Vor 180 Jahren: Hamburg geht in Flammen auf – Katastrophe und Chance zugleich
Vor genau 180 Jahren erlebt die Stadt Hamburg ihre bis dahin größte Katastrophe: 1750 Häuser, 100 Speicher, drei Kirchen, das Rathaus, die alte Börse und das Stadtarchiv – alles wird vernichtet. 51 Männer, Frauen und Kinder sterben, 130 werden verletzt und 20.000 verlieren ihr Heim. Der Große Brand löst unfassbares Leid aus – und ist doch auch eine riesige Chance. Die Feuersbrunst – sie markiert den Aufbruch Hamburgs in die Zukunft. Nun ist der nötige Platz da, um eine moderne Metropole entstehen zu lassen.
Hamburg vor dem Stadtbrand: eine Stadt von 120.000 Einwohnern, die aus einem Gewimmel engster Gassen und Twieten besteht. Fachwerkspeicher stehen eingekeilt zwischen Fleet und Straße und drohen unter der Fülle der Waren zu platzen. Jede Menge brennbares Zeug darunter. In den Wohnhäusern leben die Menschen dicht an dicht. Auf den engen Straßen zwängen sich Fußgänger durch ein Wirrwarr aus Droschken, Gemüsekarren und Bauernwagen. Seit dem Mittelalter ist hier nicht viel passiert.
Vor 180 Jahren wütet der Große Brand in Hamburg

Vor genau 180 Jahren erlebt die Stadt Hamburg ihre bis dahin größte Katastrophe: 1750 Häuser, 100 Speicher, drei Kirchen, das Rathaus, die alte Börse und das Stadtarchiv – alles wird vernichtet. 51 Männer, Frauen und Kinder sterben, 130 werden verletzt und 20.000 verlieren ihr Heim. Der Große Brand löst unfassbares Leid aus – und ist doch auch eine riesige Chance. Die Feuersbrunst – sie markiert den Aufbruch Hamburgs in die Zukunft. Nun ist der nötige Platz da, um eine moderne Metropole entstehen zu lassen.
Hamburg vor dem Stadtbrand: eine Stadt von 120.000 Einwohnern, die aus einem Gewimmel engster Gassen und Twieten besteht. Fachwerkspeicher stehen eingekeilt zwischen Fleet und Straße und drohen unter der Fülle der Waren zu platzen. Jede Menge brennbares Zeug darunter. In den Wohnhäusern leben die Menschen dicht an dicht. Auf den engen Straßen zwängen sich Fußgänger durch ein Wirrwarr aus Droschken, Gemüsekarren und Bauernwagen. Seit dem Mittelalter ist hier nicht viel passiert.
Vor 180 Jahren wütet der Große Brand in Hamburg

5. Mai 1842. Schon seit Wochen ist es ungewöhnlich heiß, es herrscht große Trockenheit. Was genau die Ursache für das Feuer ist, das am frühen Morgen ausbricht, wird nie geklärt, aber wo es entsteht, das ist überliefert: Deichstraße 44, das Haus eines Zigarrenhändlers. Ein Nachtwächter bemerkt die Flammen als Erster. Kurz darauf gellt sein Ruf durch die Nacht: „Füer! Füer in de Diekstraat!“
Das Feuer breitet sich immer weiter aus, die „Wittkittel“ haben keine Chance
Wirklich besorgt ist anfangs wohl kaum jemand. In den alten Lagerhäusern kommt es häufiger zu Bränden. Die Stadt ist für solche Fälle gerüstet. Routiniert rollen die Wittkittel, wie Hamburgs Feuerwehrmänner wegen ihrer weißen Leinenmäntel genannt werden, ihre ledernen Spritzenschläuche aus und beginnen zu pumpen. Doch diesmal bekommen die Männer den Brand nicht unter Kontrolle.

