Hamburgs Postgeschichte: Von Postkutschen, Postillionen und Postwertzeichen
Heutzutage eine Selbstverständlichkeit: Will ich einen Brief verschicken, nehme ich eine Briefmarke, klebe sie auf den Umschlag – und dann beginnt die Reise. Das war vor 180 Jahren noch ganz anders. Postwertzeichen gab‘s noch gar nicht. Deshalb war es anfangs auch nicht der Absender, der fürs Porto aufzukommen hatte, sondern der Empfänger. Der bekam die Sendung erst ausgehändigt, wenn er die Gebühr beim Postboten entrichtet hatte.
Heutzutage eine Selbstverständlichkeit: Will ich einen Brief verschicken, nehme ich eine Briefmarke, klebe sie auf den Umschlag – und dann beginnt die Reise. Das war vor 180 Jahren noch ganz anders. Postwertzeichen gab‘s noch gar nicht. Deshalb war es anfangs auch nicht der Absender, der fürs Porto aufzukommen hatte, sondern der Empfänger. Der bekam die Sendung erst ausgehändigt, wenn er die Gebühr beim Postboten entrichtet hatte.
Das änderte sich durch den britischen Pädagogen Rowland Hill (1795-1879), Schriftführer der „Gesellschaft für die Verbreitung nützlichen Wissens“, der in England eine „Post-Office-Reform“ durchsetzte: Erstmals wurde ein von Entfernung unabhängiges Porto festlegt, und ab da hatte der Absender zu zahlen. Im Mai 1840 wurde die erste Briefmarke der Welt verkauft – die legendäre „One Penny Black“ mit dem Profil von Queen Victoria.
1859 wurde in Hamburg die Briefmarke eingeführt
Die deutschen Postanstalten ahmten die gute Idee bald nach: Der Schwarze Einser, der am 1. November 1849 vom Königreich Bayern herausgegeben wurde, war die erste deutsche Briefmarke. 1850 führten Hannover, Preußen, Sachsen und die dänisch-deutschen Herzogtümer Schleswig und Holstein Briefmarken ein, 1851 auch Baden. Das Hamburger Stadtpostamt ließ sich noch bis zum 1. Januar 1859 Zeit, aber dann war es auch in der Hansestadt so weit.
Eine postalische Kuriosität stellte übrigens Bergedorf dar: Schon seit 1420 befand sich die Ortschaft im Besitz sowohl der Hansestadt Hamburg als auch der Hansestadt Lübeck. Diese staatliche Doppelzugehörigkeit hatte zur Folge, dass die Bergedorfer Post weder von Hamburg noch von Lübeck verwaltet werden durfte. Bergedorf, das damals 12.000 Einwohner hatte, war damit postalisch ein selbstständiges Territorium und gab ab dem 1. November 1861 eigene Marken heraus. Allerdings nur bis 1868 – da wurde Bergedorf alleiniger Besitz von Hamburg.
Bergedorf war postalisch unabhängig und hatte eigene Postwertzeichen
Briefträger gab es in der Hansestadt bereits ab dem 10. April 1797 – und damit weitaus früher als in den meisten anderen deutschen Städten. Hamburgs berühmte „Patriotische Gesellschaft“ hatte die Idee. Vorher musste jemand, der einen Brief innerhalb der Stadt befördern lassen wollte, entweder einen Dienstboten schicken oder selbst loslaufen. Das war aufwendig und unbequem.
Daher wurde die sogenannte Fußpost gegründet, die anfangs privatwirtschaftlich betrieben wurde und aus der später das staatliche Stadtpostamt hervorging. Die Fußboten, die mehrmals täglich durch ihren Bezirk gingen und Briefe austrugen, waren gekleidet mit einem schwarz-grauen Tuchrock, der bis über die Knie reichte. Auf dem Kopf trugen sie einen großen Filzhut und an einem Riemen führten sie eine Kiste mit sich, die mit einem Schlitz versehen war – sozusagen ein wandelnder Briefkasten. Bis 1834 die ersten Straßenbriefkästen in Hamburg installiert wurden, konnten Passanten dort Sendungen einwerfen.
