Spannend und erschreckend: Die unbekannte Historie von Hamburgs grünem Bunker
Ein Betonkoloss ragt aus dem Heiligengeistfeld, mitten im Herzen von St. Pauli. Eingebettet zwischen Millerntor-Stadion und Karoviertel ist das knapp 50 Meter hohe Gebäude längst zum Wahrzeichen des jungen Hamburg geworden. Bekannt ist der graue Koloss als „Medienbunker“ oder als „Bunker an der Feldstraße“. Aktuell sorgt er für Schlagzeilen, weil er sich in einen „Grünen Bunker“ verwandelt - mit spetakulärem Garten auf dem Dach. Aber nur wenige wissen von seiner Entstehungsgeschichte und wie es kam, das er ab 1942 in nur 300 Tagen erbaut wurde. Von Zwangsarbeitern.
Ein Betonkoloss ragt aus dem Heiligengeistfeld, mitten im Herzen von St. Pauli. Eingebettet zwischen Millerntor-Stadion und Karoviertel ist das knapp 50 Meter hohe Gebäude längst zum Wahrzeichen des jungen Hamburg geworden. Bekannt ist der graue Koloss als „Medienbunker“ oder als „Bunker an der Feldstraße“. Aktuell sorgt er für Schlagzeilen, weil er sich in einen „Grünen Bunker“ verwandelt – mit spetakulärem Garten auf dem Dach. Aber nur wenige wissen von seiner Entstehungsgeschichte und wie es kam, das er ab 1942 in nur 300 Tagen erbaut wurde. Von Zwangsarbeitern.
Es gehörte zu den Eigenarten von Hermann Göring (1893-1946), seines Zeichens Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe, dass er den Mund gerne zu voll nahm. „Wenn auch nur ein feindliches Flugzeug unser Reichsgebiet überfliegt“, soll er einmal gesagt haben, „will ich Meier heißen!“ Spätestens 1940 wäre es dann für ihn an der Zeit gewesen, beim Standesamt die Namensänderung zu beantragen.

Adolf Hitler persönlich ordnete 1940 den Bau an
Denn in der Nacht zum 26. August 1940 warf die Royal Air Force zum ersten Mal Bomben auf Berlin – als Vergeltung für die vielen Luftangriffe der Deutschen auf England. Der Schaden hielt sich zwar in Grenzen, die psychologische Wirkung aber war verheerend.
Hitler reagierte sofort, ordnete den Bau von „Luftwehrtürmen“ an. So begannen im April 1942 auch auf dem Heiligengeistfeld in Hamburg die Arbeiten. Bis zu 2400 Zwangsarbeiter waren bis zum Sommer 1943 damit beschäftigt, das graue Ungetüm in den Himmel wachsen zu lassen, das derzeit einen spektakulären grünen Dachgarten erhält und bald wohl so etwas wie ein neuer Publikumsmagnet Hamburgs sein wird.

Verteilt auf die Millionenstädte Berlin, Wien und Hamburg entstanden bis Kriegsende acht Flaktürme. Die Luftabwehr versprach, das Geschützfeuer würde die feindlichen Flieger geradezu vom Himmel mähen. Um die Wehrhaftigkeit und Allmacht des „Dritten Reichs“ zu unterstreichen, sollten die Türme wie mittelalterliche Festungen aussehen.
Für Hamburg waren eigentlich drei geplant. Tatsächlich realisiert wurden dann aber nur zwei: neben dem auf St. Pauli noch einer in Wilhelmsburg, Ein dritter sollte eigentlich im Osten der Stadt entstehen.
Auf dem Gefechtsturm stand die Flak, auf dem Leitturm befand sich das Radar
Zu jedem Gefechtsturm gehörte ein deutlich kleinerer Leitturm, auf dem die Feuerleitgeräte für die Ortung der feindlichen Bomber untergebracht waren. Der Leitturm musste sich mindestens 100 Meter entfernt vom Gefechtsturm befinden, damit die Vibrationen und der Rauch des Flak-Mündungsfeuers nicht die Messgeräte störten. In Hamburg sind beide Leittürme nach dem Krieg beseitigt worden. Der Leitturm auf St. Pauli stand bis 1973 dort, wo sich heute das Telekom-Gebäude an der Budapester Straße befindet.

