Hamburgs Top-Virologe: Warum es jetzt viel Grund zur Hoffnung gibt
Galoppierende Inzidenzen, Schulen, Kitas, Polizei und Feuerwehr leiden unter massenhaften Krankmeldungen – wann haben wir das Schlimmste überstanden? Die MOPO sprach mit Hamburgs Top-Virologen Prof. Jonas Schmidt-Chanasit über den drohenden Personalkollaps, warum er FFP2-Masken nicht für alle empfiehlt und was er als Familienvater zur Maskenpflicht beim Sportunterricht sagt.
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Galoppierende Inzidenzen, Schulen, Kitas, Polizei und Feuerwehr leiden unter massenhaften Krankmeldungen – wann haben wir das Schlimmste überstanden? Die MOPO sprach mit Hamburgs Top-Virologen Prof. Jonas Schmidt-Chanasit über den drohenden Personalkollaps, warum er FFP2-Masken nicht für alle empfiehlt und was er als Familienvater zur Maskenpflicht beim Sportunterricht sagt.
Die Inzidenz in Hamburg ist auf dem höchsten Stand seit Beginn der Pandemie. Herr Schmidt-Chanasit, wann verliert Corona endlich seinen Schrecken?
Wir sehen, dass sich die Melde-Inzidenz in der Omikron-Welle sehr stark von den Neuaufnahmen auf den Intensivstationen entkoppelt hat, auch in vielen anderen Ländern. Wenn die Melde-Inzidenz aber zu hoch ist, würden natürlich auch die verhältnismäßig wenigen schweren Fälle zu einer Überlastung führen.
Wann könnte die aktuelle Welle ihren Höhepunkt erreicht haben?
Die Dynamik hat sich bisher zum Beispiel in Bremen deutlich verlangsamt. Das könnte auf das Erreichen des Scheitelpunkts der Melde-Inzidenz hindeuten. In Hamburg ist die Dynamik noch vorhanden. Die nächsten ein bis zwei Wochen werden entscheidend sein, um den Verlauf dieser Welle zu beurteilen. Momentan gehe ich davon aus, dass wir in den nächsten ein bis zwei Monaten aber damit durch sind. Dann sollten wir diskutieren, wie es weitergeht und ob die Phase der Endemie erreicht ist.
Was würde passieren, wenn die Inzidenzen auch in den nächsten Wochen weiter steigen?
Dann muss man sich anschauen, wie es sich auf die Hospitalisierung ausgewirkt hat und ob es eine Überlastungssituation gibt oder nicht.
Einen weiteren Lockdown hält Hamburgs Regierung aktuell nicht für nötig. Wie sehen Sie das aus wissenschaftlicher Perspektive?
Das würde ich auch so sehen. Man muss eben auf die Hospitalisierungen schauen und nicht nur auf die Melde-Inzidenz.
Besonders in Kitas und Schulen stecken sich derzeit viele Kinder, Jugendliche und Mitarbeitende an. Wie sinnvoll ist es, diese beiden Bereiche weiterhin offen zu halten?
Es wird in fast keinem anderen Bereich so viel getestet wie in Kitas und Schulen. Das heißt, man leuchtet dort die Dunkelziffer viel mehr aus als in den anderen Altersgruppen. Deshalb hat man den Eindruck, dass das Infektionsgeschehen dort größer wäre. Die Kinderärzte sehen aber keine starke Zunahme der Hospitalisierungen aufgrund einer COVID-Erkrankung und das ist das Entscheidende. In den Hamburger Schulen ist entsprechend den wissenschaftlichen Leitlinien viel getan worden, um den Schulbetrieb zu sichern.
Viele Eltern fragen sich vor allem, ob eine Maskenpflicht im Sportunterricht wirklich sinnvoll ist…
Aus virologischer Sicht können Masken das Übertragungsrisiko reduzieren, aber auch ich sehe als Familienvater Schwierigkeiten in der Umsetzung dieser Maßnahme.
Auch über die FFP2-Maskenpflicht im HVV wird diskutiert. Macht die aus wissenschaftlicher Perspektive Sinn?
Da gibt es die klaren Empfehlungen der zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften: Es wird nicht empfohlen, FFP2-Masken auf Bevölkerungsebene einzusetzen. Dafür werden viele wichtige Gründe aufgeführt. Zum einen ist der richtige Sitz der FFP2-Maske ganz entscheidend für die Wirksamkeit. Z.B. müsste sich jeder Bartträger erst einmal rasieren, damit die Masken auch dicht abschließt. Auf der anderen Seite gibt es nur wenige Situationen in Innenbereichen, wo die Aerosolbelastung eine FFP2-Maske erforderlich macht. Deshalb gibt es die Verpflichtung zum Tragen von FFP2-Masken auf Bevölkerungsebene in fast keinem anderen Land der Welt.
Einige Anzeichen sprechen derzeit für einen nahenden Personalkollaps in Kliniken und Wirtschaft, kann das noch abgewendet werden oder müssen wir jetzt da durch?
Ich hoffe, dass es abgewendet werden kann. Man muss dann eben alle Möglichkeiten nutzen, wie Quarantäneverkürzungen und regelmäßige Tests bei Kontaktpersonen, damit diese trotzdem weiterarbeiten können.
Nächste Woche diskutiert der Bundestag über eine Impfpflicht. Was halten Sie von der Debatte?
Es ist wichtig, diese Diskussion in der Gesellschaft zu führen. Ich als Arzt wünsche mir natürlich, dass sich möglichst viele Menschen nach der STIKO-Empfehlung impfen lassen. Eine mögliche Impfpflicht käme aber nach der Omikron-Welle zu spät. Das hätte man schon vor einem Jahr diskutieren müssen.
Die Booster-Impfung bietet aktuell den höchsten Schutz vor Omikron, davor benötigte man nur zwei Impfungen. Viele Menschen fragen sich, wie viele Impfungen kommen da noch auf mich zu?
Mehr als drei Impfungen sind für die meisten Menschen nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht sinnvoll. Mit drei Impfungen hat man eine ausreichende Grundimmunisierung. Für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wird es wahrscheinlich noch weitere Impfungen in der Zukunft geben.
Könnte nach Omikron noch mal eine Variante auftauchen, die alles Bisherige in den Schatten stellt?
Das ist sehr unwahrscheinlich.
Das Interview führte Ann-Christin Busch