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  • Die Läden in der Innenstadt haben mit dem Lockdown zu kämpfen.
  • Foto: dpa

Handelskammer warnt: Jede vierte Hamburger Firma muss Stellen abbauen

Ende des vergangenen Jahres sah es so aus, als wenn sich die Wirtschaft wieder ein wenig erholen können. Doch seit die dritte Corona-Welle ausgebrochen ist und wieder härtere Maßnahmen in Hamburg greifen, bilden sich Sorgenfalten auf der Stirn der Unternehmer. Personalabbau und Pleiten kündigen sich an – die MOPO hat bei Handelskammer Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne nachgefragt, wie die aktuelle Situation ist. 

MOPO: Die dritte Corona-Welle ist da, Hamburg hat die Maßnahmen zuletzt verschärft – was bedeutet das für die Wirtschaft in der Hansestadt?

Dr. Malte Heyne: Wir befinden uns nach wie vor in einer sehr schwierigen Lage. Das zarte Pflänzchen des Aufschwungs vom Ende des vergangenen Jahres wird durch die aktuelle Entwicklung ausgebremst.

Dr. Malte Heyne ist Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg.

Dr. Malte Heyne ist Hauptgeschäftsführer der Handelskammer Hamburg.

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Oliver Vonberg

Aber jetzt kommt das Impfen langsam in Gang, vielleicht entspannt sich die Lage im Sommer ja schon merklich. Wie kommt es trotzdem zur gedämpften Stimmung?

In der Wirtschaft hängt viel von Investitionsaussichten ab, aber auch von Emotionen. Das ist nicht anders als in der Gesellschaft, wo sich nach einem Jahr Gegenankämpfen ein Gefühl der Perspektivlosigkeit breit macht. Natürlich variiert die wirtschaftliche Lage in den Branchen stark. Die Industrie und der Finanzsektor sind stabil, aber den Gastronomen geht es nach wie vor sehr schlecht. Fast 97 Prozent von ihnen sind pessimistisch, auch Händler oder die Freizeitwirtschaft haben kaum die Erwartung, dass sich die Lage in den nächsten Monaten bessert.

Knapp ein Drittel der Unternehmen meldet Ihnen zurück, dass die Lage derzeit schlecht sei – was bedeutet das konkret?

Das ist eine dramatische Lage und bedeutet auch, dass rund 25 Prozent der Unternehmen zurückmelden, dass sie Stellen abbauen werden müssen.

Hamburg: Viele Unternehmen schließen ohne Insolvenzverfahren

Steht Hamburg vor einer Entlassungswelle?

Wir hoffen natürlich nicht. Das Kurzarbeitergeld ist da nach wie vor ein wichtiges Instrument. Aber natürlich ist das ein Thema. Gerade bei Händlern und der Gastronomie. Aber auch Unternehmen, die in direkter Abhängigkeit zu betroffenen Branchen stehen, sind betroffen. Nehmen wir die Werbeagentur, die sonst viele Aufträge für beispielsweise die Luftfahrtbranche gemacht hat – da gibt es jetzt ein Nachfrageloch.

Müssen wir uns auf viele Insolvenzen in der Stadt einstellen, oder können die meisten durchhalten?

Wir beobachten tatsächlich vergleichsweise wenige Insolvenzen im Vergleich zu früheren Jahren. Das hängt mit den Hilfsmaßnahmen und den rechtlichen Regelungen zusammen. Aber es ist völlig klar, dass in Lockdown-Branchen Insolvenzen nicht vermeidbar sind. Was man ebenfalls sehen muss: Viele Unternehmen werden gar nicht in den Insolvenzstatistiken auftauchen, weil sie einfach aufhören, bevor ein Insolvenzverfahren droht. Man muss nur durch bestimmte Straßen oder Quartiere laufen und sieht, wie viele Schaufenster schon leer sind.

Am Mittwoch kommen die Handelskammer und der Senat zusammen, welche Forderungen bringen Sie mit?

Es geht uns im Wesentlichen um vier Punkte. Erstens, die Finanzierungssituation der Hamburger Wirtschaft. Hier muss sichergestellt werden, dass die Unterstützungsmaßnahmen verlängert werden. Die Krise ist ja nicht plötzlich Mitte des Jahres vorbei. Zweitens das Testen in Unternehmen, da erwarten wir ebenfalls Unterstützung. Drittens, das Impfen. Hier muss alles getan werden, um die Impfkampagne zu beschleunigen. Wir fordern, dass Betriebsärzte mit einbezogen werden. Und viertens müssen wir über den Standort Hamburg sprechen, dessen strukturelle Schwächen durch Corona offengelegt wurden. Namentlich Digitalisierung, Zustand der Innenstadt und die norddeutsche Zusammenarbeit, die zuletzt nicht gut funktioniert hat.

Warum wehrt sich die Wirtschaft gegen eine Testpflicht?

Sie sprachen das Testen an. In Deutschland werden künftig Unternehmen dazu verpflichtet, ihren Mitarbeitern ein Testangebot zu machen. Aus der Wirtschaft gab es erheblichen Widerstand, was stört Sie daran?

Die Frage ist immer, was ist eine sinnvolle Maßnahme? Wenn schon eine ganz, ganz große Anzahl der Unternehmen ihre Mitarbeiter freiwillig testet, was erreicht man dann mit einer Pflicht?

Dass sich alle Unternehmen am Testen beteiligen.

Die Frage ist aber, ob man mehr Probleme schafft als Lösungen. Wir reden hier von mehr Bürokratie und administrativem Aufwand für die Betriebe, in einer Situation, in der sie sowieso schon mit großen Herausforderungen zu kämpfen haben. Niemand stellt in Frage, dass Tests ein sinnvoller Beitrag zur Pandemiebekämpfung sind. Der überwiegende Teil unserer Unternehmen bietet das bereits an oder plant dies in Kürze. Die Pflicht stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen. Bei einer Gebäudereinigung beispielsweise arbeiten alle dezentral und nicht zusammen in einer Zentrale. Wenn alle Mitarbeitenden ein, zwei Mal die Woche ins Bürogebäude geschickt werden müssen, erzeugt das mehr Mobilität, als wenn es keine Testpflicht gibt oder man das über die Bürgerteststationen abdecken könnte. Es sollten vor allem kleine Unternehmen entlastet werden und ihre Mitarbeiter zum Beispiel in die Bürgerteststationen gehen können.

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