x
x
x
Anika Sievers und Thomas Willner (M.) forschen an der HAW zu E-Fuels. Thorsten Dunker (r.), Geschäftsführer von Nexxoil, ist Kooperationspartner.
  • Anika Sievers und Thomas Willner (M.) forschen an der HAW zu E-Fuels. Thorsten Dunker (r.), Geschäftsführer von Nexxoil, ist Kooperationspartner.
  • Foto: dpa/Georg Wendt

Hier machen Hamburger Forscher „E-Fuels“ aus Abfällen

Wie kann der motorisierte Verkehr umwelt- und klimafreundlicher werden? Hamburger Verfahrenstechniker:innen sehen die Lösung in einem künstlichen Kraftstoff, den sie aus Abfällen herstellen. Ihre Anlage braucht Strom – nutzt die Energie aber effizienter als E-Autos.

Mit Kraftstoffen aus Abfällen das Klima schonen – das ist das Projekt von Forscher:innen der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg-Bergedorf. In einer Pilotanlage stellen sie Bio-Rohöl und künstlichen Diesel aus Altspeisefetten her. Mit dem klimaneutralen Kraftstoff könnten ohne weiteres herkömmliche Autos und Lastwagen betankt werden, sagt Projektleiter Prof. Thomas Willner.

Hamburg: HAW macht Kraftstoff aus altem Speisefett

Für die Herstellung von einem Liter Kraftstoff benötige die Anlage eine Kilowattstunde Strom. Um ein Auto 100 Kilometer weit fahren zu lassen, seien also rund fünf Kilowattstunden Strom nötig. Ein Elektroauto verbrauche dagegen auf dieser Strecke etwa 15 Kilowattstunden, sagt Willners Kollegin Prof. Anika Sievers.

Künstliche Kraftstoffe sind keine neue Idee. Der finnische Konzern Neste produziert hydriertes Pflanzenöl („Hydrotreated Vegetable Oil“/HVO) bereits in großen Raffinerien in Rotterdam, Singapur und im finnischen Porvoo. Bis 2025 könnten nach Branchenschätzungen 30 Millionen Tonnen pro Jahr produziert werden, sagt Willner. Das Besondere an seinem Projekt READi-PtL (Reactive Distillation Power to Liquid – Reaktivdestillation Energie zu Flüssigkeit) ist die Effizienz: Eine Anlage zur Produktion von einigen Tausend Tonnen Kraftstoff könne direkt neben einem Entsorgungsbetrieb aufgebaut werden und wirtschaftlich arbeiten.

Das könnte Sie auch interessieren: Wie Hamburg zum Handelszentrum für Wasserstoff und E-Fuels werden will

Tatsächlich ist das bereits geplant. Die Hamburger Firma Nexxoil will eine erste Produktionsstätte bis Ende des Jahres im Raum Hamburg bauen, eine zweite nächstes Jahr in Bayern, wie Geschäftsführer Thorsten Dunker sagt. Ein weiterer Kooperationspartner des HAW-Projekts ist das schleswig-holsteinische Entsorgungsunternehmen KBS (Krebs Brüggen Sekundärrohstoffe/Großenaspe). Es liefert zurzeit die Altfette, aus denen Willner und Sievers etwa zwei Tonnen Kraftstoff pro Woche herstellen.

Glasflaschen mit Altfett, CVO und Diesel aus Altfett stehen im Technikum im Bereich Verfahrenstechnik am Campus Life Sciences der HAW. dpa/Georg Wendt
Glasflaschen mit Altfett, CVO und Diesel aus Altfett stehen im Technikum im Bereich Verfahrenstechnik am Campus Life Sciences der HAW.
Glasflaschen mit Altfett, CVO und Diesel aus Altfett im HAW-Technikum, Bereich Verfahrenstechnik

In der Werkhalle auf dem Bergedorfer Campus stehen mehrere große Kunststoffbehälter, etwa einen Meter hoch. Sie enthalten altes Speisefett aus der Mensa der Hochschule. In einem Tank der Anlage wird es vorgewärmt und gut durchgerührt („homogenisiert“). Das flüssige Fett wird in einen Reaktor gepumpt. Das zylinderartige Gerät, etwa anderthalb Meter groß, ist in einem Container darüber montiert.

E-Fuels: So wird aus alten Fett neuer Kraftstoff

Bei einer Temperatur von 350 bis 400 Grad werden die relativ großen Kohlenwasserstoff-Moleküle des Fetts „gecrackt“, also aufgebrochen, erläutert Sievers. Schließlich verdampfen die Moleküle und werden in einem Kondensator wieder abgekühlt. In einer ersten Stufe entsteht das Bio-Rohöl (Cracked Vegetable Oil – CVO), in einer zweiten Stufe werden Grundstoffe erzeugt, die in der chemischen Industrie genutzt werden können. Allerdings müssen die Moleküle vorher „designed“ werden, sagt Willner. Das machen die Forscher:innen, indem sie Wasserstoff hinzugeben.

Nebenbei bilden sich im Reaktor Gase wie Methan, Ethan und Propan, die künftig zum Erwärmen der Anlage genutzt werden sollen. „Der Prozess könnte autark laufen“, sagt Willner. Übrig bleibt eine Art von Kohle, die als Bodenverbesserer in die Erde eingebracht werden könne und damit CO2 langfristig binde. Außerdem bleibe Abwasser zurück, aus dem noch Biogas gewonnen werden könne. Künftig wollen die Hamburger Verfahrenstechniker:innen Plastikabfälle als Rohstoff für ihren klimaneutralen Erdölersatz nutzen.

Das könnte Sie auch interessieren: EU beschließt weitgehendes Verbrenner-Aus – aber mit kleiner FDP-Klausel

Sogenannte E-Fuels können auch auf eine andere Art aus Synthesegas hergestellt werden. Bei diesem Verfahren wird Kohlendioxid aus der Luft genutzt, um ein Gasgemisch aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff zur Weiterverarbeitung zu gewinnen.

Forscher:innen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) nutzen die sogenannte Fischer-Tropsch-Synthese zur Produktion von E-Fuels. Kritiker:innen von E-Fuels bemängeln allerdings den hohen Strombedarf des Verfahrens. Doch nach Ansicht von Willner ist dieser Weg dennoch sinnvoll: etwa in Ländern mit hohem Überschuss an Solarenergie wie Saudi-Arabien.

Hamburger Professorin: „Verbrenner noch lange da“

Greenpeace warf Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) kürzlich vor, er und seine Partei weckten „mit ihren E-Fuels-Märchen falsche Hoffnungen mit fatalen Folgen für Industrie und Klima“. Sievers sagt dagegen: „Verbrenner werden noch lange da sein.“ Es gehe darum, alle Fahrzeuge am Klimaschutz zu beteiligen. Die Professorin ist überzeugt: „Das könnten wir durch den Kraftstoff, den wir hier produzieren, unmittelbar erreichen.“

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank zeigte sich bei der offiziellen Eröffnung der Anlage im vergangenen Februar begeistert: „Nachhaltige Kraftstoffe sind ein wichtiger Baustein, um zukünftig von fossilen Brennstoffen unabhängig zu werden“, sagte die Grünen-Politikerin. (dpa/mp)

Email
Share on facebook
Share on twitter
Share on whatsapp