Hass auf Sinti und Roma: 19-Jährige schüttet dem Bürgermeister ihr Herz aus
Givenchy Wilms ist 19 Jahre alt, sie ist eine junge Hamburgerin – und Sinteza. Das macht einen großen Unterschied. Denn wenn sich Sinti um Ausbildungs- oder Arbeitsplätze bewerben, haben sie praktisch keine Chance, berichtet sie. Es reiche, wenn sie unter Fremdensprachkenntnisse „Romanes“ angeben würden, die Sprache von Roma und Sinti. Dann sei ein Ablehnungsschreiben sicher. Das sei nur ein Beispiel für die Diskriminierungen, die Sinti und Roma auch heute noch erleben. Im Jahr 2023.
Givenchy Wilms hat die seltene Gelegenheit, Bürgermeister Peter Tschentscher persönlich ihr Herz ausschütten zu dürfen und erzählt bei dessen Besuch im Hamburger Sinti-Verein noch von anderen Ungerechtigkeiten: Etwa, dass Sinti und Roma, wenn sie beim Jobcenter oder beim Amt für Integration Leistungen beantragen, in vielen Fällen deutlich länger warten müssen als andere. Manchmal Monate. Daran, dass das Zufall ist, mag sie nicht glauben. „Wir spüren doch die antiziganistische Haltung der Sachbearbeiter.“
Givenchy Wilms ist 19 Jahre alt, sie ist eine junge Hamburgerin – und Sinteza. Das macht einen großen Unterschied. Denn wenn sich Sinti um Ausbildungs- oder Arbeitsplätze bewerben, haben sie praktisch keine Chance, berichtet sie. Es reiche, wenn sie unter Fremdensprachkenntnisse „Romanes“ angeben würden, die Sprache von Roma und Sinti. Dann sei ein Ablehnungsschreiben sicher. Das sei nur ein Beispiel für die Diskriminierungen, die Sinti und Roma auch heute noch erleben. Im Jahr 2023.
Givenchy Wilms hat die seltene Gelegenheit, Bürgermeister Peter Tschentscher persönlich ihr Herz ausschütten zu dürfen und erzählt bei dessen Besuch im Hamburger Sinti-Verein noch von anderen Ungerechtigkeiten: Etwa, dass Sinti und Roma, wenn sie beim Jobcenter oder beim Amt für Integration Leistungen beantragen, in vielen Fällen deutlich länger warten müssen als andere. Manchmal Monate. Daran, dass das Zufall ist, mag sie nicht glauben. „Wir spüren doch die antiziganistische Haltung der Sachbearbeiter.“
Sinti, die sich um Job bewerben, haben kaum eine Chance
Christian Rosenberg, Vorsitzender des Hamburger Sinti-Vereins, bestätigt, was die junge Frau erzählt, und fügt weitere Beispiele von Diskriminierung hinzu: „Wenn Sinti Hochzeit feiern wollen und sich um einen Saal bemühen, können sie ziemlich sicher sein, dass kein Gastwirt bereit ist, ihnen einen zu vermieten.“ Rosenberg berichtet auch von Ungerechtigkeiten an Schulen: Immer noch sei es so, dass Sinti-Schüler in vielen Fällen keine Empfehlung für die Oberstufe erhielten, obwohl sie die gleichen Leistungen erbringen würden wie andere Schüler.

Und Rosenberg sagt: Seit dem Erstarken rechtspopulistischer Parteien hätten die Vorbehalte gegen Sinti und Roma noch zugenommen.
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Warum sich Ukrainer untereinander hassen
Solche Ressentiments bereiten auch den Verantwortlichen im Rathaus Sorge. Auf Antrag der Bürgerschaft ist aktuell die Sozialbehörde damit befasst, eine Strategie gegen Antiziganismus zu entwickeln: Es geht darum, ein Konzept zu erarbeiten, wie Hass auf Sinti und Roma bekämpft und ihre Gleichberechtigung sichergestellt werden kann. Dabei arbeitet die Behörde eng mit dem „Sinti-Verein“ zusammen. Was für bemerkenswerte Integrationsarbeit der leistet, davon hat sich Bürgermeister Peter Tschentscher persönlich einen Eindruck verschafft.
Hamburg ist dabei, eine Strategie gegen Antiziganismus zu Papier zu bringen
Der Bürgermeister sagte am Rande des Besuchs zur MOPO: „Sinti und Roma möchten sich integrieren, möchten aber nicht ihre eigene Kultur und Sprache aufgeben, sie möchten ihre Identität bewahren und gleichwohl ohne Diskriminierung Teil unserer Stadtgesellschaft sein. Das ist ein sehr berechtigter Anspruch, den wir unterstützen. Vielfalt ist Reichtum und Stärke.“
Der Sinti-Verein existiert bereits seit 2001. Gegründet hat ihn Christian Rosenberg, der selbst Sinto ist – und davon erzählt, dass viele seiner Vorfahren von den Nazis ermordet wurden. Die ständige Ausgrenzung und Diskriminierung von Sinti und Roma dauerte auch nach 1945 an – und hat Auswirkungen bis heute. „Wir sind nicht bildungsfern, wie uns oft unterstellt wird. Wir wurden von Bildung ferngehalten. Viele der Älteren wollten zur Schule gehen, durften aber nicht.“

