Unfälle in der Waitzstraße: Bezirkschefin mit drastischer Forderung
Die Waitzstraße in Groß Flottbek ist über Hamburgs Grenzen hinaus als Crash-Meile bekannt. Immer wieder kracht es auf der schicken Einkaufsmeile. Oft endet die Fahrt erst in einer Schaufensterscheibe. Und oft saßen Senioren am Steuer. Altonas Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) setzt sich jetzt für eine Fahrtüchtigkeitsprüfung in dieser Altersgruppe ein. CDU, Auto- und Fahrradlobby haben noch ganz andere Forderungen für die Problemstraße.
Die Waitzstraße in Groß Flottbek ist über Hamburgs Grenzen hinaus als Crash-Meile bekannt. Immer wieder kracht es auf der schicken Einkaufsmeile. Oft endet die Fahrt erst in einer Schaufensterscheibe. Und oft saßen Senioren am Steuer. Altonas Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) setzt sich jetzt für eine Fahrtüchtigkeitsprüfung in dieser Altersgruppe ein. CDU, Auto- und Fahrradlobby haben noch ganz andere Forderungen für die Problemstraße.
„Wann kommen endlich die Fahrtüchtigkeitsprüfungen für Senior:innen?”, fragt Stefanie von Berg auf Twitter. „Schon wieder ein tonnenschweres, hochmotorisiertes Auto, schon wieder offensichtliche Überforderung im Autoalltag, schon wieder Gas und Bremse verwechselt. Gut, dass niemand verletzt wurde.”
Waitzstraße ist Hamburgs Crash-Meile
Zuletzt fuhr am Mittwoch ein 77-Jähriger mit seinem BMW über den Gehweg der Waitzstraße, rammte einen Poller und kam erst inmitten der außen aufgestellten Stühle und Tische eines Cafés zum Stillstand. 81 Verkehrsunfälle hat die Polizei seit 2019 in der Waitzstraße erfasst, davon saßen in 38 Fällen Senior:innen am Steuer.
In neun Fällen fuhren die älteren Herrschaften in ein Schaufenster, weil sie Gas und Bremse verwechselt hatten. Allerdings nahmen Unfälle dieser Art in den vergangenen Jahren ab. Der Unfall von Mittwoch war der erste im Jahr 2022. Im Jahr 2019 waren es noch fünf Unfälle dieser Art, 2020 drei und 2021 einer.
Betonpoller sollen schlimme Unfälle verhindern
Die Verbesserung in der Unfallstatistik könnte damit zusammenhängen, dass der Bezirk im November 2020 insgesamt 60 massive und jeweils 600 Kilo schwere Betonpoller vor die Läden stellte. Der Poller, der beim letzten Unfall gerammt worden war, gehörte zwar nicht zu der besonders massiven Sorte, verhinderte aber Schlimmeres. Passanten wurden bislang wie durch ein Wunder noch nie schwer verletzt, doch die Ladenbesitzer hatten in der Vergangenheit schon oft ihre Fenstergläser ersetzen müssen.

„Meine Worte haben nichts mit Altersdiskriminierung zu tun”, sagt von Berg zur MOPO. „Ich habe durch meine Familie in den USA einschlägige Erfahrung mit dem Thema gesammelt. In vielen anderen Ländern ist eine Fahrtauglichkeitsprüfung gängige Praxis, weil es die Verkehrssicherheit erhöht.“
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Auch in Europa sind Sonderregelungen für ältere Autofahrende keine Seltenheit. Bei den Nachbarn in Dänemark müssen Autofahrer:innen ab 75 Jahren ein ärztliches Attest vorlegen, wenn sie ihren Führerschein verlängern lassen wollen. In der Schweiz müssen sich Autofahrende über 70 Jahren alle zwei Jahre einer Kontrolluntersuchung unterziehen. Auch in Spanien, Italien und Großbritannien gibt es Sonderregelungen für ältere Autofahrer:innen.
Das sagen Auto- und Fahrradlobby zum Vorstoß
Unfallforscher des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft fanden heraus, dass das Verhältnis von Unfällen zur Fahrleistung in der Gruppe der Senioren im Alter von 75 Jahren und älter tatsächlich deutlich höher liegt als etwa bei der Altersgruppe der Fahranfänger bis 20 Jahre.
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In Deutschland setzt man weiter auf Freiwilligkeit. Die Automobillobby begrüßt das: „Jede und jeder sollte selbst entscheiden, ob er oder sie sich noch für fahrtauglich hält“, sagt hingegen Christof Tietgen vom ADAC. Die Fahrradlobby würde von Bergs Idee sogar noch ausweiten: „Alle Autofahrenden sollten regelmäßig auf ihre Fahrtüchtigkeit überprüft werden, nicht nur Ältere. Gesundheitliche Probleme wie schlechtes Sehvermögen können auch junge Autofahrende beeinträchtigen”, sagt Dirk Lau vom ADFC.
Ist die autofreie Waitzstraße eine Lösung?
Eine kurzfristige Option könnte auch die Sperrung der Waitzstraße für den Autoverkehr sein. „Man fragt sich, warum sie nicht längst für den privaten Autoverkehr gesperrt wurde. Wenn dort keine Gefahrenstelle ist, wo denn sonst?“, sagt Lau. „Straßensperrungen sollten immer das allerletzte Mittel sein”, meint hingegen Tietgen.

Die Polizei schreibt auf MOPO-Anfrage, dass die Unfallhäufigkeit in der Waitzstraße kein Grund für einen „Gefahrenschwerpunkt mit einem Ausschluss des Fahrzeugverkehrs” ist. Es gelte außerdem immer die Wahl des mildesten Mittels, wie zum Beispiel der Einbau von weiterem Stadtmobiliar und/oder das Längsparken.
Opposition ist gegen Straßensperrung
„Eine Entwidmung mit einhergehender Sperrung der Waitzstraße müsste zudem über das Bezirksamt erfolgen”, so ein Polizeisprecher. Aus dem Bezirk heißt es, dass Maßnahmen wie das Ausweisen einer Fußgängerzone im Ermessen und der Entscheidung der Bezirkspolitik liegen.
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Doch eine Mehrheit für eine autofreie Waitzstraße ließe sich in der Bezirksversammlung wohl kaum finden. „Eine autofreie Waitzstraße würde nicht funktionieren, da sich dort viele Arztpraxen befinden, die nicht jeder zu Fuß aufsuchen kann. Unsere Lösung waren von Anfang an mehr und stärkere Absperrelemente“, sagt Sven Hielscher, CDU-Fraktionschef in Altona. Eine Fahrtüchtigkeitsprüfung für Senior:innen hält Hielscher auch für rechtlich nicht durchsetzbar: „Wenn, müsste das sowieso auf Bundesebene diskutiert werden.“