Grausam und blutig: Walfänger aus Hamburg auf der Jagd nach Meeressäugern
Wer auf Walfang ging, musste vor allem eins haben: Geduld. Manchmal dauerte es Wochen, und kein einziger Meeressäuger wurde gesichtet. Die Männer saßen an Bord, aßen ihre eintönige Verpflegung und vertrieben sich die Zeit, indem sie schnitzten. Sie ritzten Bilder in Walzähne oder verwandelten Walknochen in kleine Skulpturen. In manchem Heimatmuseum an der schleswig-holsteinischen Küste und auf den Inseln sind solche Kunstwerke heute noch in Vitrinen zu bewundern.
Wenn aber endlich ein Wal gesichtet wurde, warf der Walfänger sein Schnitzmesser ganz schnell in die Ecke. Eile war geboten. Sobald das Schiff nahe genug dran war, ließen sie die Schaluppen – so hießen die Fangboote – zu Wasser und versuchten sich rudernd dem Meeressäuger auf wenige Meter zu nähern. Schafften sie es, schleuderte einer die Harpune, an der eine Leine befestigt war. Traf sie, war das noch lange nicht das Ende des Kampfs. Eher der Anfang.
Wer auf Walfang ging, musste vor allem eins haben: Geduld. Manchmal dauerte es Wochen, und kein einziger Meeressäuger wurde gesichtet. Die Männer saßen an Bord, aßen ihre eintönige Verpflegung und vertrieben sich die Zeit, indem sie schnitzten. Sie ritzten Bilder in Walzähne oder verwandelten Walknochen in kleine Skulpturen. In manchem Heimatmuseum an der schleswig-holsteinischen Küste und auf den Inseln sind solche Kunstwerke heute noch in Vitrinen zu bewundern.
Wenn aber endlich ein Wal gesichtet wurde, warf der Walfänger sein Schnitzmesser ganz schnell in die Ecke. Eile war geboten. Sobald das Schiff nahe genug dran war, ließen sie die Schaluppen – so hießen die Fangboote – zu Wasser und versuchten sich rudernd dem Meeressäuger auf wenige Meter zu nähern. Schafften sie es, schleuderte einer die Harpune, an der eine Leine befestigt war. Traf sie, war das noch lange nicht das Ende des Kampfs. Eher der Anfang.

Kam der Wal wieder an die Oberfläche wurde er mit einem Stich ins Herz getötet
Es konnte leicht passieren, dass das Tier im Todeskampf mit der Schwanzflosse um sich schlug und dabei die Männer in den Schaluppen tötete. Wenn der Wal vor Schmerz und Schreck in die Tiefe abtauchte, kam es darauf an, genug Leine zu geben und sich mitziehen zu lassen. Jetzt hieß es erneut: Warten. So lange, bis das Tier ermüdet auftauchte. Das konnte Stunden dauern, manchmal einen ganzen Tag. Das sensible Tier litt Höllenqualen. Kam es erschöpft an die Oberfläche, wurde es erlöst: mit einem tödlichen Stich ins Herz. Das ganze Wasser rundherum war voller Blut.
Walfang: Anfang des 17. Jahrhunderts waren es vor allem Niederländer und Briten, die dieses genauso einträgliche wie grausame Geschäft betrieben. Dann bekamen sie Konkurrenz aus Hamburg. Am 21. April 1643 erteilte der dänische König Christian IV. dem Hamburger Reeder Johann Been das Privileg, im Nordmeer Jagd auf Wale und Robben zu machen.

Damit begann, was als Hamburgs Grönlandfahrt in die Geschichte eingegangen ist, wobei diese Bezeichnung eigentlich nicht stimmt. Denn die Hamburger jagten gar nicht vor Grönlands Küste, sondern vor allem in der Barentssee bei Spitzbergen. Dort, im Nordwesten des Archipels, drei Meilen südlich vom Magdalenefjord, existiert bis heute die „Hamburgbukta“, die „Hamburger Bucht“. Sie heißt so, weil damals Hamburgs Walfänger diesen Ort zu ihrer Basisstation machten.
Das Walöl war Schmier- und Brennstoff einer ganzen Epoche
Weshalb Walfang so ein lukratives Geschäft war? Das lag am Fett! War ein Wal erlegt, wurde er seitlich am Schiff festgemacht, wo das Abspecken, das sogenannte Flensen, stattfand. Der Speck wurde in Stücke geschnitten, in Fässer verpackt und später in Trankochereien wie beispielsweise auf St. Pauli ausgekocht – was übrigens einen furchtbaren Gestank verursachte.
So entstand das wertvolle Walöl, das einer ganzen Epoche als Schmier- und Brennstoff diente. Mit dem Öl wurden Straßen und Häuser beleuchtet und Maschinen betrieben. Das Öl wurde als Speisefett verwendet und zu medizinischen Salben und anderen Körperpflegemitteln weiterverarbeitet.
Verwertet wurde auch das so genannte Fischbein, hornartige elastische Platten aus den Barten: Korsettstangen, Knöpfe, Kämme, Lineale und Reifröcke wurden daraus gemacht – eine Art frühes Plastik.

