Filz-Verdacht: Wird das noch gefährlich für Senator Dressel, Herr de Masi?
Mit Finanzskandalen kennt er sich aus wie kaum ein anderer. Fabio De Masi saß vier Jahre lang als Abgeordneter der Linken im Bundestag, sorgte dort für Aufklärung in der Wirecard-Affäre. Die MOPO sprach mit ihm über den Filz-Verdacht um Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD).
MOPO: Herr De Masi, hat Hamburg ein neues Roter-Filz-Problem?
Fabio De Masi: Hamburg hat da eine ungute Tradition. In einem Stadtstaat kennt man sich. Vieles wird per Handschlag geregelt. Politik ist aber nicht dazu da, Geschäfte mit dem Parteibuch zu machen. Hamburg darf nicht Panama an der Elbe und die Finanzbehörde nicht der Trump Tower werden. Der Ruf der Hansestadt hat genug unter dem Cum-Ex-Skandal um die Warburg Bank gelitten.
MOPO: Könnte die Sache noch gefährlich werden für den Senator, wenn noch mehr Details herauskommen?
Mit Finanzskandalen kennt er sich aus wie kaum ein anderer. Fabio De Masi saß vier Jahre lang als Abgeordneter der Linken im Bundestag, sorgte dort für Aufklärung in der Wirecard-Affäre. Zuvor war er Europaabgeordneter. Seit seinem Rückzug aus der Politik ist der 41-Jährige unter anderem für die Bürgerbewegung Finanzwende aktiv. Die MOPO sprach mit ihm über den Filz-Verdacht um Senator Andreas Dressel (SPD).
MOPO: Herr de Masi, nach der dubiosen Direktvergabe eines Millionenauftrags seitens des Finanzsenators an einen Parteifreund fordert die Opposition in Hamburg Aufklärung. Wie bewerten Sie den Vorgang?
De Masi: Der Hamburger Senat beharrt darauf, dass die Vergabe ohne öffentliche Ausschreibung zulässig war, weil es sich bei den Geldern um Corona-Mittel handeln soll. Es ist sinnvoll, dass in der Corona-Situation Gelder zur Bewältigung von Krisen schnell abfließen. Ich bezweifle aber, dass das EU-Beihilferecht bei dieser Förderung von Startups eine Ausnahme zulässt. Das muss juristisch überprüft werden. Die Hamburger haben einen Anspruch auf Transparenz. Schließlich geht es hier um neun Millionen Euro Steuergeld.
MOPO: Die Gelder sollen Startups unterstützen, deren Fokus unter anderem Vermögensmanagement ist. Wie passt das mit Corona-Hilfe zusammen?
De Masi: Wenn man sich in der Corona-Krise um eine Branche keine Sorgen machen muss, dann ist es die Finanzbranche. Die soziale Ungleichheit hat in den vergangenen zwei Jahren weiter zugenommen. Pflegekräfte leiden, der Einzelhandel, Kinder aus ärmeren Familien, die einen Bildungsrückstand haben. Sie sind es, die Unterstützung verdienen. Gerade durch die Sozialdemokratie.
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MOPO: Der Senat möchte Hamburg als Finanzstandort stärken...
De Masi: Natürlich braucht Hamburg einen regionalen Finanzsektor. Auch die Förderung von Startups ist wichtig. Aber nicht mit Corona-Mitteln. Und nicht unter Umgehung der öffentlichen Ausschreibungspflicht.
MOPO: Der Senat meint, eine EU-weite Ausschreibung hätte zu lange gedauert. Die Gelder wären verfallen. Ist das ein Grund für eine Direktvergabe?
De Masi: Das überzeugt mich nicht. Denn der Senator hat sich doch bereits vor einem Jahr mit seinem Parteifreund zu dem Projekt getroffen. Selbst wenn die Ausschreibung neun Monate gedauert hätte, wäre genug Zeit gewesen für ein faires Auswahlverfahren. In der Behörde sitzen ja keine Amateure. Das Europarecht erschwert öfters Dinge wie Tariflöhne bei öffentlichen Aufträgen einzufordern. Aber darum ging es ja gar nicht. Solche Entscheidungen müssen sauber getroffen werden. Wenn Herr Dressels Parteifreund der Beste war, hätte er auch eine Ausschreibung gewonnen.
MOPO: Der Senat behauptet, es habe Gespräche mit weiteren Wettbewerbern gegeben. Welche das sind, wird aus Datenschutzgründen aber nicht verraten. Wie kann es dann eine Aufklärung geben?
De Masi: Sich bei einer angeblichen Marktanalyse hinter dem Datenschutz zu verstecken, ist ein schlechter Witz. Es geht doch nicht darum, welche Krankheit jemand hat, sondern, ob Wettbewerber fair behandelt wurden. Wer ein öffentliches Amt bekleidet, ist zu Transparenz verpflichtet. Der Senator redet sich um Kopf und Kragen.
MOPO: Warum?
De Masi: Dressel und der Begünstigte sind ja nicht nur Parteifreunde. Sie sind auch dadurch verbunden, dass Nico Lumma im Verwaltungsrat der Kasse Hamburg sitzt. Ein Senator muss jeden Anschein von Vetternwirtschaft vermeiden. Wenn er merkt, dass er befangen ist, muss er andere entscheiden lassen. Das ist das kleine Einmaleins der politischen Hygiene. Dass Dressel sich sogar mit Lumma getroffen hat, ist instinktlos. Die Staatskasse ist ja kein Privateigentum von Politikern.
MOPO: Hat Hamburg ein neues Roter-Filz-Problem?
De Masi: Hamburg hat da eine ungute Tradition. In einem Stadtstaat kennt man sich. Vieles wird per Handschlag geregelt. Politik ist aber nicht dazu da, Geschäfte mit dem Parteibuch zu machen. Hamburg darf nicht Panama an der Elbe und die Finanzbehörde nicht der Trump Tower werden. Der Ruf der Hansestadt hat genug unter dem Cum-Ex-Skandal um die Warburg Bank gelitten.
MOPO: In der FinTech-Szene möchte niemand öffentlich über den dubiosen Deal sprechen. Wovor haben die Leute Angst?
De Masi: Dass die verprellten Wettbewerber Angst haben, zeigt ja, wie in Hamburg Industriepolitik betrieben wird. Bei den Unternehmen scheint der Eindruck vorzuherrschen, dass politische Nähe und ein Wohlverhalten gegenüber dem Senat wichtig sind, um einen Auftrag zu bekommen. Das darf es in unserer Stadt nicht geben.
MOPO: Könnte die Sache noch gefährlich werden für den Senator, wenn noch mehr Details herauskommen?
De Masi: Wenn das das Dschungelcamp wäre und man könnte Leute rauswählen, dann wäre Dressel jetzt fällig. Nachdem die Sache rauskam, hätte Dressel den Fehler einräumen und versprechen müssen, dass so etwas in Zukunft nicht nochmal vorkommt. Sonst wird er unglaubwürdig und die Bürger verlieren das Vertrauen in die Politik. Die Hamburger haben Professionalität verdient.