Entworfen wurden sämtliche Flaktürme vom Berliner Architekten Friedrich Tamms. Er konzipierte moderne Festungen aus Stahlbeton, knapp 40 Meter hoch, 75 Meter lang, 75 Meter breit. 3,5 Meter dicke Wände und eine fünf Meter dicke Decke ließen hundertprozentigen Schutz vor den gefürchteten Bomben erwarten.
Die Nazi-Führung feierte die Türme als „wahre Wunder der Abwehr“ und „artilleristische Höchstkonstruktion“. Ein typischer Fall nationalsozialistischer Selbstüberschätzung. Denn nur drei Jahre später erwiesen sich die Flakbunker als militärischer Flop: Die Alliierten flogen ihre Angriffe in einer Höhe von 8000 Metern und mehr – so hoch, dass die Flak sie kaum erreichen konnte. Zudem warfen die britischen Piloten tonnenweise Stanniolstreifen ab, die die Radargeräte lahmlegten. Die Flak musste also blind schießen.
Militärisch waren die Flaktürme ein Flop – aber sie schützen die Bevölkerung
Gleichzeitig waren die Flaktürme aufgrund ihrer gigantischen Größe selbst perfekte Angriffsziele. Die Geschütze auf dem Dach und die Männer, die sie bedienten – darunter Flakhelfer im Alter von 15, 16 oder 17 Jahren –, waren dem feindlichen Feuer ungeschützt ausgesetzt.
- Staatsarchiv Hamburg Zwei Männer vom Bedienpersonal laden die Flak.
Zwei Männer vom Bedienpersonal laden die Flak. - Staatsarchiv Hamburg Ein Flakgeschütz auf dem Bunker an der Feldstraße. Im Hintergrund ist der Michel zu sehen.
Ein Flakgeschütz auf dem Bunker an der Feldstraße. Im Hintergrund ist der Michel zu sehen. - Staatsarchiv Hamburg Indem die britischen Bomber Stanniolstreifen abwarfen, setzten sie das deutsche Radar außer Kraft - die Flak auf dem Bunker musste blind schießen.
Indem die britischen Bomber Stanniolstreifen abwarfen, setzten sie das deutsche Radar außer Kraft – die Flak auf dem Bunker musste blind schießen. - Staatsarchiv Hamburg Der militärische Nutzen der Flaktürme war gering. Die feindlichen Flugzeuge flogen so hoch, dass die Flak sie kaum erreichen konnte.
Der militärische Nutzen der Flaktürme war gering. Die feindlichen Flugzeuge flogen so hoch, dass die Flak sie kaum erreichen konnte. - Staatsarchiv Hamburg Die Männer, die die Flakgeschütze auf dem Dach des Bunkers bedienten, waren den feindlichen Angriffen schutzlos ausgesetzt.
Die Männer, die die Flakgeschütze auf dem Dach des Bunkers bedienten, waren den feindlichen Angriffen schutzlos ausgesetzt. - Staatsarchiv Hamburg Das Bedienpersonal eines Flakgeschützes auf dem Hochbunker an der Feldstraße
Das Bedienpersonal eines Flakgeschützes auf dem Hochbunker an der Feldstraße - Staatsarchiv Hamburg Vom Dach des Hochbunkers fällt der Blick in die Stadt.
Vom Dach des Hochbunkers fällt der Blick in die Stadt. - Staatsarchiv Hamburg Eine seltene Aufnahme vom Dach des Flakturms an der Feldstraße: ein Zwillingsflak-Geschütz.
Eine seltene Aufnahme vom Dach des Flakturms an der Feldstraße: ein Zwillingsflak-Geschütz.
Tatsächlich war die Flakbunker-Euphorie der Nazi-Führung bereits im Sommer 1943 spürbar abgekühlt. Mit dem Bau der für München und Bremen geplanten Bunker wurde daher gar nicht erst begonnen.
Immerhin: Völlig zwecklos waren die Flaktürme nicht: Als Luftschutzraum boten sie Schutz für die Bevölkerung. Obwohl die Kapazität des Bunkers an der Feldstraße auf 18.000 Personen beschränkt war, suchten während der Luftangriffe auf Hamburg im Sommer 1943 bis zu 25.000 Menschen Schutz darin.
Übrigens: Von Anfang an war sich Architekt Friedrich Tamms darüber im Klaren, dass sich die Flaktürme nach dem „Endsieg“ nicht ohne Weiteres entfernen lassen würden. Deshalb hatte er die Idee, sie mit weißem Marmor zu verkleiden. Sie sollten aussehen wie antike Festungen und sich ins Stadtbild einfügen.
Aus dem Bunker kamen die Tagesschau und der „Toast Hawaii“

