Hamburgs Ex-Polizeipräsident: „Mein Vater war beim ,Altonaer Blutsonntag'“
Wolfgang Kopitzsch ist Historiker, war Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord und von 2012 bis 2014 Polizeipräsident. Er ist einer der besten Kenner des „Altonaer Blutsonntags“. Für seine Examensarbeit zu diesem Thema konnte er 1974 noch viele Augenzeugen interviewen – darunter sein eigener Vater.
Wolfgang Kopitzsch ist Historiker, war Bezirksamtsleiter von Hamburg-Nord und von 2012 bis 2014 Polizeipräsident. Er ist einer der besten Kenner des „Altonaer Blutsonntags“. Für seine Examensarbeit zu diesem Thema konnte er 1974 noch viele Augenzeugen interviewen – darunter sein eigener Vater.
Als junger Polizeiwachtmeister der Preußischen Schutzpolizei musste Walter Kopitzsch (1906-1977) am 17. Juli 1932 den Propagandamarsch der Nazis beschützen und begleiten. „Das war keine Aufgabe, die er gerne übernahm. Er hat darunter sehr gelitten“, sagt sein Sohn Wolfgang. Denn diejenigen, die Walter Kopitzsch zu schützen hatte, waren politisch seine erbittertsten Gegner. „Mein Vater war Sozialdemokrat durch und durch.“
Wolfgang Kopitzsch interviewte Zeitzeugen – darunter seinen eigenen Vater
Walter Kopitzsch wird 1906 in Neustadt an der Orla in Thüringen geboren. 1926 bewirbt er sich bei der thüringischen Landespolizei – weil er aber ein engagierter Sozialdemokrat ist, wird er abgelehnt. Zu links.


Die Preußische Polizei nimmt ihn schließlich – und er gehört 1932 zur 3. Bereitschaft der Schutzpolizei in Altona-Wandsbek. Dienstsitz: die Viktoria-Kaserne. Die Unruhen in der Endphase der Weimarer Republik bekommt er aus nächster Nähe mit.
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„Laufend wurde geschossen – aufgrund des Ersten Weltkriegs waren Waffen in rauen Mengen im Umlauf“, erzählt Sohn Wolfgang Kopitzsch. „Jede Partei hatte ihre eigene paramilitärische Wehrorganisation zum Schutz der eigenen Veranstaltungen und für Angriffe auf die Gegner: die SPD das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold und die Eiserne Front, die Kommunisten den Rotfrontkämpferbund, die Nazis SA und SS.“
Blick in Walter Kopitzsch‘ Tagebuch aus dem Jahr 1932
Ein zeithistorischer Schatz ist das Tagebuch von Walter Kopitzsch. Ein Blick hinein zeigt, was für unruhige Zeiten das waren:
3. April 1932: Umzug der NSDAP und der Eisernen Front in Altona. Am Platz der Republik und am Bahnhof kommt es zu schweren Zusammenstößen …
7. April 1932: Nachmittags um 17 Uhr Begleitung eines KPD-Umzuges.
9. April 1932: Die Eiserne Front veranstaltete heute Abend einen imposanten Umzug. Die KPD plante einen Umzug in Altona, der aber vom Regierungspräsidenten verboten wurde.
15. April 1932: Ernst Thälmann sprach abends bei Wachtmann.
20. April 1932: Um 17 Uhr Einsatz zur Begleitung eines Umzuges der Kommunistischen Jugend.
23. April 1932: Um 12 Uhr Einsatz Rennbahn Lokstedt anlässlich der Hitler-Versammlung.
25. April 1932: Politische Schlägerei bei Fath, Schumacherstraße (Weber), Paulsenplatz.
29. April 1932: Schießerei in der Kl. Mühlenstraße.
8. Juli 1932: Begleitung eines Umzuges der SA und SS.
15. Juli 1932: Um 3.10 Uhr ausgerückt, weil Bombe geworfen worden war.
17. Juli 1932: Der Tag des SA-Umzugs durch Altona. Walter Kopitzsch gehört zum Begleitkommando, das die Spitze des Marschzuges bildet. Er notiert in sein Tagebuch: „Der furchtbarste Tag des Jahres! Anlässlich eines NSDAP-Umzuges kommt es zu schweren Zusammenstößen mit Kommunisten. Im 5. und 3. Revier kommt es zu Schießereien. Das Ergebnis des Brudermordes: 12 Tote … Später steigt die Zahl auf 18 …
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Weil er Sozialdemokrat war: Nazis entließen Walter Kopitzsch aus dem Polizeidienst
Kopitzsch’ Tage als Polizeibeamter sind jetzt gezählt. Nach Hitlers Machtübernahme wird er am 5. August 1933 beurlaubt und am 27. Februar 1934 auf Grundlage des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ wegen seiner Zugehörigkeit zur SPD und zum Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold entlassen. Das Angebot, weiter beschäftigt zu werden, wenn er in die NSDAP eintritt, lehnt er ab.

„Nach 1945 stieg mein Vater in seiner thüringischen Heimat zum Polizeileiter und Oberleutnant (Oberkommissar) der Volkspolizei auf“, erzählt Wolfgang Kopitzsch. „Weil er Gegner der Zwangsvereinigung von SPD und KPD war, wurde er 1948 des Dienstes enthoben, entging durch Flucht der Verhaftung durch die sowjetische Geheimpolizei. Zum zweiten Mal in seinem Leben gerät er mit einer Diktatur aneinander und verliert seinen Posten.“
1949 fängt Walter Kopitzsch bei der Hamburger Polizei an. Er wird Polizeihauptkommissar, leitet bis zu seiner Pensionierung 1966 die Polizeirevierwache in der Eggerstedtstraße.