„Jahreszeiten“: Bewaffnete stürmten Hotel – Chef servierte ihnen Würstchen
Vornehm, aber niemals hochnäsig, nobel, aber nicht protzig, höflich, jedoch nie unterwürfig – so lässt sich der Geist des Hotels „Vier Jahreszeiten“ zusammenfassen. Es ist das erste Haus am Platze und feiert jetzt Jubiläum: 125 Jahre alt wird es am 24. Februar. So lange schon gehen Stars und Sternchen, gekrönte und ungekrönte Häupter dort ein und aus. Eine Rundreise durch einen ungewöhnlichen Ort. Wir beginnen sie unter der Erde ...
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Vornehm, aber niemals hochnäsig, nobel, aber nicht protzig, höflich, jedoch nie unterwürfig – so lässt sich der Geist des Hotels „Vier Jahreszeiten“ zusammenfassen. Es ist das erste Haus am Platze und feiert jetzt Jubiläum: 125 Jahre alt wird es am 24. Februar. So lange schon gehen Stars und Sternchen, gekrönte und ungekrönte Häupter dort ein und aus.
Beginnen wir unsere Rundreise durch das Grandhotel an einem eher ungewöhnlichen Ort – nicht in der Lounge, nicht in einer Luxussuite, sondern unter der Erde. Unter den Colonnaden, und zwar noch unter dem Alsterspiegel, befindet er sich: der Weinkeller des „Vier Jahreszeiten“ – einer der größten Europas. Ursprünglich war es der Kohlenkeller des Hotels. Erst als 1914 das Restaurant „Haerlin“ eröffnete, wurde das dunkle Loch umgebaut.
Es handelt sich um ein Gewölbe aus Rotklinker, in dem es sogar noch im Hochsommer angenehm kühl ist. Von dort werden die neun Restaurants und Bars im Haus mit richtig guten Tropfen versorgt. 80.000 Flaschen liegen in den Regalen. Gesamtwert: rund zwei Millionen Euro.
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Grandhotel Vier Jahreszeiten feiert runden Geburtstag
Die älteste Flasche, ein „Clos de la Roche, Reserve de la Maison“, ein Rotwein aus dem Burgund, stammt aus dem Jahr 1897 – dem Gründungsjahr des Hotels. Sie ist unverkäuflich. Aber es gibt auch alte Weine, die der Gast kaufen kann: einen Bordeaux „Chateau Latour 1er Cru Classé“ aus dem Jahr 1943 beispielsweise für 5000 Euro. Es geht sogar teurer: Einen Pinot Noir der berühmten Domaine de la Romanée-Conti, Jahrgang 2014, gibt’s für 14.000 Euro. Aber da muss man schon ein sehr großer Weinliebhaber sein!
Friedrich Haerlin: So heißt der Mann, mit dem die Geschichte von Deutschlands feinstem Hotel untrennbar verbunden ist. 1857 wird er in Gaisburg geboren. Ein Schwabe, der als Küchenjunge im Genfer Bahnhofshotel anfängt und sich in der Gastronomie hocharbeitet. Ein eigenes Hotel zu besitzen, das ist sein größter Traum – und den erfüllt er sich an seinem 40. Geburtstag. Am 24. Februar 1897 erwirbt er das in Konkurs gegangene Hotel „Zu den vier Jahreszeiten“ am Neuen Jungfernstieg für 420.100 Mark.
Wer sich heute das Gebäude anschaut, ist davon überzeugt, dass es nie anders ausgesehen haben kann, dass es genauso erbaut worden ist, schließlich sieht es aus wie aus einem Guss. Stimmt aber nicht. Am Anfang ist das „Vier Jahreszeiten“ nur ein ganz schmales Gebäude, das ständig erweitert wird. Peu à peu kauft Friedrich Haerlin nebenstehende Häuser und Flächen dazu, und so entsteht ein echtes Grandhotel, das bereits 1915 über 140 Zimmer verfügt, davon 50 mit Bad – damals keine Selbstverständlichkeit.
Ein Schwabe ersteigerte das insolvente Hotel an seinem 40. Geburtstag
Im November 1918 ist der Erste Weltkrieg zu Ende. Arbeiter und Matrosen gehen auf die Barrikaden. Weil die Aufständischen im „Vier Jahreszeiten“ Offiziere vermuten, feuern sie vom Dach des Alsterpavillons auf die Fassade. Anschließend stürmen sie mit Gewehren und Handgranaten ins Gebäude, bis sich ihnen auf der Treppe Friedrich Haerlin in den Weg stellt, eine durchaus respekteinflößende Erscheinung. Der Hoteldirektor erklärt den Eindringlingen ruhig, dass keine Offiziere im Haus sind, und serviert erst mal eine Runde Würstchen.
