Hamburgs berühmtester Musiker wurde im Slum geboren – und hatte immer Liebeskummer
Seine „Ungarischen Tänze“ und sein „Deutsches Requiem“ sind Werke, die zum Standardrepertoire aller großen Sinfonieorchester der Welt zählen. Und noch heute schlafen Kinder bei seinem Lied „Guten Abend, gut’ Nacht“ selig ein. Er ist einer der ganz großen deutschen Komponisten und war zu Lebzeiten ein in ganz Europa gefeierter Star. In diesem Jahr gedenken wir seines 190. Geburtstags: Von Johannes Brahms ist die Rede, der am 7. Mai 1833 in Hamburg zur Welt kam und sein ganzes Leben unglücklich verliebt war.
Seine „Ungarischen Tänze“ und sein „Deutsches Requiem“ sind Werke, die zum Standardrepertoire aller großen Sinfonieorchester der Welt zählen. Und noch heute schlafen Kinder bei seinem Lied „Guten Abend, gut’ Nacht“ selig ein. Er ist einer der ganz großen deutschen Komponisten und war zu Lebzeiten ein in ganz Europa gefeierter Star. In diesem Jahr gedenken wir seines 190. Geburtstags: Von Johannes Brahms ist die Rede, der am 7. Mai 1833 in Hamburg zur Welt kam – und sein ganzes Leben unglücklich verliebt war.
In einem Slum wird er groß, im Gängeviertel, damals die abstoßendste Gegend der Stadt. Die ersten sechs Monate seines Lebens verbringt er in einem Fachwerkhaus, in dem zehn Familien auf engstem Raum zusammenleben. Das Gebäude wird 1943 ebenso von Bomben vernichtet wie die zahlreichen anderen Wohngebäude der Familie Brahms in der Stadt.

Johannes Brahms war ein Wunderkind, gab schon als 14-Jähriger Klavierunterricht
Johann Jacob Brahms (1806-1872), Johannes’ Vater, stammt aus Heide, ist Spross einer einfachen Bauern- und Handwerkerfamilie. Nach einer abgeschlossenen Lehre als Stadtpfeifer hat er Dithmarschen verlassen, um in Hamburg als Straßenmusiker, später als Hornist bei der Bürgerwehr und als Kontrabassist im Philharmonischen Orchester zu arbeiten.
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Viel Mühe verwendet der Vater auf die musikalische Ausbildung seines Sohnes: Den ersten Musikunterricht erteilt er ihm selbst. Als der Junge das Klavierspielen erlernen will, wird einer der besten Lehrer der Stadt engagiert: Otto Friedrich Willibald Cossel (1813-1865) aus St. Georg, der das enorme Talent des Jungen erkennt und sich intensiv um ihn kümmert.

„Cossels Lehrmethoden waren modern“, so der Musikwissenschaftler Hermann Rauhe. „In einer Zeit, in der begabte Klavierschüler meistens sofort zu technisch perfekten Wunderkindern gedrillt wurden, achtete er vor allem auf eine natürlich wachsende Musikalität.“ Cossel interveniert energisch, als ein Musik-Impresario der Familie Brahms 1843 das Angebot macht, den damals Zehnjährigen mit auf eine Amerika-Tournee zu nehmen. Für die Eltern wäre das eine gute Gelegenheit, ihre bescheidenen Hamburger Verhältnisse hinter sich zu lassen. Aber Cossel rät ab, weil er um die gesunde Entwicklung des Jungen fürchtet. Und er setzt sich durch.
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Cossel schafft es, dass sich als Nächstes der renommierte Hamburger Musiklehrer Eduard Marxsen des jungen Talents annimmt. Marxsen hält so große Stücke auf Brahms, dass er ihn sogar unentgeltlich unterrichtet. Wie begeistert er von seinem Zögling ist, macht eine Bemerkung deutlich, die er 1847 nach dem Tod des ebenfalls in Hamburg geborenen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy fallen lässt: „Ein Meister der Kunst ist uns heimgegangen, ein größerer erblüht uns in Brahms.“

