Das „Fräulein vom Amt“ und die Geburtsstunde des Hamburger Telefonnetzes
Nicht jeder Hamburger ist gleich Feuer und Flamme für die neue Technik. Was? Es soll jetzt möglich sein, mit jemandem zu reden, der gar nicht anwesend ist? Viele an den Stammtischen in den Kneipen schütteln den Kopf, fragen sich: „Wat dat nu all weer sull?“ Nein, das setzt sich ganz bestimmt nicht durch. Davon sind sie überzeugt.
Aber dann ist er doch auf Anhieb ein großer Erfolg: dieser Fernsprechapparat. Eingeweiht wird das Hamburger Telefonnetz am 18. April 1881. Für den großen Tag ist eigens eine Leitung verlegt worden von der Redaktion des „Hamburgischen Correspondenten“ im Gebäude Alter Wall 26 zur nahegelegenen Börse.
Nicht jeder Hamburger ist gleich Feuer und Flamme für die neue Technik. Was? Es soll jetzt möglich sein, mit jemandem zu reden, der gar nicht anwesend ist? Viele an den Stammtischen in den Kneipen schütteln den Kopf, fragen sich: „Wat dat nu all weer sull?“ Nein, das setzt sich ganz bestimmt nicht durch. Davon sind sie überzeugt.
Aber dann ist er doch auf Anhieb ein großer Erfolg: dieser Fernsprechapparat. Eingeweiht wird das Hamburger Telefonnetz am 18. April 1881. Für den großen Tag ist eigens eine Leitung verlegt worden von der Redaktion des „Hamburgischen Correspondenten“ im Gebäude Alter Wall 26 zur nahegelegenen Börse.
Morgens um 8 Uhr sind viele Honoratioren und Journalisten zugegen, als der berühmte Bariton Eugen Gura das erste Telefonat führt. Überliefert ist, dass er singt. Und als seine wunderbare Stimme am anderen Ende gut zu vernehmen ist, verstummen auch die letzten Zweifler.

Alexander Graham Bell gewinnt das Rennen um das Telefon-Patent
Das Gerät, das Fernsprecher genannt wird, ist schon 20 Jahre zuvor erfunden worden. 1861 ist es der Physiklehrer Philipp Reis (1834-1874), der bei einer Vorführung vor Honoratioren des Physikalischen Vereins Frankfurt den Beweis antritt, dass sich mithilfe elektrischen Stroms Töne übertragen lassen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Zuhörer mehr als einige Worte verstanden haben. Denn mit dem Reis’schen Telefon ist Sprache nur bruchstückhaft und schwer verständlich übertragbar. Reis’ Zeitgenossen tun den Apparat deshalb als „physikalisches Spielzeug“ ab.

Dann konstruiert der schottische Gehörlosenlehrer Alexander Graham Bell (1847-1922) einen Fernsprechapparat, der wirklich brauchbar ist. Bell meldet seine Erfindung am 11. Februar 1876 in den USA beim Patentamt an – nur zwei Stunden übrigens bevor dort der Amerikaner Elisha Gray vorstellig wird, der ebenfalls einen solchen Apparat konstruiert hat. Bell und nicht Gray erhält am 7. März 1876 – also vor nunmehr 146 Jahren – das Patent.
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Noch im selben Jahr erkennt Generalpostmeister Heinrich von Stephan die Bedeutung dieser technischen Neuerung und lässt am 26. Oktober 1877 erste Fernsprechversuche zwischen dem Generalpostamt und dem zwei Kilometer entfernten Generaltelegrafenamt durchführen. Dieses Datum gilt heute als Geburtstag der Telefonie in Deutschland.

Es vergehen aber weitere drei Jahre, bis am 12. Januar 1881 der öffentliche Fernsprechverkehr beginnt. Als Erstes ist natürlich die Reichshauptstadt dran, allerdings zeigt sich, dass ausgerechnet dort das Interesse noch sehr verhalten ist. Nur acht Sprechstellen gibt es am Tag der Einweihung.
Zum Start des Telefonnetztes in Hamburg gibt es 1881 schon 206 Teilnehmer
In Hamburg dagegen ist das Publikum schon deutlich aufgeschlossener: Als es im April 1881 losgeht, sind vom ersten Tag an 206 Teilnehmer mit dabei – darunter so namhafte Firmen und Persönlichkeiten wie die Reedereien Laeisz und Hapag, der Bankier Berenberg oder der Schiffsmakler Robert M. Sloman.
Das Telefonieren ist anfangs noch kompliziert. Auf dem hölzernen Kasten an der Wand befindet sich ein Knopf. Wird der gedrückt, schießt Strom durch die Leitung, daraufhin fällt im Hamburger Fernsprechamt, das sich anfangs im Postamt an der Poststraße befindet, eine Klappe am sogenannten Fernsprechvermittlungsschrank herunter, woran der Beamte erkennt, dass jemand telefonieren will. Er fragt dann: „Hier Amt, was beliebt?“ und stellt schließlich die Verbindung her.