1797 wurde in Hamburg die Fußpost gegründet – und so sahen die ersten Briefträger aus
Für die Zustellung von Briefen außerhalb der Stadt waren die Postreiter da. Sie hielten die Verbindung aufrecht zu allen großen Metropolen im Norden, Süden, Osten und Westen. Anfang des 19. Jahrhunderts machte sich beispielsweise jeden Mittwoch und jeden Sonnabend ein Postreiter auf den Weg nach Nürnberg. Bürger, die Sendungen aufgeben wollten, konnten das bis 22 Uhr an diesen Tagen tun. Anschließend wurde alle Briefe und Pakete in das sogenannte Felleisen gepackt, eine altertümliche Art von Postsack, und um 24 Uhr gab der Postillion seinem Pferd die Sporen.
Sogar nachts ritt der Postreiter. Von sämtlichen Wege-, Fähr- und Brückengeldern war er befreit. Das Posthorn verhalf ihm dazu, dass er an keinem Stadttor, an keiner Zollgrenze warten musste. Er braucht nur ins Horn zu stoßen, schon wurde der Weg für ihn freigemacht. Vor den Wechselposten kündigte er sich ebenfalls rechtzeitig an, so dass das frische Pferd schon bereitstand, wenn er eintraf.
Postreiter brauchen von Hamburg bis Nürnberg gut fünf Tage – ein furchtbarer Ritt
Um 1804 herum brauchte der Postreiter für den 546 Kilometer langen Ritt bis nach Nürnberg fünf Tage oder mehr. Unterwegs lauerten viele Gefahren. Überfälle waren nicht selten. Und selbst erfahrenen Postreitern konnte es angesichts des erbärmlichen Zustands der Straßen schon mal passieren, dass sie vom Weg abkamen und sich verirrten, insbesondere bei Dunkelheit.
„Auch sonst entbehrte ein solcher Ritt jeglicher Romantik“, schreibt Post-Historiker Erich Kuhlmann, „Oft war das erste Anzeichen für die Nähe einer freien Stadt der schauerliche Anblick eines Galgens, der den Raben und Krähen nicht selten Speise darbot. Und wenn etwa der Ort von Pest und Cholera heimgesucht war, konnte ein solcher Ritt zu einem Pokerspiel mit dem Tode werden.“
Postanstalten aller Herren Länder befanden sich in Hamburg
Man sollte meinen, für eine Stadt wie Hamburg würde eine Postanstalt genügen. Aber nein, im 19. Jahrhundert hatte die Hansestadt gleich sieben davon, die auch noch weit auseinander lagen. Es herrschte ein postalisches Chaos. Seinem Ärger darüber machte Eduard Lehmann in dem 1838 erschienenen Werk „Hamburg, wie es ist“ Luft: „Man muss Hamburg kennen, seine Weitläufigkeit, seinen Schmutz, um zu wissen, was es heißt, die verschiedenen Postanstalten zu besuchen.“
- Briefe für Holland, England, Bremen, Oldenburg und alle überseeischen Gebiete mussten beim Stadtpostamt (Neuer Wall 110) abgegeben werden,
- Briefe nach Spanien, Portugal, Italien, Belgien und die Schweiz transportiere die Fürstlich Thurn- und Taxissche Post (Am Berge 11),
- Briefe für Dänemark und Schleswig-Holstein nahm das Königlich Dänische Postamt in der ABC-Straße 30 an,
- Briefe für Schweden und Norwegen beförderte die Königlich Schwedische Post (Hohe Bleichen 5),
- Briefe nach Preußen, Russland, Polen, Türkei, Österreich und Sachsen beförderte die Königlich Preußische Post (Große Bleichen 58),
- Briefe für Hannover und Braunschweig beförderte die Königlich Großbritannisch-Hannoversche Post (Hohe Brücke 9),
- und eine Mecklenburgische Post gab es auch noch.
Damit die Menschen hier den Durchblick behielten, wurden Karten gedruckt, so groß wie Plakate, aus denen zu ersehen war, welches Postamt für welche Sendung zuständig war und wann sich der nächste Postreiter bzw. die nächste Postkutsche auf den Weg machte.
