Hasskriminalität gegen Homosexuelle: Das plant Rot-Grün in Hamburg
Erst beleidigt, dann verprügelt: Allein auf dem Kiez kam es im vergangenen Jahr immer wieder zu Übergriffen auf homosexuelle und transsexuelle Menschen. Zuletzt sorgte die Attacke auf zwei Gäste der Wunderbar in der Talstraße für Entsetzen. Die Angriffe nehmen zu, die Dunkelziffer ist hoch. Das will Rot-Grün nun ändern.
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Erst beleidigt, dann verprügelt: Allein auf dem Kiez kam es im vergangenen Jahr immer wieder zu Übergriffen auf homosexuelle und transsexuelle Menschen. Zuletzt sorgte die Attacke auf zwei Gäste der Wunderbar in der Talstraße für Entsetzen. Die Angriffe nehmen zu, die Dunkelziffer ist hoch. Das will Rot-Grün nun ändern.
Vergleicht man die vergangenen Jahre miteinander, fällt auf: Die Zahl der registrierten Straftaten gegen homo- und transsexuelle Menschen nimmt zu. Im Jahr 2020 wurden in Hamburg, laut einer Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der Grünen, 30 Fälle registriert, 2021 waren es schon 67 Fälle. Deutschlandweit wurden 2020 drei homophobe Morde publik – in Gießen, Dresden und Altenburg. Hinzu kamen 782 registrierte Straftaten gegen homosexuelle und transsexuelle Menschen.
Hamburg: Übergriffe auf homosexuelle Menschen nehmen zu
Doch diese Zahlen zeigen wohl nur einen Bruchteil der Übergriffe: Die Dunkelziffer dürfte in Hamburg bei 80 bis 90 Prozent liegen, schätzt der Abgeordnete Farid Müller (Die Grünen). Er ist einer der Abgeordneten, die zusammen mit der SPD einen Antrag zum Thema „Reaktion auf queerfeindliche Gewalt in Hamburg“ eingereicht haben. Die Regierungsfraktionen wollen sich der erhöhten Gewalt gegen LSBTI* (Lesben, Schwule, bisexuelle, transgender und intergeschlechtliche Menschen) mit mehreren Maßnahmen entgegenstellen. Im Fokus: Eine Sensibilisierung und verstärkte Zusammenarbeit der Polizei mit queeren Communitys und ein nationaler Aktionsplan mit umfassender Dunkelfeldstudie zu queerfeindlicher Gewalt.
Die Polizei Hamburg hat bereits seit 1996 Ansprechpartner für LSBTI*. Zunächst waren dafür bis zu vier Beamtinnen und Beamten im Nebenamt zuständig. 2016 entschied man jedoch, zwei hauptamtliche Stellen einzurichten, um den Anforderungen gerecht zu werden, so ein Sprecher der Polizei gegenüber der MOPO. Die beiden Ansprechpartner sollen dabei jedoch nicht nur nach außen wirken, sondern auch nach innen – etwa in der Erhöhung der Sensibilität von Polizeikräften im Umgang mit betroffenen Personen.
Genau die wolle man noch weiter stärken, sagt Simon Kuchinke (SPD). Zum Beispiel mit bestimmten Modulen bereits in der Ausbildung der Polizei. Das sei aus zwei Gründen wichtig, fasst Farid Müller (Die Grünen) zusammen: „Einerseits um queerfeindliche Gewalt zu erkennen und damit auch schon bei der Anzeige den Fall als ,politisch motivierte Kriminalität‘ entsprechend im System einzugeben. Andererseits sind Opfer von Gewalttaten gegen deren persönliche Merkmale wie geschlechtliche Identität und sexuelle Orientierung besonders traumatisiert nach der Tat, auch hier bedarf es dann einer entsprechenden Sensibilisierung damit umzugehen.“
Homophobe Straftaten: Statistik soll Dunkelziffer untersuchen
Nicht nur die ausgewiesenen Ansprechpartner, sondern alle Polizeikräfte sollen demnach künftig für den Umgang mit Hasskriminalität gegen homo- und transsexuelle Menschen geschult sein – um das Vertrauen der LSBTI*-Community weiter zu stärken. Der Lesben- und Schwulenverband Hamburg (LSDV) hält zudem eine Aufstockung der Ansprechpartner auf drei bis vier Personen für „sinnvoll und nötig“.
Das gemeinsame Ziel: Die Menschen sollen sich trauen, zur Polizei zu gehen und sprachliche oder körperliche Diskriminierung zur Anzeige zu bringen. Zusätzlich müsse man sich dem hohen Dunkelfeld widmen: „Wir brauchen eine Statistik, um die hohe Dunkelziffer zu ergründen. Hierbei muss man natürlich auch wieder beachten, dass es viele Menschen gibt, die sich bei der Polizei nicht aufgehoben fühlen und das gerne anonym irgendwo vermerken lassen würden. Deswegen ist es wichtig, dass wir hier mit den LSBT*IQ-Institutionen und Vereinen, die es schon gibt, zusammenarbeiten“, sagt Simon Kuchinke.
Die Aufhellung des Dunkelfeldes im Bereich homo- oder transphob motivierter Straftaten ist auch das erklärte Ziel der Hamburger Polizei – genau wie die Erhöhung der Anzeigenbereitschaft durch eine Stärkung des Vertrauens. Dafür soll die bereits bestehende Netzarbeit zur Community weiter intensiviert werden, sagt der Sprecher. „Eine Dunkelfeldstudie auf Bundesebene könnte noch mehr Infos zu Täterprofilen und Tatorten liefern, um hier zusätzlich präventiv tätig zu werden“, meint Farid Müller.
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Doch wie kann man verhindern, dass es überhaupt zu Beleidigungen und Übergriffen kommt? Durch Aufklärung, so Müller und Kuchinke. Bereits in der Schule müsse über sexuelle Identitäten und Orientierungen gesprochen werden. „Jedoch dürfen wir nicht vergessen, dass es die Diskriminierung gegenüber der Community schon seit Jahrzehnten, vielleicht Jahrhunderten gibt und es eben auch lange dauert, bis Diskriminierung in der Gesellschaft abgebaut wird“, sagt Kuchinke. „Ich denke, wir sind hier auf einem guten Weg“.