Die Mitarbeiter in der Vermittlungsstelle verrichten ihren Dienst anfangs im Stehen. Stühle werden in den Betriebsräumen nicht geduldet. Sogenannte Türposten zwischen den einzelnen Zimmern übermitteln durch lautes Zurufen die verlangten Verbindungen. Bis zu fünf Beamte sind zu dieser Zeit noch daran beteiligt, um eine einzige Verbindung herzustellen. Anfangs sind es ausschließlich Männer, die diese Aufgabe erfüllen. Später stellt die Post fest, dass sich die weibliche Stimme viel besser eignet, und es übernimmt das berühmte „Fräulein vom Amt“ diese Aufgabe.
In den Anfangsjahren des Telefons werden die Telefonleitungen zwischen der Telefonvermittlung und den Anschlüssen in den Haushalten oberirdisch verlegt. Auf den Dächern der Fernsprechämter entstehen riesige Ständerkonstruktionen, und bald sind es Hunderte von Telefondrähten, die dort angeschlossen sind. Irgendwann ist der Platz so eng, dass Hamburg und andere Städte dazu übergehen, die Kabel unter die Erde zu verlegen, so wie das heute noch üblich ist.

Anfangs sind die Telefonleitungen noch oberirdisch verlegt
1881 zahlt ein Fernsprechkunde eine jährliche Pauschalgebühr von 200 Mark – dafür muss ein Arbeiter damals vier Monate (!) schuften. Trotz des hohen Preises wächst die Nachfrage explosionsartig. Innerhalb von sechs Jahren verzehnfacht sich in Hamburg die Zahl der Anschlussinhaber.
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Auch die Möglichkeiten werden immer besser: Anfangs gibt es lediglich Ortsgespräche. Dann werden immerhin schon mal die Städte Altona, Wandsbek und Harburg, die ja noch selbstständig sind, ans Hamburger Telefonnetz angeschlossen. Ab 1884 ist die Telefonverbindung mit Lübeck fertig.

Als am 5. Februar 1887 dann auch die Leitung nach Bremen steht, gibt es eine Einweihungsfeier, bei der Generalpostmeister Heinrich von Stephan eine Rede hält. „Ich sehe die Zeit kommen, wo Sie sich mit den Geschäftsfreunden in Berlin, Kopenhagen und Amsterdam fernmündlich unterhalten werden, was ja unter anderem den Vorteil bietet, bei der großen Entfernung nicht gleich aneinanderzugeraten“, sagt er. Wie recht er doch hat!
Die dritte Fernleitung verbindet Hamburg mit der Reichshauptstadt. Sie ist im Juli 1887 fertig. Für sie wird nicht der herkömmliche Stahldraht verwendet, sondern drei Millimeter starker Bronzedraht, der den Vorzug hat, dass es bei Verbindungen über mehrere Vermittlungen nur zu geringeren Verständigungsschwierigkeiten kommt. Außerdem verbessern Kohlewalzenmikrofone den Ton. Im gleichen Jahr werden auch Fernleitungen nach Kiel und Hannover eingerichtet.
Das erste Auslandsgespräch führen Hamburger mit Kopenhagen
Die erste Fernsprechverbindung ins Ausland führt nach Kopenhagen, danach sind die Niederlande dran. 1899 sind bereits 54 Fernleitungen in Betrieb, auf denen täglich 1690 Gespräche abgewickelt werden. Zum Vergleich: Zwölf Jahre zuvor sind in Hamburg gerade mal 169 Telefongespräche pro Tag geführt worden. Ein dramatischer Zuwachs.

Weil die Nachfrage nach dem Telefon geradezu explodiert, wird 1888 auf einem Grundstück zwischen Mönkedamm und Altem Wall das Fernsprechamt I errichtet, in dem nach Fertigstellung mehr als 600 Mitarbeiter damit beschäftigt sind, Gespräche zu vermitteln – in erster Linie Frauen.
Aber nach wenigen Jahren reicht auch dieses Gebäude nicht mehr aus, deshalb erwirbt die Reichspostverwaltung 1901 ein 12.000 Quadratmeter großes Gelände an der Schlüterstraße im Grindelviertel. Zwischen 1902 und 1907 entsteht dort ein neues Fernmeldedienstgebäude im Stil der Backsteingotik. Es ist der ostpreußischen Marienburg nachempfunden.
Schlüterstraße im Grindelviertel: Das größte Fernsprechamt der Welt

