Hilferufe, Knochenbrüche, Handy-Alarm: Hamburgs Blitzeis-Bilanz
Fußgänger, die zu Boden stürzen, Radfahrerinnen, die den Halt verlieren, Rollerfahrer, die wegrutschen – Ausnahmesituation auf Hamburgs Straßen am Montagmorgen. Die Feuerwehr schickte lärmende Alarmmeldungen auf Handys, Notaufnahmen verarzteten Knochenbrüche, Prellungen, Platzwunden. Hamburg zieht Blitzeis-Bilanz.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Fußgänger, die zu Boden stürzen, Radfahrerinnen, die den Halt verlieren, Rollerfahrer, die wegrutschen – Ausnahmesituation auf Hamburgs Straßen am Montagmorgen. Die Feuerwehr schickte lärmende Alarmmeldungen auf Handys, Notaufnahmen verarzteten Knochenbrüche, Prellungen, Platzwunden. Hamburg zieht Blitzeis-Bilanz.
238 Glatteis-Einsätze fuhr die Feuerwehr Hamburg in den Vormittagsstunden, sammelte verletzte Fußgänger und Radler ein. Immer wieder waren Hilferufe zu hören, berichten Passanten. Alle Rettungswagen, die irgendwie aufzutreiben waren, von Feuerwehren oder privaten Dienstleistern, waren im Dauereinsatz. In der Turnhalle an der Budapester Straße (St. Pauli) wurden eine zentrale Sichtungsstelle für chirurgische Notfälle und eine Anlaufstelle für Rettungswagen aus dem Stadtgebiet eingerichtet. Von hier aus wurde entschieden, in welches Krankenhaus die Verletzten weiterbefördert werden sollen. Zur Not hätte dort sogar eine Art „Pufferstation“ entstehen können, in der die Menschen bis zum Weitertransport hätten versorgt werden können.
Während halb Hamburg zur Arbeit schlitterte und glitschte, richtete die Feuerwehr einen dramatischen Appell an die Bevölkerung: „Unsere dringende Bitte: Bleiben Sie drinnen und wählen Sie den Notruf 112 nur bei lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen.“ Gegen 10.20 Uhr gaben viele Handys einen Alarmton von sich: Über das Modulare Warnsystem MoWas und die WarnApps NINA und KatWarn wurde vor extremer Glätte gewarnt.
Zahlreiche Glätte-Unfälle auf Hamburgs Straßen
Hochbetrieb auch bei der Polizei: Zwischen 5 und 15 Uhr wurden mehr als 200 Verkehrsunfälle gemeldet: „Das ist ein deutliches Mehr im Vergleich zu einem normalen Werktag“, so ein Sprecher zur MOPO: „In knapp 30 Fällen handelte es sich um Unfälle mit verletzten Personen.“
In Heimfeld kam es zu einem skurrilen Crash, glücklicherweise ohne Verletzte: Auf der Straße Haselhain rutschte ein Streufahrzeug auf der glatten Fahrbahn gegen ein geparktes Auto. Als wenig später eine Streifenwagenbesatzung den Unfall aufnehmen wollte, verlor der Beamte am Steuer ebenfalls die Kontrolle und krachte gegen denselben Wagen.
Schon am Wochenende war vor Blitzeis im Berufsverkehr am Montagmorgen gewarnt worden: Der Boden war durch tagelangen Dauerfrost gefroren – und nun zog ein Regengebiet auf. Die Folge: Während die Hauptverkehrsstraßen und Bushaltestellen seit den frühen Morgenstunden gestreut wurden (620 Kräfte der Stadtreinigung waren im Einsatz!), sahen viele Gehwege, besonders vor Privathäusern, aus, wie mit einer Glasschicht überzogen.
Glätte-Unfälle: UKE meldet viele Verletzte
Folge der spiegelblanken Rutschbahnen: Das UKE meldet am Montagnachmittag mehr als 60 unfallchirurgische Patienten und Patientinnen nach Glatteisunfällen. Die meisten Frauen und Männer seien zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, als sie ausrutschten und Prellungen, Knochenbrüche oder Kopfplatzwunden erlitten. Weitere Verletzte werden erwartet: „Wir rechnen über den Tag mit weiteren verunfallten Patient:innen, die sowohl durch Krankentransporte in die Zentrale Notaufnahme des UKE kommen als auch selbstständig nach einem Sturz, wenn sie später realisieren, dass sie eine doch ernsthaftere Verletzung haben als vorerst gedacht“, so eine UKE-Sprecherin. Besonders häufig mussten geprellte und gebrochene Sprunggelenke, Verletzungen am Steiß und an den Unterarmen versorgt werden.
Und UKE-Klinikdirektor Stefan Kluge twitterte zu den Warnungen der Feuerwehr am Montagmittag: „Dadurch bedingt sehr viele Patienten mit Sturzverletzungen in der Notaufnahme. Die Herausforderungen in Rettungsdienst und Krankenhaus werden nicht weniger…“.
Auch in Schleswig-Holstein waren die Rettungsdienste pausenlos im Einsatz. In Lübeck zählte die Polizei nach Angaben eines Sprechers bis zum Vormittag sechs Unfälle. An der Autobahnabfahrt Lübeck Zentrum rutschten zwei Fahrzeuge ineinander, dabei wurde eine Person nach Polizeiangaben leicht verletzt. Außerdem seien sechs Fußgänger und ein E-Scooter-Fahrer gestürzt, sagte ein Polizeisprecher.
Das könnte Sie auch interessieren: Glatteis in Hamburg: Dieses Verhalten ist geradezu kriminell
In Niebüll im Kreis Nordfriesland stellte das Busunternehmen Autokraft am Morgen den Verkehr auf einigen Streckenabschnitten vorübergehend ein. Einige Busfahrer hätten sich am frühen Morgen festgefahren, sagte ein Sprecher.
Blitzeis bremst Fernzüge der Bahn aus
Am frühen Morgen bremste der Eisregen die Deutsche Bahn im Norden aus, auch in Hamburg kamen Züge verspätet an. „Die Begrenzung der Geschwindigkeit wurde wieder zurückgezogen. Fernverkehrszüge können mit voller Geschwindigkeit fahren“, twitterte die Bahn jedoch bereits am Vormittag.
Ab dem Mittag entspannte sich die Lage im ganzen Stadtgebiet deutlich. Es regnete zwar weiter, aber der gefrorene Boden war inzwischen getaut und statt zu stürzen, wurden Fußgänger und Radler nur noch nass. Mit Minustemperaturen ist in den kommenden Tagen nicht mehr zu rechnen.