Anschlag auf Blohm+Voss: Um 6.32 Uhr explodierte die Bombe
Die Geschichte ist so spannend wie ein Thriller von John le Carré: Früh am Morgen schleichen sich zwei Männer auf die Werft Blohm+Voss. Sie sind bewaffnet mit Sprengstoff und Zündern, und exakt um 6.32 Uhr zerreißt eine gewaltige Explosion die Stille.
Die Geschichte ist so spannend wie ein Thriller von John le Carré: Früh am Morgen schleichen sich zwei Männer auf die Werft Blohm+Voss. Sie sind bewaffnet mit Sprengstoff und Zündern, und exakt um 6.32 Uhr zerreißt eine gewaltige Explosion die Stille.
Wir schreiben das Jahr 1969. Es ist die Zeit der Studentenproteste. Junge Menschen gehen auf die Straße, revoltieren gegen den Muff an den Unis, gegen den Vietnamkrieg, gegen den US-Imperialismus, gegen die Verlogenheit ihrer Eltern.

Der 29-jährige Uwe C.* und der 22-jährige Peter M.* finden: Demonstrieren allein reicht nicht. Die beiden entschließen sich, Gewalt anzuwenden, wollen ein Kriegsschiff versenken, das gerade bei B+V gebaut wird und das die portugiesische Armee gegen die Befreiungsbewegungen in ihren Kolonien einsetzen will.
Am 13. Oktober 1969 zünden sie die Bombe. Der Anschlag misslingt, die Korvette „Joao Coutinho“, der er gegolten hat, wird nur geringfügig beschädigt. Die beiden Täter – von der Polizei werden sie nie ermittelt.
Das Attentat diente zwei Schriftstellern als Aufhänger für einen Thriller
54 Jahre sind seitdem vergangen – jetzt haben zwei Schriftsteller den Fall zum Aufhänger genommen und einen spannenden Thriller drumherum gestrickt. Der in Südfrankreich lebende Jürgen Zichnowitz (72), gebürtig aus Neumünster, arbeitet für Wein- und Gourmet-Magazine, hat auch Reiseführer und Bildbände veröffentlicht. Sein Co-Autor Axel Pinck (75) ist ebenfalls bekannt als Reisebuchautor. An einen Roman hatten sich die beiden Alt-68er bislang noch nicht herangetraut. „Abgetaucht“ ist also ihr fiktionales Erstlingswerk. Ein lesenswertes Buch, das eindeutig autobiographische Züge trägt.

Im Roman heißen die beiden Attentäter Hans und Ole. Wie auch in der Realität werden sie für ihre Tat nicht zur Rechenschaft gezogen. Eine Zeitlang tauchen sie in Paris unter, kehren dann nach Hamburg zurück, wo sie auf eine völlig zerstrittene, sich in Richtungskämpfen aufreibende Linke treffen.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Studentenführer Karlo Roth und die Geheimoperation „Nordroute“
In diesem Roman geht es um Liebe, Sex und Politik
In dem Buch geht es um Sex, um Liebe und um Politik. Hans hat eine Affäre mit einer angolanischen Freiheitskämpferin, ist daneben aber auch mit Claudia zusammen und führt mit ihr eine komplizierte Beziehung. Claudia ist zwar ebenfalls links, aber im grünen Milieu unterwegs, während Hans sich zur traditionellen Linken zählt. Ob es nun um das Kernkraftwerk Brokdorf oder die Friedensbewegung geht – immer wieder streiten beide um die richtige Linie, was letztlich zur Trennung führt.
Der zweite Attentäter Ole ist privat und politisch lockerer und steckt damit nicht wie sein Kumpel Hans zwischen Baum und Borke. In Eppendorf beteiligt er sich 1976 an einer Hausbesetzung und erlebt 1980 auf dem Oktoberfest in München mit, wie ein Neonazi einen Sprengstoffanschlag verübt.
Der Rechtsextremismus und Rassismus greift in den 80er Jahren immer mehr um sich. Auch Rüdiger, der Ex von Claudia, der eben noch ultralinks war, wandelt sich plötzlich zum Neonazi. Außerdem lässt er sich vom Verfassungsschutz als V-Mann anwerben, und in dieser Eigenschaft plaudert er aus, wer 1969 hinter dem Anschlag auf das Kriegsschiff bei B+V steckte.
Die wahren Attentäter von 1969 erfreuen sich nach wie vor bester Gesundheit
Die Tat ist zwar verjährt, aber jetzt bekommen alle, die damals beteiligt waren, Schwierigkeiten. Hans beispielsweise verliert seinen Job, und die Bank verweigert ihm den Kredit für den Schritt in die Selbstständigkeit. Als Hans begreift, dass Rüdiger ihn verraten hat, will er sich rächen. Es kommt zum Kampf, der dann verhängnisvoll endet…

Übrigens: Der Lebensweg der Roman-Protagonisten ist reine Fiktion. Die beiden wahren Blohm+Voss-Attentäter erfreuen sich nach wie vor bester Gesundheit. Die MOPO hat vor zwei Jahren ein anonymisiertes Interview mit ihnen geführt, in dem sie erstmals detailliert ihre Beweggründe schilderten und davon erzählten, wie sie an den Sprengstoff kamen und ihre Tat vorbereiteten.
Die Romanautoren Zichnowitz und Pinck und die Attentäter – sie sind seit langem gute Freunde.
(*Namen geändert)