr wichtig, findet Dr. Kim Wünschmann, die das Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg leitet. Die Historikerin nimmt an der Reise von Bundesratspräsident Tschentscher nach Israel teil. Zur MOPO sagte sie: „Wir reden viel zu wenig über die Helfer, über die, die Zivilcourage bewiesen haben. Das müssen wir wirklich ändern. Auch die Retter sind ein wichtiges Thema der Holocaust-Geschichte.“