Irre Geschichten und große Namen: So wild wurde im legendären „Star-Club“ gefeiert
Genau heute vor 60 Jahren wurde er gegründet: der legendäre „Star-Club”, wo die Beatles ihre Weltkarriere begannen und wo – abgesehen von Elvis Presley und den Rolling Stones – alle Weltstars der 60er Jahre aufgetreten sind. Freitag, 13. April 1962, war ein Glückstag.
Grellorange Werbeplakate des neuen Musikclubs verkündeten: „Die Not hat ein Ende, die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“ Gleich am Eröffnungstag spielten die Beatles, die damals noch kaum einer kannte. Später gaben Musiker wie Jimi Hendrix, Tony Sheridan, Bill Haley, Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Little Richard, Ray Charles und Fats Domino Konzerte. Und noch viele mehr.
Wie es war im „Star-Club“? Das wissen diese Zeitzeugen am besten: Musiker und Gäste, die dort einst die Nacht zum Tage machten.
Genau heute vor 60 Jahren wurde er gegründet: der legendäre „Star-Club”, wo die Beatles ihre Weltkarriere begannen und wo – abgesehen von Elvis Presley und den Rolling Stones – alle Weltstars der 60er Jahre aufgetreten sind. Freitag, 13. April 1962, war ein Glückstag.
Grellorange Werbeplakate des neuen Musikclubs verkündeten: „Die Not hat ein Ende, die Zeit der Dorfmusik ist vorbei!“ Gleich am Eröffnungstag spielten die Beatles, die damals noch kaum einer kannte. Später gaben Musiker wie Jimi Hendrix, Tony Sheridan, Bill Haley, Chuck Berry, Jerry Lee Lewis, Little Richard, Ray Charles und Fats Domino Konzerte. Und noch viele mehr.
Wie es war im „Star-Club“? Das wissen diese Zeitzeugen am besten: Musiker und Gäste, die dort einst die Nacht zum Tage machten.
„Für uns war der Star-Club ein Ritterschlag“

Mary Dostal (73): Ich bin aus Liverpool, war Mitglied der Frauen-Rockband „The Liverbirds“. Als wir 1964 vom „Star-Club” engagiert wurden, waren wir völlig aus dem Häuschen. Das war wie ein Ritterschlag. Jeder Musiker wollte damals da spielen. Wer mit dem „Star-Club“-Sticker auf dem Gitarrenkasten zurück nach England kam, ja, der war Gott.
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Die „Liverbirds“ hatten einen Vertrag für vier Wochen, aber es wurden sechs Jahre daraus. Wir wurden zum „Zugpferd“ des „Star-Clubs“, und Manfred Weissleder, der Boss, nahm uns unter Vertrag, wurde unser Manager.
Damals gab es den James-Bond-Film Goldfinger, in dem Gert Fröbe Bonds den Widersacher von 007 spielt. So ein Typ wie Fröbe war auch Weissleder. Wenn er auftauchte, hieß es immer: „Achtung, Goldfinger kommt!“ Viele Leute hatten Angst vor Manfred, aber zu uns war er immer freundlich.

Unser Leben in Hamburg war sehr wild – nur gut, dass meine streng katholischen Eltern daheim nichts davon wussten. Der „Star-Club“ war unter der Woche bis vier und an den Wochenenden bis sechs Uhr morgens geöffnet. So lange haben wir auch gefeiert. Harte Drogen gab es zwar nicht, aber Aufputschmittel und Joints gehörten für Viele von uns einfach dazu. Und natürlich Männer. Die männlichen Musiker hatten weibliche Groupies, von denen sie angehimmelt wurden, wir hatten männliche.
Zurück nach Liverpool bin ich nie mehr gegangen – außer natürlich zu Besuch. Ich habe den Musiker Frank Dostal geheiratet, der mal bei den Rattles war, den Star-Club eine Weile betrieb und später Hits wie Baccaras „Yes Sir, I Can Boogie“ mitschrieb. 2017 ist er gestorben, aber ich bin immer noch hier.
„Amtmann Falck hat den Star-Club kriminalisiert“

Uwe Mehl (79): Ich bin auf St. Pauli aufgewachsen, in der Seilerstraße zur Schule gegangen. Der Star-Club war mein zweites Wohnzimmer. Ein Ticket zum Eintritt habe ich selten benötigt. Kannte man den „Star-Club“-Portier Heinz gut genug, gab es gegen zwei Mark einen Stempel auf die Hand, der zum beliebigen Kommen und Gehen berechtigte. Im Star-Club selbst hatten wir ein festes Revier. Die „Star-Club“-Kellner hielten bestimmte Plätze für unsere Clique frei. Man kannte sich.
Zwischen den Auftritten, in den Pausen, traf man sich nebenan bei Horst Jankowiak in der Kneipe „Gretel und Alfons“. Die Nähe zu den Musikern war hier der Normalfall. Man setzte sich einfach dazu, sofern Platz da war und verständigte sich, so gut es die englischen Sprachkenntnisse erlaubten.
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Dass im Club, die Kellner manchmal ein bisschen robuster zupackten, gehörte zum Geschäft. Dadurch gab es immer wieder Ärger mit den Behörden. Ein gewisser Amtmann Falck, hatte sich zur Lebensaufgabe gemacht, für Zucht und Ordnung zu sorgen. Der Star-Club wurde durch seine Razzien kriminalisiert. Die Stadt Hamburg war sich nicht bewusst, dass sich der Star-Club zum Mittelpunkt einer neuen Jugendkultur entwickelte.
„Permanent verliebt in die Musiker“

Doris Valentine (73): Wir waren vier kleine Mädels – ich war 15 – , und wir waren permanent verliebt in einen der Musiker. Wenn die Band wieder nach Hause fuhr, gab’s Tränen und Herzschmerz.
Wir standen jeden Nachmittag in der „Ritzenecke“, links neben der Tanzfläche, wo sich die Bühnentür befand, und himmelten die Musiker an. Einmal wurde ich eingeladen, im „Band-Bus“ – einem alten ausgeschlachteten Ford Transit, der mit Klappstühlen bestückt war – an die Ostsee zu fahren. Los ging es morgens nach Ende des Auftritts, Captagon für 50 Pfennig das Stück hat uns wachgehalten. Erinnern kann ich mich noch, dass bei der Rückfahrt an der U-Bahn-Station St. Pauli in der Kurve die Schiebetür des Vans aufflog und der Musiker mit dem Klappstuhl auf dem Zebrastreifen landete.
Ich habe oft im Star-Club die Nächte durchgemacht. Unsere Eltern wussten natürlich nichts davon. Ich habe erzählt, ich bleibe bei der Freundin und die Freundin erzählte, sie bleibe bei mir. Hat geklappt.
„Ich habe immer noch Rock’n’Roll in den Beinen“

Klaus Themsfeldt (80): Bei uns Jugendlichen war der „Star-Club“ angesagt, aber auch der „Kaiserkeller“ und das „Top Ten“. Meistens waren wir flott angezogen. Weißes Hemd mit Schlips, die Mädchen in schicken Kleidern.
Ob Tony Sheridan, Fats Domino, Chubby Checker, Jerry Lee Lewis, The Rattles, The Lords – die alle habe ich gesehen und gehört. Und es war toll.
Einen „Typen“ namens Horst Fascher wird mir und meinen damaligen Kumpels immer im Gedächtnis bleiben. Er hat irgendeinen Raufbolden ruhig, aber bestimmt nach draußen geleitet. Danach kam er wieder rein und setzte sich an unseren Tisch. Der Funke sprang sofort über. Als er ging, sagte er uns: „Habt ihr Ärger, ruft meinem Namen.“ Wir wussten damals nicht, dass er einer der Großen der Szene war.
Ein Beatles-Fan bin ich übrigens nie geworden. Für die schwärmten die Mütter mehr. Ich wurde ein Stones-Fan und bin es bis heute. Ich habe immer noch Rock’n‘Roll in den Beinen und den HSV im Herzen.
„Die hohen Schuhe habe ich heimlich angezogen“

Bärbel Niewöhner (75): Meine Eltern hätten nie erlaubt, dass wir zum Star-Club gehen. Dazu musste man über die Reeperbahn und die Große Freiheit. Für die war St. Pauli ein einziges Sodom und Gomorrha. Also sind wir da heimlich hin. Ich war 15 damals. Lange konnten wir nie bleiben. Nicht nur, weil um 22 Uhr alle raus mussten, die nicht 18 waren – auch weil ich um 22 Uhr zu Hause zu sein hatte. Da mussten oft Ausreden her. Sehr oft hatte die U- oder S-Bahn Schuld.
Meine Freundin und ich gingen immer zusammen und hatten ziemliche Angst über die Reeperbahn zu gehen. Wir hatten uns versprochen, dass keine ohne die andere nach Hause fährt und wir auch nicht mit irgendwelchen Leuten mitgehen. Meine Freundin, die sehr attraktiv aussah mit langen dunklen Haaren und großer Oberweite, wurde ständig angesprochen und man wollte uns in die „Läden“ ziehen.
Mit hochtoupierten Haaren liefen wir Mädels rum. Daran hatten meine Eltern nichts auszusetzen. Ich trug enge kurze Röcke und Bluse. Nur die hohen Schuhe, die musste ich immer verstecken und später heimlich anziehen, denn das hätte meinen Eltern nicht gefallen.
„Meine Eltern mussten mich bei der Polizei abholen“

Christel Mycroft (76): Meine Eltern haben nur deshalb davon erfahren, dass ich zum „Star-Club“ ging, weil sie mich eines Tages von der Polizeiwache abholen mussten. Um 22 Uhr ging das Licht an, die Ausweise wurden kontrolliert. Ich war erst 17 und alle, die nicht 18 waren, mussten gehen. Meistens konnte ich die Kontrolle umgehen und bin trotzdem geblieben. Aber dann haben sie mich erwischt – und meine Eltern mussten antanzen. Danach hatte ich ein paar Tage Hauarrest, dann bin ich wieder hin.
Der Eintritt kostete meist 1,50 oder 2 Mark. Bei Jimi Hendrix, Little Richard, Chuck Berry, Fats Domino und The Searchers warst Du mit 5 Mark dabei. Für mein teuerstes Konzert – Ray Charles – habe ich 20 Mark gezahlt. Das Geld habe ich mir hart vom Munde abgespart.
Es spielten meistens vier Bands pro Nacht, die sich immer abwechselten. Jede spielte eine Stunde, danach hatte sie drei Stunden frei. In der Zwischenzeit sind sie über den Kiez gezogen. Viele gingen nach nebenan zur Kneipe „Gretel und Alfons“ oder auch in die „Blockhütte“ oder in die „Mambo-Schänke“. Oder die Musiker zogen sich ins Band-Hotel, dem „Pazifik“ am Pferdemarkt, zurück.
Ich habe meinen Mann im Star-Club kennengelernt: Tim Mycroft hat 1967 ein paar Wochen mit seiner Band „Thursday Child“ dort gespielt. Er war Sänger und Keyboarder, starb 2010.
„Vorne Elvis-Tolle, hinten Entenarsch“

Harald Mau (77): Ich war sozusagen Inventar des Star-Clubs. Donnerstags, freitags, samstags – am Wochenende war ich immer da. Wichtig war natürlich, dass das Outfit stimmte: Anzug, weißes Hemd, Krawatte. Und dann die Haare! Vorne Elvis-Tolle, hinten Entenarsch. Ich sah totschick aus. Das war mir wichtig. Ich wollte ja schließlich auch ein Mädchen abbekommen.
Mit den Türstehern Heinz und Werner war ich ganz dick. Und dann gab’s da noch Pico. Das war ein ganz lustiger Kerl. Der war Mädchen für alles, rechte Hand von Bühnenmanagerin Hilde Peters. Bei der Mikrofonprobe hat er nicht „Eins, zwei, drei“ gesagt, sondern mit Micky-Maus-Stimme irgendeinen Quatsch geredet und alle lachten. Manchmal hat er zur Belustigung des Publikums im Mund eine brennende Zigarette umgedreht und rauchte sie anschließend einfach weiter. Eine toller Gag. Pico wurde so selbst zu einem kleinen Star.
Einmal trat Screaming Lord Sutch auf, sang gleich als erstes seinen Song: „Til the Following Night“, bei dem ein Sarg ’ne Rolle spielte, der vor ihm auf der Bühne stand. Das Lied geht los mit Sturmgeräuschen, und dann hörst du es ganz laut quietschen. In dem Moment öffnete sich der Sarg vor ihm. Und wer kam zum Vorschein? Pico! Das war ein Ding. Der Saal tobte.
„Um 22 Uhr waren plötzlich die Toiletten überfüllt“

Wolf-Peter Graumann (76): Ich habe diese wundervollen Jahre nicht nur im „Star-Club“ erlebt. Ganz Hamburg war ein einziger Rocktempel. Mit unserer Band „The Trossachs“ war ich in unzähligen Schuppen unterwegs. Allen voran im „Top Ten“. Man musste keine Super-Band sein. Gigs wurden am Tresen beim Bier vergeben Es gab nur eine Frage: Wo habt ihr letztes Mal gespielt?
Immer, wenn ich Taschengeld bekam, habe ich als Erstes den Betrag für den Eintritt beim „Star-Club“ und das Geld für ‘ne Cola zur Seite gelegt. Um 15.30 Uhr stand ich vor der Kasse, um 16 Uhr ging’s los. Liverpools Bands machten den Warmmacher. Die schon damals etwas bekannteren Gruppen kamen danach! Der Hammer dann um 22 Uhr! Plötzlich ging das Licht an – Stimmung dahin. Viele, die unter 18 waren, versuchten sich zu verstecken, die Toiletten waren plötzlich total überfüllt.
„Bei ,Skinny Minny‘ klatschten und trampelten alle mit“

Manfred Brüchmann (78): Live Rock-Musik: laut, voll und toll. Ich war begeistert vom „Star-Club“. Mehrere Bands am Abend, unglaublich. Ich ging auch mit meiner Freundin hin (sie wurde später meine Ehefrau und ist es bis heute). Ein kleiner Haken: Sie war noch keine 18 Jahre alt. Um kurz vor 22 Uhr ging immer das Licht an, und wer noch keine 18 war, wurde per Lautsprecher aufgefordert, den Club zu verlassen.
Kurz nach ihrem 18. Geburtstag waren wir auch im Club. Stolz sagte meine Frau: „Heute können wir länger bleiben.“ Sie hat sich so darauf gefreut, kontrolliert zu werden, um zu zeigen, wie alt sie ist – und dann kam keiner!
Ich erinnere mich, dass wir die Liverbirds, Lee Curtis und Tony Sheridan gesehen haben. Bei Tonys Hit „Skinny Minny“ klatschten und trampelten an alle mit.