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Das besänftigt die Revolutionäre zwar, hält sie aber nicht vom Plündern ab. Als die wilde Truppe Anfang 1919 abzieht, verschwinden mit ihr Messing-Türgriffe und Kupferteile, sogar für die Boiler aus den Badezimmern haben die Matrosen Verwendung.
In der Weimarer Republik erlebt das Haus eine Blütezeit: 1928 wird das Gebäude aufgestockt und bekommt das charakteristische grüne Kupferdach. 1932 übernimmt mit Fritz Haerlin der Sohn des inzwischen 75-jährigen Gründers das Hotel. Trotz Weltwirtschaftskrise ist das „Vier Jahreszeiten“ meist gut gebucht – jeder weiß eben, dass es dort den besten Service gibt.
Auch wenn Nazi-Diktator Adolf Hitler und sein Einpeitscher Joseph Goebbels jeweils nur einmal im „Vier Jahreszeiten“ gesichtet werden – Hitler bevorzugt bei seinen Hamburg-Aufenthalten das „Atlantic“ – , so fühlen sich andere Parteibonzen doch umso wohler in Hamburgs Vorzeigehotel. NSDAP-Granden, aber auch Künstler, Firmenkapitäne und Lebemänner jener Zeit nutzen die Festsäle und Restaurants und feiern dort feudale Partys.
In der Nachkriegszeit hatten die britischen Besatzer dort ihr Hauptquartier
Doch dann ist Schluss mit lustig: Die Nazis stürzen die Welt in den Krieg. Während der Bombennächte werden weite Teile der Stadt in Trümmer gelegt. Aber während sogar der Alsterpavillon, der nur ein paar Meter entfernt ist, im Bombenhagel untergeht, bleibt das „Vier Jahreszeiten“ weitgehend unbeschädigt. Nur ein paar unbedeutende Risse im Mauerwerk – das ist alles.
Nach Kriegsende requirieren die Engländer das Haus, machen daraus das Hauptquartier der britischen Besatzungstruppen. Den linken Teil des Gebäudes besetzen die Offiziere, die hier den legendären „Four Seasons Club“ einrichten. Der rechte Teil wird zum „Transittrakt“ erklärt, in dem die einfachen Soldaten logieren.
Inhaber Fritz Haerlin wird als ehemaliger SS-Hauptsturmführer im Juli 1945 verhaftet und interniert. Er gibt zu seiner Verteidigung an, lediglich wegen des Reitsports der SS-Reiterei beigetreten zu sein. Der Entnazifizierungsausschuss schenkt ihm Glauben, sodass er im Dezember 1947 als „entlastet“ eingestuft wird. Doch sein Hotel bekommt er nicht zurück. Noch nicht.
Die Besatzungstruppen, die weiter im Haus residieren, benehmen sich anständig, zeigen viel Herz und versorgen die Angestellten und deren Kinder mit Nahrungsmitteln. Nach reichlich Whisky-Genuss zerschießen die Tommys aber auch schon mal die Wandbeleuchtung oder schaukeln im Kronleuchter. Natürlich sind sie auf die guten Tropfen aus dem Weinkeller scharf. Nur gut, dass treue Mitarbeiter die erlesensten Flaschen rechtzeitig eingemauert haben, so überdauern sie die Zeit.
Sie glauben nicht, was sich Bud Spencer alles zum Abendessen kommen ließ
Auch bei den Möbeln können die Briten nicht widerstehen: Besonders teure Stücke schaffen sie aus dem Haus. Ein britischer General lässt sogar ein komplettes Schlafzimmer mitgehen, um damit die ebenfalls beschlagnahmte Villa an der Elbchaussee auszustatten, in der er residiert. Später muss er die Möbel allerdings wieder rausrücken. Und auch das Hotel selbst bekommt Fritz Haerlin am 4. April 1952 zurück.
Es ist Nachkriegszeit, und Nahrungsmittel sind Mangelware. Im „Vier Jahreszeiten“ allerdings fehlt es an nichts, denn das Grandhotel besitzt mit dem Friedrichshof bei Ahrensburg einen eigenen Bauernhof. 2500 Hühner gibt es dort: Sie liefern die Frühstückseier. Sogar eigene Rinder werden auf dem Hof gezüchtet.
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Das Wirtschaftswunder sorgt dafür, dass wieder viele prächtige Limousinen vor dem Haus vorfahren. Zahlreiche Stars steigen im „Vier Jahreszeiten“ ab: Gina Lollobrigida, Anthony Quinn, Lino Ventura, Sean Connery, Jack Nicholson und Joan Crawford – um nur ein paar der Berühmtheiten zu nennen.
