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Blick auf Hamburg mit der Elbphilharmonie (l.) und dem Michel.
  • Blick auf Hamburg mit der Elbphilharmonie (l.) und den Michel.
  • Foto: Axel Heimken/dpa 

Heimat – was bedeutet das für Hamburger?

Eine ungewöhnliche Ausstellung gibt es im Museum für Kunst und Gewerbe: Sie beschäftigt sich mit Heimat (ist noch bis zum 9. Januar zu sehen). Nur wenige Begriffe sind emotional so aufgeladen, politisch wie kommerziell so instrumentalisiert, sentimental so besetzt und so subjektiv wie Heimat. Die eine, für alle Menschen gleichermaßen gültige Definition gibt es nicht. Schon deshalb trägt die Ausstellung den Titel „Heimaten“ – ein Plural, der im alltäglichen Sprachgebrauch noch ungewohnt, aber, wie die Ausstellungsmacher finden, dringend notwendig ist. MOPO-Chefreporter Olaf Wunder nahm die Ausstellung zum Anlass, die Leser zu fragen: „Was ist eigentlich für Sie Heimat?“ Es gab interessante Antworten.

„Ich habe viele tolle Städte gesehen — aber Heimat, das sind Altona und Eimsbüttel“

In Hamburg gleich neben dem Hauptbahnhof in der Spaldingstraße bin ich geboren. Von dort stammen auch meine allerersten Erinnerungen. Oma hatte auf dem Hamburger Obst- und Gemüsegroßmarkt einen Stand. Und ich spielte da in einem großen Schließkorb mit ‘ner ollen Eisenstange Straßenbahnfahrer, der gerade ‘ne Weiche umstellt!

Dann wurde mein Vater, ein strammer Nazi, nach Berlin versetzt. Wir wohnten da am Schiffbauerdamm. Meine wichtigste Erinnerung: Ich war schon so vernünftig, dass ich allein in den Luftschutzkeller gehen konnte, wenn es Flieger-Alarm gab! Heimat? Nee, da kam bei mir nix auf!

Dann folgte eine Evakuierung nach Polen. Nun war auch meine Oma wieder bei uns. 1944 wurde dort meine kleine Schwester geboren, die aber bereits nach ein paar Wochen leider wieder verstarb. Einen Tag nach Weihnachten 1944 nahmen uns die letzten deutschen Soldaten mit auf die Flucht nach Westen. Heimatliche Gefühle? Nee, kamen dort auch nicht auf!

Ende Februar 1945 landeten wir in Weiden/Oberpfalz, wurden dort bei einer Frau einquartiert. Als die Amis kamen, mussten wir uns im Wald verstecken und dann hatten wir Frieden. Immerhin erlebten wir da einen schönen Sommer. Aber heimatliche Gefühle? Nee.

Als „Buten-Hamburger“ wurden wir im November 1945 im Güterzug zurück nach Hamburg „verfrachtet“ und in einem Wohnlager untergebracht, nicht weit entfernt von da, wo heute die MOPO-Redaktion ist.

Ostern 1946 wurde ich in der Barnerstraße eingeschult. An ein Fach erinnere ich mich sehr gern: „Heimatkunde“! Da hörte ich den Begriff „Heimat“ zum ersten Mal. Und alles, was ich seit diesem Zeitpunkt bis zum Herbst 1949 dort lernte und erlebte, wurde von mir immer in dem geistigen Ordner „Heimat“ abgelegt! Mein erstes Bad in einem Freiwasser fand in der Elbe bei Neumühlen statt: Heimat! Meine ersten Fahrten mit Straßenbahn – Linie 31 – und S-Bahn: ab und bis Hamburg-Altona: Heimat!