Fensteröffnungen hatte der Bunker von vornherein. Sie waren aber zugemauert. Nach dem Krieg wurden sie geöffnet, um eine zivile Nutzung zu ermöglichen. Ganz unterschiedliche Einrichtungen siedelten sich an: ein Theater namens „Scala“, ein Restaurant namens „Elefant“ beispielsweise. Außerdem unterhielten dort Staatsoper, Schauspielhaus und Thalia-Theater ein Kostüm- und Requisitenlager. Daneben gab es Wohnungen, Versammlungsräume für SPD und GEW, außerdem eine Impfstation des DRK.
Der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) startete am 25. Dezember 1952 aus einem 700 Quadratmeter großen Versuchsstudio im Hochbunker Deutschlands erstes offizielles Fernsehprogramm. Einen Tag später flimmerte die erste „Tagesschau“ über die Mattscheibe. Ebenfalls unvergessen: Fernsehkoch Clemens Wilmenrod, der ab Februar 1953 aus dem Bunker die Nachkriegshaushalte mit seinen kulinarischen Kreationen versorgte – er erfand dort den „Toast Hawaii“.

1965 eröffnete der berühmte Fotograf F. C. Gundlach ein Atelier im Bunker, gründete außerdem die Firma Professional Photo Service (PPS), ein Fotofachlabor, zu dem ab 1976 auch die PPS-Galerie gehörte, wo Gundlach das Werk der internationalen Fotografie-Elite ausstellte.
Das könnte Sie auch interessieren: Bunker an der Feldstraße: „Dieser graue Klotz ist mein Lebensretter“
Nach 1989 wurde – wie schon einmal unmittelbar nach dem Krieg – der Abriss des Hochbunkers diskutiert. Doch aufgrund der immensen Kosten entschied sich die Stadt dagegen. Heute ist der Ort aus der Kultur- und Medienszene Hamburgs nicht mehr wegzudenken, und das bunte, vielfältige Leben im Bunker steht in deutlichem Kontrast zur NS-Ideologie, die einst das monströse Bauwerk hervorgebracht hat.
Aktuell gibt es eine Ausstellung zur Bunker-Geschichte in der Rindermarkthalle
Die Arbeiten am „Grünen Bunker“ gehen in großen Schritten voran, bis zur Eröffnung, die mit Sicherheit weltweite Medienberichterstattung nach sich ziehen wird, ist es nicht mehr lange hin. Der Verein Hilldegarden e. V. hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, an die Bedeutung des Bunkers als historische Stätte und Mahnmal gegen den Krieg zu erinnern. Darum wird der Verein im Bunker eine öffentlich zugängliche Gedenkstätte betreiben.

Vorab ist ein Teil des historischen Materials schon jetzt in der Rindermarkthalle ausgestellt – beim Durchgang neben dem Restaurant „Marktkönig“. Dort gibt es bereits eine Ausstellung zur Geschichte des Schlachthofs. Martin Bo Ahlers, Centermanager der Rindermarkthalle: „Unser Konzept, den Menschen in der Rindermarkthalle nicht nur Nahrung für den Bauch, sondern auch für den Kopf anzubieten, funktioniert überraschend gut. Es ist immer wieder toll zu sehen, dass sich so viele Menschen für die Geschichte des Viertels und seiner Gebäude interessieren.“