In Hamburgs Postchaos fand sich nur zurecht, wer sich einen Übersichtsplan kaufte
Im Zuge des Wiederaufbaus nach dem Großen Brand 1842 beauftragten die Stadtväter den Architekten Alexis de Chateauneuf mit dem Bau eines neuen Postgebäudes (der heutigen Alten Post in der Poststraße). Ziel war es, sämtliche Postanstalten an einem Ort zusammenzufassen, allerdings spielten die Preußen, die Dänen und die Mecklenburger nicht mit – sie hatten erst jüngst Gebäude angemietet –, sodass lediglich das Hamburgische, das Hannoversche, das Thurn und Taxissche und das Königlich Schwedische Postamt einzogen. Aber wenigstens einige der lästigen Wege entfielen damit.
Nicht nur die Beförderung von Briefen und Paketen war Aufgabe der Post – auch der Transport von Menschen. Allerdings stellte das Reisen in den anfangs noch ziemlich einfachen ungefederten Kutschen alles andere als ein Vergnügen dar. Bei Regen versanken die Pferde im Morast, die Wagen blieben in Schlaglöchern stecken oder kippten bei voller Fahrt um. Eine Postkutschenfahrt von Hamburg nach Lübeck dauerte mindestens zwölf Stunden.
Ab den 1820er Jahren wurden nach und nach die Wege in Deutschland befestigt. Sogenannte „Kunststraßen“ entstanden, nach englischem Vorbild erschaffen mit Schotter, Kies und Walzen. Dadurch wurde das Reisen bequemer und schneller, zumal auch neue Kutschen-Typen entwickelt wurden.
1841 nahm zwischen Hamburg und Lübeck Schnellpostkutsche ihren Betrieb auf
Zwischen Hamburg und Lübeck nahm am 1. Juli 1841 eine Schnellpostkutsche ihren Betrieb auf, eine mit Stahldruckfedern ausgestattete vierspännige sogenannte Diligence, die Platz hatte für 15 Personen und – weil sie geschlossen war – Schutz vor Regen und Schnee bot. Mit ihr schwebten die Fahrgäste nur so dahin: Morgens um sieben Uhr ging die Reise am Königlich Dänischen Postamt an den Großen Bleichen los. Über die heutige Bundesstraße 75 ging es weiter durch Wandsbek und Ahrensburg, und um 13.45 Uhr traf die Diligence am Ziel ein. Sechs Stunden und 45 Minuten dauerte die Fahrzeit also nur noch.
Schneller geht es nicht – dachten die Zeitgenossen. Aber dann ging es doch noch schneller, nämlich nach Einführung der Eisenbahn. Die legte die Distanz von der Alster bis zur Trave in nur eineinhalb Stunden zurück. Das war das Aus für die Postkutsche. Ihr Betrieb wurde auf dieser Strecke am 31. Juli 1865 eingestellt.
1868 war es mit der Eigenständigkeit der Hamburger Post endgültig zu Ende.
Die Eigenständigkeit der Hamburger Post endete übrigens 1868 mit dem Beitritt der Stadt zum Norddeutschen Bund, der nun auch den Postdienst im sogenannten Norddeutschen Postbezirk übernahm. Das Dänische Postamt war bereits 1864 im Zuge des Deutsch-Dänischen Krieges aufgehoben worden. 1866 bzw. 1867 hatte das Preußische Oberpostamt die Hannoversche und die Thurn- und Taxissche Post übernommen. Mit der Gründung des Norddeutschen Bundes wurde nun das Stadtpostamt, das Preußische sowie das Mecklenburgische Oberpostamt aufgehoben. Als 1869 auch die Schweden ihren Postbetrieb in Hamburg einstellten, war die lang ersehnte Einheit auf postalischem Gebiet erreicht – was von den Einwohnern der Stadt freudig begrüßt wurde.
freudig begrüßt wurde.
Nach der Reichsgründung 1871 wurde schließlich aus dem Norddeutschen Postbezirk die Reichspost – und daraus nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutsche Bundespost. Durch die Privatisierung 1994 entstand schließlich die Deutsche Post AG.
Zum Schluss noch eine Preisfrage: Warum heißt die Post eigentlich Post? Na gut, wir verraten es Ihnen: „mutatio posita“, so nannten die alten Römer die Wechselposten, an denen die Postreiter ihre frischen Pferde bekamen – damals lagen diese Poststationen etwa eine Tagesreise auseinander. In Deutschland taucht das Wort „Post“ 1521 erstmalig auf.