Dann bekamen wir unsere erste „Wohnung“, in die heute niemand mehr einziehen würde – in Hamburg 13, nahe der Hallerstraße. Gleich nebenan die Baustelle der Grindelhochhäuser. Das war jahrelang der größte „Abenteuer-Spielplatz“ unserer Stadt. Dort bauten wir Höhlen, bildeten Banden, schipperten im Sommer mit Flößen auf dem nicht abfließenden Wasser der Kellergruften. Und im Winter liefen wir auf dem Eis Schlittschuh! Das war unsere Heimat!

1967 lernte ich eine herzallerliebste Hamburgerin kennen. 1968 heirateten wir und gründeten unseren ersten Haushalt in Hamburg-Altona. Später zogen wir um nach Hamburg-Eidelstedt, wo heute immer noch unsere Heimat ist!

Wenn ich das nun alles so lese, stelle ich fest, dass das ja alles im Bereich rechts der Alster liegt. Siehste, wieder ‘ne neue Erkenntnis: Meine engere Heimat sind Hamburg-Altona und Hamburg-Eimsbüttel.

Wir beide waren im Laufe vieler Jahre in sooo vielen anderen tollen Städten: Berlin, Kopenhagen, Stockholm, London, Dublin, Barcelona, Luzern, Madrid, New York, Melbourne, Wien, Istanbul, na und so weiter. Überall hat es uns bei diesen Besuchen gut gefallen. Und sehr oft haben wir uns dort gefragt: „Wollen wir zu Hause alles verglitschen und hierherziehen?“ Und immer lautete unsere Antwort: „Nee, lass uns man lieber wieder nach Hause fahren, dort ist unsere Heimat!“

Hans-Uwe Seib (82)

„Aachen ist Heimat, Hamburg ist mein Zuhause“

Ich habe mich auch schon sehr oft gefragt, wie man den Begriff „Heimat“ am besten definieren könnte, und bin dann irgendwann zu dem für mich zufriedenstellenden Erkenntnis gekommen, dass die Heimat da ist, wo ich herkomme. Da, wo ich geboren bin (Aachen), wo ich eine herrliche Kindheit verbracht habe, wo ich zur Schule gegangen bin und meine Ausbildung zur Physiotherapeutin gemacht habe! Und meinen Mann habe ich auch in meiner Heimat kennengelernt!

Ab dem Zeitpunkt, wo ich meine Heimat aber verlassen habe, gibt es nur noch das Zuhause für mich. Das ist seit 1999/2000 Hamburg bzw. der Kreis Pinneberg.

Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass mein Herz sowohl für meine Heimat als auch für mein Zuhause schlägt!

Tatjana Bürck (52)

„Ich wollte nie aus Hamburg weg!“

Für mich gibt es nur eine Heimat, und das ist Hamburg. 1948 hier geboren und aufgewachsen, gearbeitet, geheiratet, Witwe geworden. Ich wollte nie aus Hamburg weg, und dabei ist es geblieben.

Gisela Neudahl (74)

„Wo ist meine Heimat? Das kann ich nicht in zwei Sätzen beantworten“

Tatsächlich ist es eine Frage, die mich seit meiner Jugend beschäftigt. Wo ist meine Heimat? Ich könnte diese Frage nicht in zwei Sätzen beantworten. Wenn mich jemand fragt „Bist du eher deutsch oder türkisch?“, antworte ich: Beides!

Mein Vater ist als Tischlermeister als einer der ersten Gastarbeiter aus der Türkei gekommen und ich bin hier geboren. Meine Eltern haben sich gut integriert. Mein Vater war von Deutschland begeistert. Lange habe ich keine Unterschiede zwischen deutschen und türkischen Menschen gesehen. Es gibt überall gute und schlechte Menschen, so dachte ich als Kind und hatte deutsche und türkische Freunde.

Dass ich für Deutsche eine Ausländerin war, habe ich erst als Teenager gemerkt und es hat mich hart getroffen. Da musste ich zur Ausländerbehörde, um an der Ski-Klassenfahrt nach Österreich teilnehmen zu dürfen. Ehrlich gesagt: Ich war schockiert, dass in meinem Pass „Aufenthaltsgenehmigung“ stand. Warum habe ich in meiner Heimat nur eine Aufenthaltsgenehmigung? Und kann sich das ändern? Ich hatte schon mal gelesen, dass Asylanten abgeschoben werden. Und könnte mir das auch passieren?