Für den Hamburger Reeder Been war die Erlaubnis zum Walfang wie eine Lizenz zum Gelddrucken. 1644 kehrten die drei ersten Hamburger Walfangschiffe in den Hafen zurück. Im Laderaum: die stattliche Ausbeute von 820 Fässern Tran im Wert von 25.000 Mark banco – ein unfassbar großes Vermögen.
Andere Reeder wollten auch ein Stück vom Kuchen und statteten ihrerseits Schiffe aus, um sie auf Walfang zu schicken. Innerhalb von 30 Jahren vergrößerte sich Hamburgs Walfangflotte auf 83 Schiffe. Zum Einsatz kamen sogenannte Fleuten, dickbauchige Dreimaster, die anfangs fünf bis sechs und später bis zu neun Schaluppen mit sich führten.
18 Meter lang, schwer wie 20 Elefanten und eine leichte Beute: der Grönlandwal
Meist wurde Jagd gemacht auf den Grönlandwal. Er wird rund 18 Meter lang und ist so schwer wie 20 Elefanten. Allein die Zunge kann ein Gewicht von 900 Kilogramm erreichen. Gleichzeitig aber ist er ein langsamer Schwimmer und war deshalb leichte Beute. Das im wahrsten Sinne des Wortes fetteste Jahr für Hamburgs Walfänger war übrigens 1673, als 53 Schiffe 589 dieser Meeresgiganten erlegten.

Hamburger Reeder stellten zwar die Schiffe, die Besatzungsmitglieder jedoch stammten aus den Elbmarschen und den Nordsee-Küstengebieten, viele kamen auch aus Ameland, von Amrum, Borkum, Föhr, Rømø und Sylt. Es waren Bauern, deren Ackerflächen bei der verheerenden Sturmflut von 1634, der Groote Mandränke, verschlammt und versalzen waren. Von den Erträgen konnten sie ihre Familie nicht mehr ernähren.
Immer im Frühjahr, wenn die Walfang-Saison startete, begann der Exodus der Männer. Frauen und Kinder mussten sich allein um die Höfe kümmern, während der Hausherr zur See fuhr. Monate dauerte es, bis er wiederkehrte. Wenn überhaupt. Denn viele verloren ihr Leben, wobei der eigentliche Kampf mit dem Wal nicht mal das Gefährlichste war. Viele Walfänger erkrankten, weil sie den Strapazen an Bord nicht gewachsen waren, oder sie fielen einem Schiffsunglück zum Opfer.
Die Walfangschiffe hatten in der Regel eine 40- bis 50-köpfige Besatzung. Der Commandeur, der Steuermann, die Harpunierer und die Speckschneider waren sogenannte Partfahrer. Bedeutet: Sie waren am Gewinn beteiligt, konnten also viel Geld verdienen, wenn es gut lief, oder gingen leer aus, wenn kein Fang gemacht wurde. Demgegenüber bekamen die einfachen Seeleute eine feste Heuer.
Auf Spitzbergen gibt es heute noch eine „Hamburger Bucht“
Das Leben an Bord war äußerst eintönig. Auf der Suche nach Beute kreuzten die Schiffe monatelang übers Meer. Häfen, die hätten angelaufen werden können, um frische Nahrung oder Wasser aufzunehmen, existierten nicht. Ausschließlich Getrocknetes und Gepökeltes gab es zu essen. Aufgrund mangelnder Vitaminversorgung erkrankten viele Besatzungsmitglieder an Skorbut. Typische Symptome waren Zahnfleischbluten, schmerzende Knochen, hohes Fieber und allgemeine Erschöpfung. Dagegen gab es aber ein Mittel: ein vitaminreiches Kraut, das auf Spitzbergen wuchs und das die Matrosen „Grönlandsalat“ nannten. Wer davon aß, war schnell wieder gesund.

