Diese lustigen Puppen retten seit 75 Jahren Leben
Er ist mit Abstand Hamburgs ältester Verkehrspolizist. Seit 75 Jahren tut er seinen Dienst – und wo immer er im Einsatz ist, da bringt er Spaß und Freude und sorgt zusätzlich auch noch für mehr Sicherheit im Straßenverkehr! Von Hamburgs Verkehrskasper ist die Rede. Dass es ihn gibt, hat einen traurigen Hintergrund.
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Er ist mit Abstand Hamburgs ältester Verkehrspolizist. Seit 75 Jahren tut er seinen Dienst – und wo immer er im Einsatz ist, da bringt er Spaß und Freude und sorgt zusätzlich auch noch für mehr Sicherheit im Straßenverkehr! Von Hamburgs Verkehrskasper ist die Rede.
Kaum ein Jahr Tag vergeht, an dem die lustige Handpuppe nicht an irgendeiner Schule im Stadtgebiet ihren Auftritt hat. Der Vorhang öffnet sich und schon geht’s los: „Tri-tra-trullala, tri-tra-trullala, der Kasper, der ist wieder da!“
Mit großer Spannung hören die Kinder dann den Geschichten zu. Da erzählt der Kasper von seiner Oma, die am folgenden Tag 99. Geburtstag feiert: „Ich will einen Kuchen für sie backen, aber ich brauche dafür noch ein Ei, und der Supermarkt ist auf der anderen Straßenseite. Wie komme ich denn jetzt sicher da rüber?“
Wie aus der Pistole geschossen reagieren die Kinder: „Geh doch über den Zebrastreifen!“ brüllen sie im Chor. Der Kasper verbeugt sich: „Danke, das ist aber eine gute Idee!“
In der Nachkriegszeit nahm der Verkehr in Hamburg zu – und viele Kinder starben
Dass der Polizeikasper 1948 in Hamburg seinen Dienst aufnahm, hatte einen ziemlich ernsten Hintergrund: Damals lag das Ende des Zweiten Weltkriegs drei Jahre zurück. Nach der Währungsreform im Juni 1948 nahm die Wirtschaft wieder Fahrt auf, der Verkehr auf Hamburgs Straßen legte rasant zu – und damit auch die Zahl der Unfälle. Allein 1948 starben 87 Kinder.
Es gab auch einen Grund, weshalb es vor allem die Minderjährigen traf: Die Mädchen und Jungen der Kriegsgeneration waren mit Individualverkehr überhaupt nicht vertraut. Zwischen 1939 und 1945 gab es so wenige Autos in der Stadt, dass sie die Straßen völlig gefahrlos überqueren konnten, ohne nach rechts und links zu gucken. Nun aber, mit dem beginnenden Wirtschaftswunder, war solch ein Verhalten lebensgefährlich.
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Polizeipräsident Bruno Georges (1892-1968) sah sich gezwungen, zu handeln. Damit die Kinder lernten, wie sie sich im Straßenverkehr zu verhalten haben, gründete er am 1. Juli 1948 die Abteilung für Verkehrserziehung. Es war Georges Idee, dabei auch eine Märchenfigur mit einzubeziehen. Der Polizist Heinz Krause, selbst ausgebildeter Puppenspieler, hörte davon und sprach seinen Chef an. Das war sie: die Geburtsstunde des Hamburger Verkehrskaspers.
Die Puppenspieler von der Polizei waren anfangs mit ihrer mobilen Bühne, dem sogenannten „Kasperwagen“, regelmäßig in der Stadt unterwegs. Über Lautsprecherdurchsagen wurden die Kinder zu den Vorstellungen eingeladen, die meist auf dem Rathausmarkt, der Stadtparkwiese oder in Hagenbecks Tierpark stattfanden.
Polizeipräsident Bruno Georges gründete die Abteilung für Verkehrserziehung
Zu Beginn gehörten auch noch der Verkehrsteufel, das Krokodil, Seppel und die Oma zu den Figuren der Puppenbühne, also alle Figuren, die von den Jahrmarkttheatern her bekannt waren. Im Laufe der Jahre aber entwickelte sich der Polizeiverkehrskasper zur Hauptfigur.
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Dank eines ständigen Austausches von Polizei und Pädagogen wurden die Stücke laufend weiterentwickelt. Gab es anfangs noch Strafen in Form von Klapsen, gingen die Verkehrserzieher dazu über, auf Angst als Mittel der Erziehung ganz zu verzichten.
Der Erfolg war verblüffend: Schon 1949, ein Jahr nach der Einführung des Verkehrskaspers, war die Zahl der Verkehrsopfer in Hamburg merklich gesunken. Lediglich neun tote Kinder wies die Unfallstatistik aus – und das, obwohl die Zahl der Neuzulassungen an Kraftfahrzeugen weiter zugenommen hatte.
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Für Polizeipräsident Bruno Georges war das Anlass genug, die Verkehrserziehung auszubauen. Weitere Polizeibeamte wurden zu Puppenspielern ausgebildet und ein zweites Team gegründet. 1951 feierte die Polizei bereits die 1000. Aufführung.
Der Verkehrskasper ist älter als das Grundgesetz und die „Tagesschau“
Inzwischen ist der Verkehrskasper 75 Jahre alt und damit älter als das Grundgesetz und die „Tagesschau“, und doch hat er – wie Hamburgs neuer Polizeipräsident Frank Schnabel findet – nichts an Bedeutung eingebüßt.
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Im Gegenteil. Verkehrserziehung sei aktueller denn je. „Der Verkehr wächst“, so Schnabel. Zuletzt habe die Zahl der Unfälle wieder leicht zugenommen, weil viele frisch zugezogene Kinder noch nicht so vertraut seien mit den Regeln. „Die Arbeit des Kaspers hört also nicht auf.“