Viele seiner Frühwerke vernichtete Brahms – er hielt sie für schlecht
Früh verdient Brahms Geld mit Musik: Als 14-Jähriger gibt er Klavierstunden, spielt in Kneipen, Ausflugslokalen und bei Feiern. Nachdem er zuvor schon kleine Privatkonzerte gegeben hat, tritt Brahms 1847 zum ersten Mal öffentlich auf. Im Jahr darauf – er ist jetzt 15 – trägt er erstmals eine eigene Komposition vor, und zwar die „Phantasie über einen beliebten Walzer für Piano“ – ein Stück, das leider nicht erhalten ist. Denn er selbst hat seine Frühwerke später vernichtet, weil er sie für unvollkommen hielt.
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Einen entscheidenden Wendepunkt in Brahms’ Leben markiert das Jahr 1853: Er ist inzwischen 19 Jahre alt, da unternimmt er gemeinsam mit dem ungarischen Geigen-Virtuosen Eduard Reményi (1828-1898, eigentlich Eduard Hoffmann) eine Konzertreise, die die beiden unter anderem nach Winsen, Lüneburg, Celle, Hannover und Hildesheim führt. Das Publikum feiert Brahms, der auf seinem Piano schwierigste Stücke mit größter Leichtigkeit vorträgt.
Während der Konzertreise macht Brahms eine Bekanntschaft, die sein Leben verändert: Er lernt in Hannover Joseph Joachim (1831-1907) kennen, der nur zwei Jahre älter ist als er und als einer der besten Geiger seiner Zeit gilt. Joachim wird Brahms’ engster Freund und macht sich für ihn bei Franz Liszt (1811-1886) und Robert Schumann (1810-1856) stark, die damals beide zu den berühmtesten Musikern und Komponisten Deutschlands zählen.
Im September 1853 besucht Brahms Schumann in Düsseldorf und begeistert seinen Gastgeber mit seinem Klavierspiel und seinen Klavierkompositionen. Schumann ist so beeindruckt, dass er wenig später einen Artikel in der „Neuen Zeitschrift für Musik“ veröffentlicht, in dem er Brahms nahezu hymnisch als Auserwählten bezeichnet, „der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen“ sei – „ein junges Blut, an dessen Wiege Grazien und Helden Wache hielten“.
Der berühmte Pianist Robert Schumann lobte Brahms als „Auserwählten“

Beinahe über Nacht wird aus einem talentierten Pianisten, der bis dahin nur wenige öffentliche Auftritte hatte, ein Komponist, über den ganz Deutschland spricht. Ein regelrechter Star. Wirklich glücklich ist er darüber selbst nicht. Das große Lob Schumanns lastet schwer auf Brahms’ Schultern. Er, der ohnehin zu Schwermut neigt und überkritisch ist mit sich und seiner Arbeit, empfindet die großen Worte als quälende Verpflichtung, fast Übermenschliches von sich zu verlangen.
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„Das öffentliche Lob, das Sie mir spendeten, wird die Erwartung des Publikums auf meine Leistungen so außerordentlich gespannt haben“, schreibt Brahms an Schumann, „dass ich nicht weiß, wie ich denselben einigermaßen gerecht werden kann.“
An Clara Schumann schrieb er: „In einem fort möchte ich Dich Liebling nennen“
Noch in einer anderen Hinsicht wird der Besuch in Düsseldorf zur Zäsur in Brahms’ Leben: Denn er hat sich verliebt, und zwar in Robert Schumanns Frau Clara (1819-1896), die selbst eine begnadete Pianistin ist. Während sich der Geisteszustand von Robert Schumann in den darauffolgenden Jahren zunehmend verschlechtert – er unternimmt 1854 einen Selbstmordversuch und stirbt 1856 in einer Nervenheilanstalt in Bonn –, entwickelt sich zwischen Brahms und ihr eine enge Beziehung. Wie weit das geht, ist auch deshalb unbekannt, weil die beiden später einen Großteil ihres Briefwechsels vernichten.