Kurz nach der Wende, als ich mich noch in meiner Naivität mit den Ostdeutschen freute, dass die jetzt auch zu „uns“ reisen durften, wurde ich auf dem Kennedy-Spielplatz in Harburg von einem Skinhead in Springerstiefeln angesprochen: „Wir Ossis werden dafür sorgen, dass mit euch Türken das passiert, was schon mit den Juden passiert ist. Dann wird Deutschland wieder den Deutschen gehören wie früher bei Hitler.“ Sagte er und gab meiner Schaukel einen gruseligen Anschwung.

Ich hatte keine Ahnung, wer Juden oder Hitler waren, aber ich ahnte schon, dass es mir nicht gefallen wird.

Kurz danach machte meine Schulklasse einen Ausflug ins Kino: Wir wollten uns „Schindlers Liste“ ansehen. Ich war geschockt. Ich habe mich gefragt: „Warum haben das Deutsche mit den Juden gemacht und warum wollen die das jetzt mit den Türken auch machen? Und würden die anderen Deutschen das zulassen?

Es hat nicht lange gedauert und in Solingen, Mölln und Rostock wurden die Menschen von rechten Terroristen getötet. Da dachte ich, der Skinhead vom Spielplatz hat leider recht gehabt. Und dann die sogenannten „Döner-Morde“. Erst spät stellte sich heraus, dass da Neonazis durchs Land zogen und Menschen ausländischer Herkunft abknallten.

In solchen Zeiten ist es schwer, sich gleichwertig zu fühlen. Wir haben Hamburg geliebt, aber es wurde immer offensichtlicher, dass wir von den Deutschen nicht geliebt werden.

Ich habe Abitur gemacht, obwohl meine Klassenlehrerin mir abgeraten hat. Ich bin verheiratet und habe zwei entzückende Kinder, die die deutsche Staatsbürgerschaft haben und auf eine tolle Schule gehen. Ich habe den Sprung von Harburg in die HafenCity geschafft.

Uns geht es gut in Deutschland. Ich mag dieses Land, ich mag auch die Türkei.

Ich denke, dass Deutschland meine erste und die Türkei meine zweite Heimat ist.

Arzu Ucar (43)

„Für mich ist es die Nähe zum Wasser“

Was Heimat für mich ist? Diese Frage habe ich mir bisher noch nie gestellt. Ich bin in Hamburg geboren und aufgewachsen. Schule, Ausbildung, Beruf, Hochzeit, Kinder und nun seit einem Jahr in Rente – alles in Hamburg. Die Sommer meiner Kindheit und Jugend habe ich an der Ostsee verbracht. Wir sind dort immer noch im Sommer, aber nicht mehr so oft. Hamburg ist mein Zuhause, aber Heimat ist für mich Norddeutschland und die Nähe zum Wasser.

Marlies Dziobek (64)

„Heimat ist auch die Schule, in die ich gegangen bin“

Sie fragen, was bedeutet „Heimat“!? Nach Stationen in Harburg und Hildesheim lebe ich seit 2005 wieder in meinem Geburtsort Pinneberg. „Alte“ Freunde haben mir das Zurückkommen nach einer Trennung sehr erleichtert! Ich habe inzwischen auch neue Freundschaften geschlossen, und ich fühle mich wieder sehr wohl hier!

Heimat bedeutet für mich auch die Schule, in die ich sechs Jahre gegangen bin, das Krankenhaus, in dem ich geboren wurde, der Rosengarten, wo ich schon als kleines Kind mit meinen Eltern war. Den Rosengarten gibt es übrigens immer noch, und ich bin sehr gerne dort in der Natur. All das ist Heimat für mich!

Gisela Grabinski (74), Pinneberg

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