Jeden Tag Todesangst: Was im wohl berühmtesten Tagebuch der Welt steht
Der 12. Juni 1942 ist Anne Franks 13. Geburtstag. Sie ist total aufgeregt, als sie um kurz nach sieben Uhr erwacht und aus dem Bett springt, um ihre Geschenke anzusehen. Am meisten freut sie sich auf das rot-weiß karierte Buch, das sie sich gewünscht hat – eigentlich ein Poesiealbum. Daraus will sie ein Tagebuch machen. Es wird später das wohl wichtigste Dokument über den Holocaust sein und macht deutlich, welchen Horror Jüdinnen und Juden in Deutschland und den besetzten Nachbarländern durchleben mussten.
Noch an ihrem Geburtstag beginnt Anne Frank zu schreiben: „Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.“ Das ist ihr erster Eintrag.
- Deutsch (Deutschland)
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Der 12. Juni 1942 ist Anne Franks 13. Geburtstag. Sie ist total aufgeregt, als sie um kurz nach sieben Uhr erwacht und aus dem Bett springt, um ihre Geschenke anzusehen. Am meisten freut sie sich auf das rot-weiß karierte Buch, das sie sich gewünscht hat – eigentlich ein Poesiealbum. Daraus will sie ein Tagebuch machen. Es wird später das wohl wichtigste Dokument über den Holocaust sein und macht deutlich, welchen Horror Jüdinnen und Juden in Deutschland und den besetzten Nachbarländern durchleben mussten.
Noch an ihrem Geburtstag beginnt Anne Frank zu schreiben: „Ich werde, hoffe ich, dir alles anvertrauen können, wie ich es noch bei niemandem gekonnt habe, und ich hoffe, du wirst mir eine große Stütze sein.“ Das ist ihr erster Eintrag.
Anne Frank vertraut ihrem Tagebuch all ihre Geheimnisse an
Anne beginnt damit, ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zu beschreiben, sie erzählt von ihrer Familie und ihrem Alltag in Amsterdam. Schon bald kommt die Idee, ihre Einträge als Briefe an fiktive Freundinnen zu formulieren. Die wichtigste trägt den Namen Kitty.
Anne Frank, geboren am 12. Juni 1929, ist eine deutsche Jüdin. Gemeinsam mit ihren Eltern emigrierte sie Anfang 1934 vor den Nationalsozialisten von Frankfurt nach Amsterdam. Die ersten Jahre dort sind unbeschwert, doch dann marschieren im Mai 1940 deutsche Truppen ein.
Als Margot, Annes Schwester, am 5. Juli 1942 den Aufruf zum „Arbeitseinsatz nach Deutschland“ bekommt, handeln die Eltern Otto und Edith Frank sofort: Schon am darauffolgenden Tag bezieht die Familie ein Versteck im Hinterhaus von Otto Franks Firma.
Am 6. Juli 1942 taucht die Familie Frank unter: Ein Leben im Versteck beginnt
Annes Tagebuch steckt voller Intimität und Ratlosigkeit, voller Wut, Liebe und Reflexion. Anne schreibt über den Streit mit den Eltern, vom Gefühl, nicht verstanden zu werden, vom Alleinsein, von der ersten großen Liebe und der zweiten, vom ersten Kuss und von Selbstzweifeln – Themen, die jeder kennt, auch heutzutage.
Wer Annes Tagebuch liest, kann ihr Schritt für Schritt beim Erwachsenwerden zuschauen: Zunächst beschwert sie sich über Klassenkameradinnen, später werden ihre Einträge reflektierter, sie denkt über ihr Verhalten und das der anderen Hinterhaus-Bewohner nach. Und sie schreibt über politische Themen, hinterfragt gesellschaftliche Probleme, wie zum Beispiel die Rolle der Frau.
Im Versteck wird das Tagebuch zu Annes ganz persönlichem Freiraum. Die versteckte Wohnung befindet sich über dem Lager der Opekta, einer Firma für Geliermittel für Konfitüren, die der Vater Otto in Amsterdam aufgebaut hat.
Außer an den Wochenenden ist deshalb der Tag durch die Arbeitszeiten der Lagerarbeiter streng strukturiert: Sie wissen nichts vom geheimen Versteck und dürfen von den Untergetauchten auch nichts mitbekommen. Entsprechend müssen alle acht Bewohner des Hinterhauses sehr leise sein.
Anne Frank verliert die Hoffnung: Sie will nach dem Krieg Schriftstellerin werden
Am 29. März 1944 hört Anne am Radio eine Ansprache von Gerrit Bolkestein, dem Bildungsminister der niederländischen Exilregierung in London. Um später die Unterdrückung der Niederländer durch die deutsche Besatzung öffentlich zu machen, ruft er die Niederländer dazu auf, Selbstzeugnisse wie Briefe und Tagebücher aufzubewahren und nach dem Krieg der Regierung zu übergeben. Anne gefällt die Idee. Sie hat den Ehrgeiz, Journalistin oder Schriftstellerin zu werden und beginnt damit, ihr Tagebuch für eine spätere Publikation zu überarbeiten. Anne plant einen Roman mit dem Titel „Het Achterhuis“.
Bis zum Schluss glaubt Anne Frank an eine Zukunft. „Ich suche immer wieder nach einem Mittel, so zu werden, wie ich so gern sein möchte, und wie ich sein könnte, wenn, ja, wenn keine andere Menschen auf der Welt lebten.“ So endet ihr Eintrag vom 1. August 1944. Es ist ihr letzter.
Anne Franks Tagebuch ist Weltliteratur: Übersetzt in 70 Sprachen
Wie durch ein Wunder überdauerte ihr Tagebuch die Zeit. Anne Franks Vater Otto – der einzige Überlebende der Familie – sorgte nach dem Krieg dafür, dass es veröffentlicht wurde. Am 25. Juni 1947 kam es in den Handel. Bis heute ist es in 70 Sprachen übersetzt und wurde millionenfach verkauft.
Das Tagebuch hat Anne Frank weltberühmt gemacht. Anne wäre heute 93 Jahre alt.