Hilfe, unser Haus wird für die Autobahn abgerissen
Häuser, die für den Bau einer Straße abgerissen werden müssen? Das gab es in Hamburg schon sehr lange nicht mehr. Doch für den Bau der A26 Ost durch den Hafen ist das jetzt geplant. Auch Gräber müssen umgebettet werden. Oliver Bauer (51) lebt seit seiner Kindheit in Wilhelmsburg, ebenso seine Frau. Auch ihre Söhne sind dort geboren. Jetzt sollen ihr Zuhause und das von weiteren Familien abgerissen werden.
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Häuser, die für den Bau einer Straße abgerissen werden müssen? Das gab es in Hamburg schon sehr lange nicht mehr. Doch für den Bau der A26 Ost durch den Hafen ist das jetzt geplant. Auch Gräber müssen umgebettet werden. Oliver Bauer (51) lebt seit seiner Kindheit in Wilhelmsburg, ebenso seine Frau. Auch ihre Söhne sind dort geboren. Jetzt sollen ihr Zuhause und das von zwölf weiteren Familien abgerissen werden.
Die Stimmung im Katenweg in Wilhelmsburg ist gedrückt. Ein Teil der betroffenen Anwohner ist bereits ausgezogen, viele Rollläden sind runtergelassen, nackte Fenster ohne Gardinen, an den Briefkästen keine Namensschilder mehr. In einem Garten steht bereits ein großer Bagger und ein fetter Kabelschacht wurde entlang des Grundstücks hin zur Bahnstrecke installiert. Vorbereitungen für den Bau der A26 Ost. Die eigentlichen Arbeiten starten erst 2025 – wenn sie nicht durch die angekündigte Klage der Umweltverbände gestoppt werden.
A26 Ost: In Wilhelmsburg werden zwölf Häuser abgerissen
„Ich fühle mich wie einer der letzten Siedler hier in diesem Abschnitt des Katenwegs“, sagt Oliver Bauer. Der Software-Spezialist wohnt mit seiner Frau Sandra und den beiden Söhnen Nico und Tim (21 und 12 Jahre) in einem der letzten Häuser, die noch nicht von den Autobahn-Planern aufgekauft wurden. Der ältere Sohn zieht gerade aus. Bauer zögert, will eigentlich gar nicht weg. „Ich habe seit Jahren schlaflose Nächte“, berichtet der 51-Jährige. Die Nachbarschaft sei mittlerweile zerstört, alle hätten sich zurückgezogen oder seien bereits weg. „Das ist alles sehr beängstigend.“
Ein Umzug wäre für die Familie mit hohen Kosten verbunden. „Für das angebotene Geld bekommen wir einfach heute nichts Vergleichbares“, resümiert Bauer. Das Doppelhaus der Bauers steht zudem auf einem Pachtgrundstück der Stadt, sie würden nur Geld fürs Gebäude bekommen. „Etwas Adäquates hier in Hamburg wäre 150.000 bis 200.000 Euro teurer.“ Sie müssten notgedrungen weit ins Umland ziehen, er und seine Frau arbeiten aber beide in Hamburg und der Sohn geht in Wilhelmsburg zur Schule.
Laut der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH), die die Arbeiten plant, müssen zwölf Doppelhaushälften für den Autobahnbau weichen – und zwar alle in Wilhelmsburg im Katenweg, den die Strecke durchkreuzt. „Wir haben sieben von benötigten zwölf unmittelbar am geplanten Tunnel gelegenen Doppelhaushälften erworben. Der Abriss ist frühestens nach bestandskräftigem Baurecht vorgesehen, also nicht vor 2025“, so Deges-Sprecher Ulf Evert. Einige Eigentümer wie Bauer sind noch nicht zum Verkauf bereit. Dazu gehören auch seine Schwiegereltern, die Tür an Tür mit seiner Familie im Doppelhaus wohnen.
Wilhelmsburg: A26 verläuft in Tunnel unter Bahngleisen
Auch Anwohner des Katenwegs, die etwas weiter weg wohnen und die nicht aus ihren Häusern müssen, machen sich Sorgen. Denn die Baumaßnahme wird gigantisch. Die Autobahn quert den Katenweg unterirdisch in einem Tunnel, der nicht gebohrt, sondern offen gebuddelt wird. An die 30 Meter tief werden die Schächte. Vor den Rammarbeiten für die Spundwände haben viele Hausbesitzer Angst. Zudem werden die Menschen über viele Jahre auf einer großen Baustelle wohnen.
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Die Naturschutzverbände BUND und Nabu haben bereits Klagen gegen den Bau der Hafenquerung angekündigt. Aber für Oliver Bauer und seine Familie stellt sich die Frage, ob sie das abwarten können, oder ob die Entscheidung vor Gericht erst fällt, wenn sie ausgezogen sind und ihr Haus abgerissen ist. Es gibt auch kritische Stimmen aus Berlin, die prophezeien, dass der Bund der Stadt Hamburg nicht zwei Hafenquerungen bezahlen werde – A26 Ost und die neue Köhlbrandquerung. Aber auch da ist ungewiss, was weiter passiert.
Die A26 Ost soll die Autobahnen A7 und A1 verbinden. Die nur knapp zehn Kilometer lange Strecke durch den Hafen besteht fast nur aus Ingenieurbauwerken wie Brücken, Tunneln, Deckeln, Kreuzen, kostet nach aktuellen Planungen mittlerweile 2,28 Milliarden Euro und soll 2033 fertiggestellt sein. Das Geld für den Autobahnbau kommt aus Berlin. Betroffen sind die Stadtteile Moorburg und Wilhelmsburg.