Das Feuer erfasst einen weiteren Speicher, in dem Schellack, Spirituosen und Gummi lagern. Gewaltige Flammen springen über das Fleet, das hier nur wenige Meter breit ist. Auf der gegenüberliegenden Seite stehen daraufhin bald mehrere Gebäude in Brand. Als der Morgen graut, sind 1000 Spritzenleute im Einsatz. Aber selbst der Kräftigste hält kaum eine halbe Stunde an der Pumpe durch, ehe er abgelöst werden muss.
Die Feuerwehr will Häuser sprengen, um eine Brandschneise zu schlagen
Die Brandmeister begreifen, dass nun das Viertel um den rathausnahen Rödingsmarkt so gut wie verloren ist – und das Feuer droht in die Innenstadt überzugreifen. Die Feuerwehrleute lassen Schwarzpulver herbeischaffen, um Häuserzeilen zu sprengen – in der Hoffnung, dass eine Brandschneise die Flammen aufhalten kann.
Doch Vertreter des Rats lehnen ab. Sie fürchten Regressansprüche der Hausbesitzer. Stattdessen werden mithilfe des optischen Telegrafen weitere Löschzüge aus den Vorstädten und dem Umland angefordert. Aus Wedel, Blankenese, Stade, Altona, Wandsbek, ja, sogar aus Kiel und Lübeck eilt Hilfe herbei. Dennoch: Die Flammen sind stärker. Die Feuerwehrleute müssen Haus um Haus aufgeben, verlieren Straße um Straße.

Immer noch haben viele Bürger nicht begriffen, was los ist. Der 5. Mai ist Himmelfahrt – und trotz des Großbrands gehen die Gläubigen mittags voller Gottvertrauen in die 1195 geweihte Nikolaikirche am Hopfenmarkt zum Gottesdienst. Kaum hat Pastor Wendt seinen Segen gesprochen und die Gemeinde das Gotteshaus verlassen, steht auch schon der Kirchturm in Flammen.
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Die brennende Spitze fällt herab, dann bricht der Bau in einem Funkenwirbel in sich zusammen. Da niemand daran gedacht hat, die wertvollen Kunstschätze zu bergen, werden sie zusammen mit der kostbaren Orgel – 140 Jahre zuvor vom berühmten Arp Schnitger hergestellt und das größte Musikinstrument der Welt! – ein Raub der Flammen.
Die Bürger fliehen aus der Stadt, Plünderer dringen in die Häuser ein
Statt zu versuchen, ihre Häuser zu retten, verlassen viele Bewohner fluchtartig ihre Wohnungen. Durch die Straßen irren Menschen, deren Haus in Flammen steht. Eben noch sind sie wohlhabende Bürger gewesen, nun sind sie Obdachlose mit ein wenig geretteter Habe. Mancher wirft alles, was er besitzt, ins Fleet – in der Hoffnung, dass es so unversehrt bleibt und später wieder geborgen werden kann.
Nun handeln die Verantwortlichen entschiedener: Das Hamburger Rathaus an der Trostbrücke wird am 6. Mai morgens gegen 2.30 Uhr in die Luft gejagt. Das meiste Aktenmaterial ist vorher gesichert worden, aber wertvolle, vor allem ältere Bestände des Stadtarchivs fallen dem Brand zum Opfer. Doch das Feuer frisst sich weiter durch die Stadt. Über den Mönkedamm, Alten und Neuen Wall eilt es auf die Binnenalster zu, auch die Kirche St. Petri ist von Flammen eingeschlossen.

Ein Mann wird in dieser Situation zum Helden: ein Kaufmann namens Theodor Dill. Als die Flammen der Börse am Adolphsplatz, die erst im Jahr zuvor eingeweiht wurde, gefährlich nahe kommen, begibt er sich in das Gebäude und kämpft gemeinsam mit neun anderen Männern, die er überzeugen kann, ihm zu helfen, gegen die Flammen an. 24 Stunden lang patschen sie mit wassergetränkten Taschentüchern jede Flammen aus – dann ist die Gefahr vorüber, das Gebäude gerettet.
Für den 7. Mai ist eigentlich die Eröffnung der eben fertiggestellten ersten norddeutschen Bahnlinie von Hamburg nach Bergedorf geplant. Angesichts der Tragödie werden die Feierlichkeiten abgesagt. Ihren Betrieb nimmt die Bahn trotzdem auf: Sie bringt Hunderte von Verletzten nach Bergedorf in Sicherheit.
Am frühen Morgen des 8. Mai 1842 kann die Feuerwalze endlich gestoppt werden
Mitten in der schlimmsten Katastrophe schlägt die Stunde der Wucherer: Fuhrleute fordern von den Verzweifelten das 30-fache des üblichen Preises. Plünderer brechen in evakuierte Häuser ein, machen sich beispielsweise in einer Weinhandlung über die Spirituosen her – und werden unter einstürzenden Mauern begraben.