Ebenfalls Stammgast ist der Reeder Aristoteles Onassis. Der hat die Angewohnheit, nächtliche Spaziergänge zu machen. Einmal gegen Mitternacht – das Restaurant hat bereits geschlossen – überrascht er Nachtportier Reinecker in seiner Loge mit einer Butterstulle. Onassis fragt: „Darf ich mal beißen?“ Er darf und ist begeistert: „Sag deiner Frau, solange ich in Hamburg bin, möchte ich jeden Abend auch so ein Brot.“ Fortan treffen sich Portier und Milliardär allabendlich in der Loge.
Onassis mochte Butterbrote, Theo Lingen bestellte die Linsensuppe für fünf Mark
Eine nette Anekdote gibt es auch zu Sophia Loren: Für sie baut die Direktion kurzerhand das Badezimmer der Suite in eine Küche um – die Neapolitanerin will ihrem Mann Carlo Ponti nämlich unbedingt im Zimmer Spaghetti kochen!
Auch die Wünsche von Bud Spencer werden anstandslos erfüllt: Der will zum Abendessen acht Brötchen, drei Pasteten, ein 500-Gramm-Steak, fünf Portionen Röstkartoffeln, vier Palatschinken, Grießpudding mit heißen Kirschen, dazu zwei Flaschen Chablis. Wohl bekomm’s!
Schauspiel-Legende Theo Lingen ist da weit genügsamer: Der notorische Geizhals, der übrigens 500-mal im „Vier Jahreszeiten“ absteigt, verlangt immer nach Erbsen- oder Linsensuppe aus der Betriebskantine – für fünf Mark die Portion.
Service, Service, Service. Den Gästen jeden Wunsch zu erfüllen, das ist die Philosophie des Hauses seit 125 Jahren. Gründer Friedrich Haerlin hat das einst seiner Frau Thekla so erklärt: „Es ist alles wie bei uns zu Hause. Wenn wir Gäste einladen, dann ist alles schön sauber, der Tisch ist gedeckt, es ist gut und ausreichend gekocht und wir haben uns adrett angezogen, freuen uns auf unsere Gäste. Nichts anderes machen wir im Hotel – nur, dass alles ein bisschen größer ist.“
Einer der größten Weinkeller Europas – jetzt für jedermann zugänglich
An dieser Philosophie hält Hoteldirektor Ingo C. Peters bis heute fest – und hat Erfolg damit. 2020 und 2021 wird das „Vier Jahreszeiten“ zum besten Stadthotel Deutschlands gekürt.
„Es sind die Mitarbeiter des Hotels, die dem Haus seine Seele verleihen, die es mit Leben erfüllen“, sagt Hoteldirektor Peters, der übrigens als Page im „Vier Jahreszeiten“ anfing. „Der Gast spürt diese besondere Art der Zuwendung bereits in den ersten Minuten seines Aufenthalts.“
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Zum Jubiläum erfüllt sich Peters nun einen Traum und öffnet den Weinkeller, der 100 Jahre lang nur von Mitarbeitern betreten werden konnte, für die Öffentlichkeit. „Ich wünsche mir schon lange, unseren Gästen diesen historischen Teil unseres Hauses in seiner ganzen Vielfalt und Größe zu zeigen“, sagt er. Deshalb ist der Keller komplett neugestaltet worden und bietet nun die Möglichkeit, auf Entdeckungsreise zu gehen – in die Welt der erlesenen Weine und Spirituosen.
Royal Suite hat 405 Quadratmeter, kostet 20.000 Euro pro Nacht
Charmanter Luxus, zeitlose Eleganz im Herzen der Hansestadt. Das „Vier Jahreszeiten“ verfügt über 156 luxuriöse Hotelzimmer und Suiten. Die größte Suite ist die Royal Suite, die sich über 405 Quadratmeter erstreckt. Sie kostet 20.000 Euro pro Nacht. Es gibt daneben verschiedene Celebrity Suiten, die nach berühmten Gästen des Hauses benannt sind: Maria Callas, Sir Peter Ustinov oder Prinz Heinrich von Preußen. Auf der Bel Etage, der fünften Etage des Hauses, bieten die privaten Balkone der zur Alster gelegenen Zimmer und Suiten einen malerischen Panoramablick auf Binnenalster und Jungfernstieg.
Mit vier separaten Schlafzimmern, einem großzügigen Salon und privatem Konferenzraum für bis zu zwölf Personen bietet das Hotel eine 260 Quadratmeter große Präsidenten-Suite, die auch als individueller Flügel von den öffentlichen Fluren getrennt werden kann. Auf fast 1000 Quadratmeter erstreckt sich der Spa- und Fitness-Bereich, zu dem auch eine Tea Lounge und eine Dachterrasse mit Blick über die Stadt gehört. Das Restaurant „Haerlin“ ist mit zwei Michelin-Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnet.