Frauen, die „mit dem Teufel im Bunde“ standen, mussten sterben
Vom 15. bis ins 18. Jahrhundert brannten in Europa die Scheiterhaufen: Rund 60.000 vermeintliche „Hexen“ und „Zauberer“ fanden den Tod. Eine Hochburg der Hexenverfolgung war Hamburg, wo mindestens 101 Verfahren geführt und 74 Menschen hingerichtet wurden. Eine von ihnen: die unglückliche Abelke Bleken. Am 18. März 1583, also vor 440 Jahren, starb sie auf dem Scheiterhaufen. Was für ein furchtbares Schauspiel das war!
Vom 15. bis ins 18. Jahrhundert loderten in Europa die Scheiterhaufen: Rund 60.000 vermeintliche „Hexen“ und „Zauberer“ fanden den Tod. Nicht etwa nur in katholischen Regionen. Auch im protestantischen Hamburg, wo mindestens 101 Verfahren durchgeführt und 74 Menschen hingerichtet wurden. Eine von ihnen: die unglückliche Abelke Bleken. Am 18. März 1583, also vor 440 Jahren, starb sie als vermeintliche Hexe auf dem Scheiterhaufen. Was für ein furchtbares Schauspiel das war!
„Mit allem Möglichen hatten die Menschen gerechnet, die auf der zugigen Wiese standen und auf die Ankunft des Schinderkarrens warteten. Eine Teufelsfratze, die ein Hohnlachen ausstieß. Eine aufgebrachte Gestalt, die satanisch tobte und ihnen schreckliche Flüche zurief. Mit dem Bösen selbst hatten sie gerechnet. Nur nicht mit dem, was sie vor sich sahen: eine Frau, so furchtbar zugerichtet. Die Beine zerschunden, blutig und blau. Ihre Arme hingen herab, lose, eigenartig falsch. An den Händen die Daumen nur noch dunkle Stummel …“

Unter der Folter gesteht Abelke Bleken alles – anschließend endet sie im Feuer
So beschreibt die Hamburger Autorin Jarka Kubsova die letzten Minuten im Leben von Abelke Bleken. Kurz darauf wird die Todgeweihte – weil sie selbst nach der Folter dazu nicht mehr in der Lage ist –, zum Scheiterhaufen getragen, und zwar unter den Augen zahlloser Schaulustiger. Anschließend setzten die Henkerknechte den Holzstoß in Brand. „Er zündete gut, die Funken sprangen vom Stroh auf das Reisig, vom Reisig auf die größeren Äste“, so Jarka Kubsova. „Ein scharfer Wind fuhr herein, so plötzlich und schnell, als hätte er Anlauf genommen, dann brauste das Feuer auf.“

„Marschlande“ lautet der Titel von Jarka Kubsovas Buch. Ein Roman zwar. Aber der Kern der Geschichte, das Schicksal Abelke Blekens, ist kein Fantasieprodukt: Ende des 16. Jahrhunderts lebte diese Frau in den Marschlanden, besaß ein großes Gut am Ochsenwerder Norderdeich. Neun Hektar, die sie ganz alleine bewirtschaftete, ohne Ehemann. Eine selbstständige, unabhängige Frau. Was ihr zum Verhängnis wurde …
Das Drama um Abelke Bleken begann mit der Allerheiligenflut 1570

Historiker sind heute davon überzeugt, dass das Drama um Abelke Bleken mit der Allerheiligenflut 1570 begann, der schlimmsten Flutkatastrophe an der Nordsee vor dem 20. Jahrhundert, die die Küste der Niederlande und Ostfrieslands heimsuchte und 25.000 Menschenleben forderte. Die Überflutungen reichten bis ins Alte Land und bis in die Vierlande bei Hamburg. Abelke und ihre Nachbarn waren vermutlich nicht mehr in der Lage, den gebrochenen Deich an ihrem Grundstück zu reparieren. Damals galt die Regel, dass ein Landbesitzer, der das nicht mehr kann, sein Land hergeben muss. Für all die, die ohnehin schon lange nach dem Acker Abelke Blekens Ausschau gehalten hatten, eine willkommene Gelegenheit, zuzugreifen.
Über Abelke Bleken brach das Unglück herein: Sie war gezwungen, ihr Grundstück an den Hamburger Ratsherrn Johann Huge zu verkaufen. Aber nicht nur das. Der Landvogt Dirck Gladiator pfändete auch noch ihren Kessel – ein Haushaltsgegenstand, der damals einen wertvollen Besitz darstellte. Abelke Bleken, eben noch eine angesehene wohlhabende Frau, war plötzlich völlig mittellos. In ihrer Wut, ihrer Verzweiflung verfluchte sie die Menschen, die ihr das angetan hatten, und drohte mit Rache.

Als einige Zeit später Vieh starb, Menschen krank wurden und eine Frau auf unerklärliche Weise ihr Leben verlor, da fiel der Verdacht sehr schnell auf sie. Abelke Bleken wurde als Hexe verhaftet und „peinlich befragt“, was nichts anderes bedeutet als Folter.
Das Besondere an dem Fall der Abelke Bleken: Die „Urgicht“, also das Protokoll ihres erzwungenen Geständnisses, ist erhalten und wird im Staatsarchiv Hamburg aufbewahrt. Wer es liest, der erfährt viel über die Gedankenwelt der Menschen zu jener Zeit. Insbesondere darüber, wie sie sich den Teufel und seine Macht ausmalten.
Damit die fuchtbaren Schmerzen endlich ein Ende haben, hat Abelke Bleken alles gestanden, was ihr vorgeworfen wurde. Aber wirklich alles! Sie gab zu, einen Pakt mit dem Satan geschlossen und auch Sex mit ihm gehabt zu haben. Weiter gestand sie, sie habe gemeinsam mit ihrer Nachbarin Gesche Schwormstedt Rache am Ratsherrn Johann Huge üben wollen. Dazu habe sie mit einem Stab Löcher in den Boden gestochen – so viele wie Ochsen, deren Tod Johann Huge später zu beklagen hatte.
Abelke Blekens schriftliches Geständnis wird im Staatsarchiv aufbewahrt
Abelke gestand außerdem, mit Rattengift Huges Kälber getötet zu haben. Dann habe sie einen Wollgürtel genommen, „in aller Teufel Namen Knoten in die beiden Enden geschlagen und Haare des Vogts und Fingernägel der Vögtin hineingebunden“. Schließlich habe sie der Vögtin „eine Suppe aus Kohl und Warmbier gegeben, versehen mit dem Hirn einer Katze, die sie in des Vogtes Haus in aller Teufel Namen totgeschlagen“ habe. Drei Tage später sei die Vögtin krank geworden und bald darauf gestorben.
Dieses Geständnis war Abelke Blekens Todesurteil. Aber immerhin war damit auch die furchtbare Folter zu Ende.

Dass Menschen in Verdacht gerieten, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und deshalb als Hexen verbrannt wurden, ist kein Phänomen, das allein in katholischen Regionen um sich griff. Auch waren es nicht nur geistliche, sondern ebenso weltliche Gerichte, die Schadenzauber und Hexerei verurteilten. So sah das Hamburger Stadtrecht bereits seit 1270 für „diejenigen Christen, welche von Gott abgefallen waren, mit Zauberei oder Gift umgingen und dabei ergriffen wurden“ den Tod durch Verbrennen vor, ohne dabei zwischen Frauen und Männern zu unterscheiden, erläutert die Historikerin Dr. Roswitha Rogge, die zu den Hamburger Hexenprozessen geforscht hat.
Es war ausgerechnet der Reformator Martin Luther, der gegen Hexen wetterte und die Obrigkeit ausdrücklich dazu aufforderte, sie nicht nur, wie bislang, zu töten, sondern sie zu foltern und zu verbrennen. Die „Weibernatur“, so Luthers Überzeugung, sei besonders anfällig für Zauberei. Frauen würden vom Teufel bevorzugt, Zauberinnen und Wettermacherinnen vom bösen Geist geschwängert, woraus „Teufelsbrut und Wechselbälger“ entstünden.
Mindestens 101 Verfahren gegen mutmaßliche Hexen, Zauberer, Wahrsager
Tatsächlich wurden in Hamburg fast alle bekannten Hexenprozesse durchgeführt, nachdem die Reformation Einzug gehalten und Johannes Bugenhagen eine neue Kirchenordnung eingeführt hatte. 1587 erschien in Hamburg das dreibändige Werk „De Panurgia Lamiarum, Sagarum, Strigum ac Veneficarum totiusque cohortis magicae Cacodaemonia libri tres“ („Drei Bücher über die Allwirksamkeit der Vampire, Wahrsagerinnen, Zauberinnen und Giftmischerinnen und über die Hinterhältigkeit des ganzen zauberischen Heeres“), in dem der protestantische Pastor Samuel Meiger die Obrigkeiten zu einem schärferen Vorgehen gegen das Verbrechen der „toverie“ (Zauberei) aufforderte.

Die weltlichen Gerichte übernahmen die neue Hexenlehre. In den frühneuzeitlichen Strafrechtsnormen findet sich daher die Verbindung des von jeher unter Strafe stehenden Schadenzaubers mit dem Delikt des Teufelspaktes. In Hamburg gab es Wellen von Hexenprozessen in den Jahren 1544 und 1545 (elf Angeklagte), 1555/56 (17 Angeklagte), 1575 bis 1583 (23 Angeklagte) und 1610 (fünf Angeklagte), von denen die meisten hingerichtet wurden.
Seit 1555 ist in Hamburg die Anwendung der Folter aktenkundig: Damals wurden auf einen Schlag 14 Frauen wegen Hexerei verhaftet, von denen neun auf dem Scheiterhaufen und zwei unter der Folter ums Leben kamen. Bis 1738 wurden in der Hansestadt mindestens 101 Verfahren gegen mutmaßliche Hexen, Zauberer, Wahrsager usw. angestrengt. 74 Personen wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Sieben starben schon vorher in der Haft.
Cillie Hempels – so hieß die letzte Frau, die in Hamburg auf dem Scheiterhaufen endete, so Roswitha Rogge. „Wegen Abfalß von Gott, wegen Zauberey“ und wegen einer „Mordthat“, angeblich verübt gegen den eigenen Mann, musste sie sich im August 1642 vor dem so genannten Niedergericht verantworten. Unter Folter gab auch sie alles zu, so dass für den 29. August 1642 ihre Hinrichtung anberaumt wurde.

Der Richtplatz war voll von Menschen, die genüsslich zusahen, wie der Scharfrichter damit begann, die Delinquentin zu rädern – eine besonders grausame Prozedur. Cillies Körper war bereits leblos, als der Henker ihn auf den Scheiterhaufen warf, wo er verbrannte.
An das Schicksal Abelke Blekens erinnert inzwischen eine nach ihr benannte Straße im Neubaugebiet in Ochsenwerder. Seit 2015 steht ein Gedenkstein im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof zum Gedächtnis an Abelke Bleken und die anderen Opfer der Hexenverfolgung in Hamburg. Von der Historikerin Roswitha Rogge verfasste Infotafeln geben dort Auskunft über ihr Schicksal.
Gefängnis und Hinrichtungsplatz: Das waren Hamburgs Orte des Schreckens
Wer der Hexerei verdächtigt wurde, kam zunächst in die sogenannte Fronerei, eine Art Untersuchungsgefängnis, das auch Büttelhaus, Büdelhus oder Kaakhus genannt wurde und sich am Berg befand (heute ist dort die Bergstraße), einem der ältesten Marktplätze der Stadt. In dem Gebäude war auch die Folterkammer für die „peinliche Befragung“. Hinrichtungen fanden ebenfalls auf dem Berg statt, allerdings nur bis 1554. Dann wurde die Richtstätte nach St. Georg, also vor die Tore der Stadt, verlegt.

Die Verurteilten wurden über den Steindamm, im Volksmund deshalb „Armesünderdamm“ genannt, zum sogenannten Köppelberg gebracht, wo der Galgen stand und wo für „Hexen“ der Scheiterhaufen errichtet wurde. Heute steht an derselben Stelle das Gebäude der zwischen 1897 und 1902 nach Plänen von Oberimpfarzt Leonard Voigt errichteten Impfanstalt, in dem sich inzwischen ein Wohnprojekt befindet. Adresse: Am Lohmühlenpark 1. Auf dem Parkplatz steht eine Buche. Die Legende besagt, der Baum sei zum Gedenken an die Hingerichteten gepflanzt worden.