In den wenigen erhaltenen Dokumenten finden sich Passagen, die ausgesprochen leidenschaftlich klingen. „Meine geliebte Clara, Du bist mir so unendlich lieb, daß ich es gar nicht sagen kann“, so Brahms. „In einem fort möchte ich Dich Liebling und alles mögliche nennen, ohne satt zu werden, Dir zu schmeicheln. Deine Briefe sind mir wie Küsse.“ Clara Schumann teilt diese Gefühle. An ihre Kinder schreibt sie: „Wohl kann ich euch sagen, meine Kinder, daß ich nie einen Freund so liebte wie ihn.“
In den Jahren vor Schumanns Tod verbringt Brahms viel Zeit in Düsseldorf. Er lebt über längere Zeit mit Clara und den sechs Kindern im selben Haus zusammen. Nach Robert Schumanns Tod verändert sich das Verhältnis allerdings erheblich. Es ist mit einem Mal sehr viel distanzierter. Warum, darüber rätseln heute die Biografen. Was bleibt, ist eine enge Freundschaft. Sie verbindet Clara Schumann und Johannes Brahms bis an ihr Lebensende.
Brahms ist eine schwierige Persönlichkeit. Er ist sensibel und schnell beleidigt. Das zeigt sich, als die Philharmonische Gesellschaft 1862 nicht ihm, sondern seinem Freund Julius Stockhausen die Leitung der Philharmonischen Konzerte anbietet. Diesen Posten hat sich Brahms sehnlichst gewünscht. Es kränkt ihn tief, nicht bedacht worden zu sein. Bis zu seinem Lebensende hängt ihm das nach.

Brahms war von Hamburg tief gekränkt: Ein anderer Musiker erhielt den Posten
Brahms verlässt aufgrund der Schmach seine Heimatstadt und geht nach Wien, wo er viel Anerkennung und Lob erfährt. Europas Hauptstadt der Musik wird ihm bald zur zweiten Heimat. Einstimmig wird Brahms 1863 zum Chef der Wiener Singakademie gewählt. Den Posten kündigt er allerdings noch im selben Jahr, weil er seine Zeit lieber dem Komponieren widmen will. Es beginnt eine der schaffensreichsten Perioden in seinem Leben. Es entstehen Solokonzerte, etliche Klavier-, Orgel- und Chorwerke, Lieder und Vokalwerke.
1871 entscheidet sich Brahms, endgültig in Wien zu bleiben, nachdem er 1867 von der Philharmonischen Gesellschaft Hamburg erneut nicht für den Posten des künstlerischen Leiters berücksichtigt worden ist. Leicht fällt es ihm nicht, seiner Vaterstadt den Rücken zu kehren. In einem Brief heißt es: „Ich bekomme Sehnsucht, wenn ich an Hamburg denke, und fühle mich immer besonders glücklich, wenn ich dort bin, und laufe auf den altbekannten Wällen und in den Straßen umher.“
In Wien wird er zum Leiter der Gesellschaft der Musikfreunde ernannt. Diesen Posten hat er vier Jahre inne, dann kündigt er, weil er alle Energie in seine erste Sinfonie stecken will, die schließlich am 4. November 1876 in Karlsruhe uraufgeführt und zu einem Riesenerfolg wird. Das Publikum feiert Brahms als neuen Beethoven. Brahms’ enger Freund, der Dirigent, Kapellmeister und Pianist Hans von Bülow, betitelt das Werk gar als „Beethovens 10. Sinfonie“.

Bis 1885 komponiert Brahms drei weitere Sinfonien und wird mit Ehrungen nur so überhäuft. 1874 wird er Mitglied der Preußischen Akademie der Künstler, 1879 ernennt ihn die Philosophische Fakultät der Uni Breslau zum Ehrendoktor. Wohl am meisten freut er sich über die Ehrenbürgerwürde, die ihm am 23. April 1889 die Stadt Hamburg verleiht: Brahms wird wie ein Staatsgast empfangen und gefeiert.
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Als der große Komponist am 3. April 1897 an Bauchspeicheldrüsenkrebs stirbt, zählt er zu den berühmtesten Komponisten Europas. Er wird drei Tage später auf dem Wiener Zentralfriedhof beerdigt – direkt neben Johann Strauß und Franz Schubert. Dem sechsspännigen Leichenwagen mit dem Sarg folgt eine riesige Menschenmenge. Am selben Tag ordnet der Hamburger Senat Trauerbeflaggung für alle im Hafen liegenden Schiffe an.
Seit 1928 verleiht der Senat die Brahms-Medaille. Damit werden Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich um das Musikleben der Stadt oder um das Werk von Johannes Brahms verdient gemacht haben – der Geiger und Dirigent Yehudi Menuhin gehört beispielsweise zu den Trägern.

Seit 1969 gibt es in Hamburg eine Johannes-Brahms-Gesellschaft. Sie ist auch Initiator des Brahms-Museums, das es seit 1971 in der Peterstraße in der Neustadt gibt und das heute Teil des Komponisten-Quartiers ist. Es wurde zuletzt umgebaut und saniert und im April 2022 anlässlich von Brahms’ 125. Todestag neu eröffnet.