So mittelalterlich die Fassade wirkt, so modern ist das Innenleben: Ziel ist es, den gesamten Fernsprechbetrieb der Großstadt Hamburg in einem einzigen Amt zusammenzufassen. Eine riesige Herausforderung. Um sie zu bewältigen, entsendet das Reichspostamt seinen erfahrensten Schaltungstechniker nach Hamburg. Unterirdisch werden 160 Kilometer Zementkanäle gebaut, in die rund 750 Kilometer Kabel eingezogen werden. Rund um die Uhr halten sich vier Feuerwehrleute im Gebäude auf, um die damals fast unersetzliche Technik vor Feuerschäden zu schützen.
Von 1906 bis 1909 ziehen nach und nach alle sieben Hamburger Fernsprechämter in das neue Gebäude. Die offizielle Inbetriebnahme des Fernsprechamtes mit 36.000 Fernsprechanschlüssen erfolgt am 10. Juli 1910 morgens um 7 Uhr. Das neue Fernsprechamt ist mit monatlich 1,4 Millionen Orts- und mehr als 310.000 Ferngesprächen damals das größte der Welt.
Ach ja, in dem wunderschönen Gebäude wird nicht nur Telefon-, sondern auch Rundfunk-Geschichte geschrieben: Am 2. Mai 1924 nimmt hier der erste norddeutsche Radiosender seinen Betrieb auf, die NORAG, ein Vorläufer des NDR. Aber das ist eine andere Story.

Geschichte des Telefons im Zeitraffer: Vom Fernsprecher zum iPhone
1914 Im Deutschen Reich gibt es fast 1,5 Millionen Fernsprecher.
1918 Aus fahrenden Zügen werden in Deutschland erste Mobiltelefone getestet.
1926 Bahnreisende können auf der Strecke Hamburg–Berlin aus dem Zug mobil telefonieren – aber nur in der 1. Klasse.

1932 In Hamburg ist bei Ortsgesprächen die Umstellung auf den Selbstwählverkehr abgeschlossen. Nicht mehr das „Fräulein vom Amt“ stellt die Verbindung her – das macht der Telefonkunde jetzt selbst per Wählscheibe. Bei Ferngesprächen beginnt die Umstellung erst in den 50er Jahren.
1956 Das „Fernsehtelefon“ wird in den USA entwickelt.
1958 Mit dem A-Netz nimmt das erste großflächige Mobilfunknetz in Deutschland seinen Betrieb auf. Genutzt wird es überwiegend über Autotelefone. Die Geräte wiegen ca. 16 Kilo und sind so groß, dass sie fast den kompletten Kofferraum eines Pkws ausfüllen.

1961 100 Jahre nach Erfindung des Telefons gibt es weltweit 142 Millionen Telefonanschlüsse, über die Hälfte davon (52 Prozent) in den USA.
1962 Der US-Nachrichtensatellit „Telstar“ ermöglicht auch erste Telefonate zwischen Amerika und Europa via Weltraum.
1963 Der Telefonapparat 61 (Farbe: Grau) kommt als Nachfolger des W 48 auf den Markt.
1970 Deutschland wird in den interkontinentalen Selbstwählverkehr aufgenommen; das Zielgebiet sind zunächst einige US-Staaten. 1972 ist der Selbstwählferndienst der Bundespost flächendeckend verfügbar.

1972 Den Telefonapparat 61 gibt es jetzt außer in Grau auch in vier weiteren Farben. Das B-Netz kommt: Man kann nun auch im Auto angerufen werden. Aber nur wenn der Aufenthaltsbereich (Vorwahl) des Fahrzeuges bekannt ist. Die Geräte sind nun etwa so groß wie ein Koffer.
1978 In Deutschland kommen erste Tastentelefone auf den Markt.
1980 In der Bundesrepublik gibt es 20 Millionen Hauptanschlüsse.
1983 Die Deutsche Bundespost führt bargeldlose Karten-Telefone ein.
1984 Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) präsentiert das erste schnurlose Telefon fürs Festnetz.

1989 Das Festnetz wird digital: offizieller Start des Integrated Services Digital Network (ISDN) in Deutschland.
1992 In Deutschland startet das erste digitale Mobilfunknetz. Die ersten Handys kosten bis zu 3200 Mark (rund 1640 Euro).
1995 Ein „Short Message Service“ ermöglicht SMS-Kurzmitteilungen.

1998 Der Markt für Telekommunikation wird am 1. Januar geöffnet, der Wettbewerb um Festnetzkunden beginnt.
1999 Im Juli schaltet die Telekom die ersten Digital-Subscriber-Line-Anschlüsse (DSL) für Privatkunden. Mit DSL lassen sich Sprache und Daten gleichzeitig übertragen.
2002 Mit einer Milliarde Handys sind weltweit erstmals mehr Mobiltelefone als Festanschlüsse in Betrieb.
2005 Weltweit gibt es mehr als zwei Milliarden Handy-Nutzer.
2007 T-Mobile verkauft in Deutschland exklusiv das iPhone.

2011 Mit Long Term Evolution (LTE) startet die neueste Generation des Mobilfunks. Außerdem beginnt die Telekom mit dem Ausbau ihres Glasfasernetzes, um ihren Kunden noch schnelleres Internet und digitales Entertainment ins Haus zu bringen.
2019 Mit 5G startet die fünfte Generation des Mobilfunks.