Petri- und Gertrudenkirche sind vernichtet, nahezu das gesamte West- und Südufer der Binnenalster hat das Feuer niedergebrannt. Tags darauf ragen am Jungfernstieg die Reihen verkohlter Linden in den Himmel. Der Brand steht kurz davor, in die Vorstadt St. Georg überzuspringen, doch dann dreht der Wind, der die Flammen bis dahin mit Sturmstärke angefacht hat, auf Südost. Und drückt so das Feuer zurück in sein eigenes Trümmerfeld, wo es keine Nahrung mehr findet.
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Gegen 8 Uhr am Morgen des 8. Mai 1842 – es ist ein Sonntag – kämpfen Spritzentrupps in der Straße Kurze Mühren das letzte Großfeuer nieder. Nach 79 Stunden ist die Katastrophe endlich überstanden. Einzelne Glutherde schwelen noch über Monate unter dem ausgebrannten Steinhaufen, der einmal Alt-Hamburg war. Mehr als ein Viertel der Stadt ist vernichtet.
In- und Ausland nehmen großen Anteil an der Katastrophe
Die Menschen im In- und Ausland nehmen die Nachricht vom Hamburger Brand mit Bestürzung auf, überall wird zu Spenden aufgerufen. Finanzielle Hilfe kommt aus Russland, aus Frankreich, aus ganz Europa, Afrika, Asien und Amerika. Die Stadt Altona liefert täglich 1000 Portionen warmer Suppe. Aus Preußen werden 20.000 Brote und 2000 Wolldecken herbeigeschafft.

Die Aufräumarbeiten beginnen sofort. Für Obdachlose werden zunächst Zelte vor dem Stein- und dem Dammtor errichtet. Auf der Esplanade, dem Glockengießerwall, dem großen Johannisplatz, in Hammerbrook, vor dem Steintor und vor dem Dammtor entstehen Notquartiere aus Holz. Sie sind Ende Juli fertig.
Der britische Ingenieur William Lindley leitet den Wiederaufbau der Stadt
Parallel dazu beginnt der Wiederaufbau. Der englische Ingenieur William Lindley (1808-1900), der sich in der Stadt aufhält, weil er den Bau von Hamburgs erster Eisenbahn geleitet hat, gründet eine technische Kommission, der auch die Architekten Alexis de Chateauneuf (1799-1853) und Gottfried Semper (1803-1879) angehören. Lindley legt seine Wiederaufbaupläne in einer Rekordzeit von nur sieben Monaten vor.

Beim Wiederaufbau wird der alte Grundriss der Stadt völlig über den Haufen geworfen – ein von Rat und Bürgerschaft verabschiedetes Enteignungsgesetz ermöglicht das. Straßen, Plätze, Fleete, Häuserblöcke werden erweitert, verlegt, beseitigt, neu geschaffen. Die Alsterarkaden entstehen, dazu eine prächtige Postverwaltung. Wo Brücken früher aus Holz waren, werden sie nun aus Stein gebaut. Unter den verbreiterten, frisch gepflasterten Straßen werden moderne Wasser- und Abwasserkanäle verlegt. Erstmals legen die Planer Bürgersteige an, Öllampen werden durch Gaslaternen ersetzt. Ein Gaswerk entsteht auf dem Grasbrook.
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Hier einige Beispiel für Neubauten, die nach 1842 in Hamburg entstanden:
- Staatsarchiv Hamburg Noch heute erfreuen wir uns an den Alsterarkaden, die 1842 Alexis de Chateauneuf erbaute.
Noch heute erfreuen wir uns an den Alsterarkaden, die 1842 Alexis de Chateauneuf erbaute. - Staatsarchiv Hamburg Typisches Beispiel für die sogenannte „Nachbrandarchitektur": das Postgebäude nach Plänen von Alexis de Chateauneuf – heute die „Alte Post“.
Typisches Beispiel für die sogenannte „Nachbrandarchitektur“: das Postgebäude nach Plänen von Alexis de Chateauneuf – heute die „Alte Post“. - Staatsarchiv Hamburg Auf dem Grasbrook entsteht das erste Gaswerke - Voraussetzung, um die Straßen Hamburgs mit Gaslicht zu beleuchten.
Auf dem Grasbrook entsteht das erste Gaswerke – Voraussetzung, um die Straßen Hamburgs mit Gaslicht zu beleuchten. - Staatsarchiv Hamburg William Lindley baut in Hamburg die erste Kanalisation auf dem Kontinent.
William Lindley baut in Hamburg die erste Kanalisation auf dem Kontinent.
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