Als Gruner+Jahr die MOPO kaufte – und die Korken knallten
Nahezu zwei Dutzend Zeitschriften werden eingestellt und bis zu 700 Mitarbeiter verlieren ihren Job: Seit RTL den Hamburger Verlag Gruner+Jahr (G+J) 2021 gekauft hat, wurde mit dem Schlimmsten gerechnet. Es kam schlimmer. Das war aber mal ganz anders. Da träumte wohl jeder deutsche Journalist von einem Job bei dem Hamburger Traditionsverlag, und wir hier bei der MOPO konnten unser Glück kaum fassen, als G+J uns 1986 kaufte. Lesen Sie hier eine sehr persönliche Erinnerung eines Reporters, der 1977 direkt von der Schulbank zur MOPO wechselte.
Nahezu zwei Dutzend Zeitschriften werden eingestellt und bis zu 700 Mitarbeiter verlieren ihren Job: Seit RTL den Hamburger Verlag Gruner+Jahr (G+J) 2021 gekauft hat, wurde mit dem Schlimmsten gerechnet. Es kam schlimmer. Das war aber mal ganz anders. Da träumte wohl jeder deutsche Journalist von einem Job bei dem Hamburger Traditionsverlag, und wir hier bei der MOPO konnten unser Glück kaum fassen, als G+J uns 1986 kaufte. Lesen Sie hier eine sehr persönliche Erinnerung eines Reporters, der 1977 direkt von der Schulbank zur MOPO wechselte.
Unsicherheit gab es hier eigentlich von Anfang an. Bis 1980 befand sich die MOPO im Besitz der SPD, und die Sozis hatten irgendwie kein Händchen für Finanzen. So schlitterte die MOPO 1980 in die Pleite und die Einstellung der 1949 gegründeten ersten deutschen Boulevardzeitung war beschlossen.
Gebrüder Greif kauften die MOPO
In dieser Situation schlugen zwei Schweizer Verleger, die Gebrüder Greif, zu und kauften die MOPO. Die Redaktion zog vom ehrwürdigen Pressehaus am Speersort ins Kaufmannshaus an der Bleichenbrücke. Doch den etwas schrägen Greif-Brüdern ging bald das Geld aus. Ich war damals frei-fester Mitarbeiter und bekam Geld nur sporadisch. Konkret: Wenn Huren damals genügend Kontaktanzeigen bei uns aufgegeben und bar bezahlt hatten, schlug meine Stunde. Ich eilte dann zur Kasse, präsentierte meine Abrechnung und holte mir mit sanftem Druck ein paar große Scheine – nicht selten gegen den Widerstand der Buchhalterin, die erklärte, sie müsse doch noch Kaffee und Bier für die Redaktion kaufen.
Das also war die Situation, als uns im September 1986 diese Nachricht überraschte: Gruner+Jahr kauft die MOPO. Hinter der Übernahme stand G+J-Chef Gerd Schulte-Hillen (1940-2021). Der Verleger war sich auch nicht zu fein, einen Tag lang als Straßenverkäufer auf der Mö die MOPO anzubieten. Wir titelten an diesem 27. September 1986: „Zeitungskrieg!“ Schulte-Hillen hatte Springer mit seinem Zeitungsmonopol von „Abendblatt“ und „Bild“ im Visier. Die „Gegner“ reagierten mit der kostenlosen Verteilung ihrer Blätter und planten in Hamburg sogar eine neue Tageszeitung – alles um die MOPO in die Knie zu zwingen.

Doch mit dem Geld und dem Renommee von G+J konnte die MOPO reagieren. Angeblich 50 Millionen Mark (25 Millionen Euro) steckte der Großverlag vom Baumwall allein 1986 in diese Zeitung. Davon hatten wir alle etwas. Ich wurde als Schulabbrecher durch „Handauflegen“ zum Redakteur, durfte zweimal nach Costa Rica fliegen, um dort den entflohenen Kiez-König Ringo Klemm zu suchen. Der spätere NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement übernahm 1987 die Chefredaktion. Angesehene Publizisten wie Peter Scholl-Latour, Hanns Joachim Friedrichs oder Wolf Schneider schrieben für die MOPO, selbst „Stern“-Gründer Henri Nannen war hier plötzlich Autor.

Wir wähnten uns nach all den Jahren der Unsicherheit im Journalisten-Paradies. Doch Konzern-Mutter G+J zog zunehmend Geld von der MOPO ab. Nach der Wende 1989 gab es dann diverse MOPO-Neugründungen in Mecklenburg oder Sachsen. Man dachte ganz groß und wollte „Bild“ mit einer bundesweiten MOPO den Kampf ansagen. Gleichzeitig nutzte G+J die MOPO auch als „Durchlauferhitzer“ für junge Führungskräfte. So schickte uns Schulte-Hillen 1996 seinen ehemaligen Assistenten Mathias Döpfner, den heutigen Springer-Chef, als Chefredakteur. War vielleicht keine so gute Idee. Doch 1999 verlor der Großkonzern die Lust an der MOPO und verkaufte an Frank Otto und Hans Barlach.
Das könnte Sie auch interessieren: Das „Best-of“ der MOPO-Serie „Lost-Places“: Geheimnisvolle Orte im Norden zum Staunen
Nun also liegt der einst so stolze Verlag Gruner+Jahr in Trümmern. Die MOPO aber hat alle weiteren Krisen überstanden und unser Inhaber Arist von Harpe ist heute der einzige unabhängige Zeitungsverleger in der ehemaligen „Medien-Hauptstadt“ Hamburg.