Aufgrund der furchtbaren Erfahrungen, die Sinti und Roma in Deutschland machen mussten, ist ihr Vertrauen in staatliche Institutionen bis heute nicht sehr ausgeprägt. Das ist der Grund, weshalb viele Familien ihre Kinder nicht in Kindergärten schicken. Damit beginnt ein Teufelskreis: Mädchen und Jungen, die nicht in der Kita waren, haben viel schlechtere Startbedingungen in der Schule und später auch im Berufsleben.
„Der Schlüssel zur Integration von Sinti ist die Bildung“
Genau hier setzt Rosenbergs Verein an. „Der Schlüssel zur Integration ist Bildung“, sagt er. „Wir wollen unseren Leuten helfen, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und gute Schulabschlüsse zu erzielen, so dass sie möglichst ein Studium absolvieren und Top-Positionen erreichen. Das ist der beste Weg, auch das Ansehen von Roma und Sinti in der Gesellschaft zu verändern.“

Ein Standbein des Sinti-Vereins sind die sogenannten „Mutter-Kind-Gruppen“: „Mütter, die ihre Kinder bislang noch nicht in eine Kita geben, kommen zu uns“, so Rosenberg. „Wir bieten ihnen an, ihre Kinder wenigstens mal für ein paar Schnuppertage dorthin zu schicken, das baut Vorbehalte ab. Parallel dazu bilden wir pädagogisch begabte junge Leute von uns zu sogenannten Kita-Bildungsbegleitern aus, die dann den Jungen und Mädchen in den Kitas zur Seite stehen. Die Mutter-Kind-Gruppen sind also eine Art Sprungbrett in die Regel-Kita.“
Das könnte Sie vielleicht auch interessieren: Strafanzeige gegen Hamburger Pastor – Rassismus-Skandal in der Nordkirche
Verein bietet Alphabetisierungskurse an – vor allem für ältere Sinti und Roma
Daneben bietet der Verein noch sehr viel mehr an: beispielsweise Alphabetisierungskurse – meist sind da ältere Sinti und Roma die Zielgruppe. Auch Kurse zur beruflichen Integration gibt es. „Wir haben schon Leute über 40 dazu gebracht, dass sie einen richtigen Job angefangen haben.“ Stolz ist Rosenberg auch darauf, dass die ersten jungen Menschen, um die sich sein Verein in den vergangenen 22 Jahren gekümmert hat, inzwischen an Unis studieren.
Aktuell engagiert sich der Sinti-Verein intensiv bei der Betreuung von ukrainischen Roma-Flüchtlingen. Der Vorteil: Roma nehmen Hilfe von Sinti und Roma eher an. Hier bat Christian Rosenberg den Bürgermeister um Hilfe: „Wir brauchen mehr Geld, denn dann können wir noch sehr viel mehr tun.“

Die zweite Bitte, die Rosenberg an Tschentscher herantrug: Unterstützung bei einem ziemlich großen Projekt. „Da wir in unseren aktuellen Räumen aus allen Nähten platzen, würden wir gerne ein Familien-Bildungs-Kulturhaus gründen.“ Ein geeignetes Grundstück in Osdorf habe er bereits im Auge.
Versprechen konnte Tschentscher nichts. Deutlich zu spüren war aber, wie beeindruckt der Bürgermeister von dem ist, was der Sinti-Verein an Arbeit leistet. Ein Vertreter der Sozialbehörde, der ebenfalls anwesend war, signalisierte größtmögliche Unterstützung. Zum Abschied bedankte sich Vereins-Vorsitzender Rosenberg bei Peter Tschentscher: „Sie sind der erste Bürgermeister, der uns einen Besuch abgestattet hat. Für uns eine wichtige Geste.“