Normalerweise dauerte die Walfang-Saison bis Ende Juli. Anschließend mussten Commandeure zusehen, dass sie die Schiffe rechtzeitig vor Einbruch des arktischen Winters in die Heimathäfen zurückbrachten. Nicht immer gelang das: 1777 beispielsweise wurden 50 Schiffe bei Spitzbergen vom Packeis eingeschlossen, einige sogar zerquetscht. 286 Männer mussten im Nordmeer überwintern, froren und hungerten. Erst im Juli 1778 erreichten die Überlebenden den Hafen von Amsterdam und kehrten nach mehr als einem Jahr Abwesenheit zu ihren Familien zurück.
Als im 17. Jahrhundert die ersten Hamburger Walfänger die „Hamburger Bucht“ ansteuerten, fanden sie noch relativ schnell Beute. Die Gewässer rund um Spitzbergen waren da noch voll mit Grönlandwalen. Die Schiffsbesatzungen mussten nur nach dem sogenannten Blas Ausschau halten, der verräterischen Nebelfontäne, die ein Wal nach dem Tauchvorgang ausatmet – und schon konnte die Jagd beginnen.
Viele Commandeure in dieser Ära wurden wohlhabend. Wie beispielsweise der berühmte Matthias Petersen (1632-1706) von der Insel Föhr, der innerhalb von 50 Jahren 373 Wale erlegte. Sein Grabstein auf dem Friedhof der Kirche St. Laurentii in Süderende erinnert bis heute daran: Darauf steht nämlich außer seinem Vor- und Zunamen noch der Zusatz „Der Glückliche“.
1862 fuhren Hamburgs Reeder zum letzten Mal auf Jagd ins Nordmeer

Doch die „goldenen Zeiten“ der Walfänger dauerten nicht lange. Aufgrund des jahrzehntelang betriebenen rücksichtslosen Abschlachtens war die Barentssee schon Mitte des 18. Jahrhunderts so leergefischt, dass die Walfänger den Tieren bis an die Packeisgrenze nachstellen mussten und dazu übergingen, zusätzlich Robben und Eisbären zu jagen.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts die Walfangschiffe mit einer „Gun“ ausgestattet wurden, einem schwenkbaren Harpunen-Geschütz, erleichterte das die Jagd zwar. Auch war es jetzt möglich, schnelleren Walarten nachzustellen. Doch der technische Fortschritt beschleunigte das Verschwinden der Meeressäuger noch.
1862 fuhren Hamburgs Walfänger zum letzten Mal auf die Jagd, dann war Schluss. Es lohnte sich einfach nicht mehr. Erstens weil es immer weniger Beute gab. Und zweitens weil die Nachfrage nach Walprodukten eingebrochen war. Petroleum löste mehr und mehr den Waltran als Beleuchtungsmittel ab – es war billiger und leuchtete viel heller. Weil sich auch die Damenmode änderte, ließ der Bedarf an Fischbein ebenfalls spürbar nach. Damit war der historische Walfang zu Ende.

200 Jahre lang hat Hamburg gut daran verdient: In dieser Zeit haben die Reeder der Hansestadt 565 Schiffe auf die Jagd ins Eismeer geschickt. Rund 6000 Arktisfahrten sind insgesamt belegt. Die Zahl der Tiere, die in dieser Zeit ums Leben kamen, dürfte gigantisch gewesen sein
Eine kurze Renaissance erlebte der deutsche Walfang in den 1930er Jahren, als die Nazis das Ziel verfolgten, von Fettimporten unabhängig zu sein, und deshalb eine neue Flotte aufstellten: 69 Schiffe liefen aus in Richtung Arktis. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war es damit vorbei. Die Fangschiffe wurden in Kriegsschiffe verwandelt und in den Dienst der Marine gestellt.
Spuren des Walfangs finden sich heute noch in der Kirche St. Nikolai in Billwerder
Nach 1945 gab es zwar keine deutsche Walfangflotte mehr, aber sehr wohl noch Menschen, die vom Walfang lebten: Rund 600 Hamburger und andere Norddeutsche heuerten – meist aus finanzieller Not – auf den Schiffen von Aristoteles Onassis an, umgerüsteten ehemaligen Korvetten der US-Marine. Vor allem vor der Küste Perus wurde – ungeachtet der Fangquoten – auf alles geschossen, was vor die Harpune kam. 1957 gab Onassis den Walfang dann auf.

In Hamburg erinnert heute nicht mehr viel an die Zeit des Walfangs. Nur noch ein paar Walknochen in der Kirche St. Nikolai in Billwerder. In dem Dorf am Rande Hamburgs lebte vor knapp 400 Jahren ein Walfänger, und nachdem er starb, wurden die Unterkieferknochen des getöteten Tieres auf seinem Grab direkt vor der Kirche aufgestellt – wie ein Torbogen sah das aus. Heute befinden sich die Reste der Knochen im Gotteshaus.
Ach ja, und im Museum für Hamburgische Geschichte ist das Schulterblatt eines Wales ausgestellt, das als Wirtshausschild über einer Kneipe hing. Daher übrigens kommt der Straßenname Schulterblatt – weil sich dort die Gaststätte befand.