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  • S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke steht vor der hochmodernen S21.
  • Foto: Patrick Sun

Hamburgs S-Bahnen fahren künftig von allein: Sterben Lokführer aus, Herr Arnecke?

Die S-Bahn gehört zum Rückgrat der Hamburger Mobilität – und das wird jetzt kräftig gestärkt! Die neue S4 darf gebaut werden und die Züge der S21 fahren bald automatisch. Gute Nachrichten, die die täglichen Probleme auf den Strecken ein wenig verblassen lassen. Die MOPO sprach mit S-Bahn-Chef Kay Uwe Arnecke (60) über Herausforderungen und Chancen seines Unternehmens.  

MOPO: Herr Arnecke, wie sieht die Zukunft der Hamburger S-Bahn aus?

Kay Uwe Arnecke: Wir leben in einer Zeit, in der die Mobilitätswende gelingen und Klimaneutralität geschaffen werden soll. Da gehen wir voran. Die S-Bahn ist bereits klimaneutral, seit zehn Jahren fahren wir mit Ökostrom. Und wir wollen mit unserem Verkehrsangebot noch viel mehr Menschen erreichen.

Worauf dürfen sich die Fahrgäste einstellen?

Wir wollen unser Angebot im Vergleich zu 2018 erheblich ausweiten, die Kapazitäten bis 2030 um 40 Prozent erhöhen. Die ersten Schritte sind bereits getan, etwa indem wir längere Züge fahren und Takte verdichten. Aber nicht nur auf bestehenden Linien, auch durch die neuen Verbindungen der S4 nach Bad Oldesloe, der S32 nach Harburg und der S21 nach Kaltenkirchen werden die Kapazitäten erhöht.

Video: Das hat es mit der digital gesteuerten S-Bahn auf sich

Auf der S21-Strecke zwischen Berliner Tor und Bergedorf wird außerdem ein hochautomatisierter Betrieb mit selbstfahrenden Zügen getestet. Warum dort?

Die Strecke hatten wir ausgewählt, weil wir in Bergedorf schon ein elektronisches Stellwerk haben, das nun nur noch einmal auf die nächste Stufe hochgerüstet werden muss. Auf vielen anderen Strecken haben wir noch ältere Relaisstellwerke.

Auf der Pilotstrecke können Bahnen in der Theorie im 60-Sekunden-Takt fahren. Kommt es an der Stelle ab dem Berliner Tor, wo die Strecke nicht hochautomatisiert ausgestattet ist, dann nicht zu massiven Staus? Dort ist eine so dichte Taktung ja nicht möglich.

Man muss zwei Dinge differenzieren: Das Pilotprojekt ist dafür da, das System in die Serienreife zu bringen. Für das Kapazitätswachstum müssen wir noch den nächsten Schritt machen. Erst dann, wenn wir die Hauptstrecken in der Innenstadt, also City-Tunnel, Verbindungsbahn und auch den Bereich nach Harburg damit ausgestattet haben, wird es Kapazitätsvorteile bringen.

Wann werden denn alle Züge in Hamburg vollautomatisiert unterwegs sein?

Aktuell läuft dazu eine Machbarkeitsstudie, beauftragt von der Stadt. Diese Studie umfasst eine Bestandsaufnahme der bestehenden Technik. Es geht aber auch um die Frage, wie der Prozess aussehen könnte. Wir können nicht einfach den S-Bahn-Verkehr für ein Jahr sperren, um ein neues System einzubauen. Das müsste Stück für Stück geschehen. Und auch die Kostenfrage soll erörtert werden. Ende des Jahres erwarten wir das Ergebnis vor.

Das Pilotprojekt in Bergedorf scheint nur der Anfang zu sein. Die Deutsche Bahn würde das System gerne flächendeckend, also auch für ICEs und Güterzüge ausrollen. Müssen Lokführer jetzt um ihre Jobs bangen?

Überhaupt nicht. Die Technologie ist ja vor allem für hochgetaktete Schienennetze relevant, um zusätzlich Kapazität zu gewinnen. Und noch wichtiger: Es gibt ganz bewusst die Entscheidung, dass immer noch ein Lokführer an Bord sein soll, der im Notfall eingreifen und das System überwachen kann und als Ansprechpartner für die Fahrgäste da sein soll.

Ein Lokführer in einer Hamburger S-Bahn. Seinen Job soll es auch künftig geben.

Ein Lokführer in einer Hamburger S-Bahn. Seinen Job soll es auch künftig geben.

Foto:

dpa

Also stirbt der Kindheits-Traumberuf Lokführer nicht aus?

Nein, wir bilden ja auch heute noch 100 Lokführer pro Jahr aus. Klar ist allerdings auch, dass der Job andere Anforderungen bekommt und sicher auch eine höhere Qualifikation beinhalten wird.

Anderes Thema: Die S4 kann gebaut werden – sofern niemand klagt. Ärgert es Sie, dass nach jahrelangen Planungen solche Projekte am Ende immer noch gefährdet werden können?

Ich halte die S4 für nicht mehr gefährdet. Wir sprechen hier von einem Projekt aus dem Bundesverkehrswegeplan, das auch noch in dem vordringlichen Bedarf eingruppiert ist. Da zu klagen, ist nicht so einfach. Insofern gehe ich davon aus, dass die S4 kommt, 250.000 Menschen erstmals ans Schnellbahnnetz anschließen und den Hauptbahnhof entlasten wird.

Die S4 wird eine komplett neue Linie, genau wie die U5. Anders als die U-Bahn-Linie wird der neue S-Bahnabschnitt aber nicht hochautomatisiert geplant. Warum nicht? Im Zweifel müsste der Abschnitt später aufwendig umgerüstet werden.

U5 und S4 kann man nicht vergleichen. Die U5 ist ein eigenes System, sie fährt
ausschließlich auf einer Strecke, die nur für sie errichtet wird. Die S4 wird auch Strecken nutzen, die für andere S-Bahnen vorgesehen sind. Und dann muss man sagen, dass der hochautomatisierte Betrieb für die Strecke nach Ahrensburg bislang nicht vorgesehen ist. Dort werden wir im 10-Minuten-Takt fahren, mit einem Langzug, der 1500 Fahrgäste aufnehmen kann. Das reicht dort aus.

Sie sprechen immer wieder von Kapazitäten. Neue Züge sind da die eine Sache. Wichtig ist aber auch eine funktionierende Signaltechnik, damit Bahnen überhaupt fahren können. Dort gab’s immer wieder Probleme. Wie sieht’s an der Modernisierungs-Front aus?

Die Hauptstörungsursachen sind nach wie vor externe Einflüsse wie
Rettungswageneinsätze oder Personen auf Gleisen. Es ist aber richtig, dass wir unsere Technologie modernisieren müssen. Das geschieht auch. In Altona und in Harburg sollen neue Stellwerke gebaut werden. Und auch die Digitalisierung hilft uns. Die Wartung und Instandhaltung wird dadurch deutlich einfacher, weil alles standardisiert ist.

Neue Technik, neue Züge und neue Linien sollen dafür sorgen, dass es künftig kein S-Bahn-Chaos mehr gibt (Archivbild).

Neue Technik, neue Züge und neue Linien sollen dafür sorgen, dass es künftig kein S-Bahn-Chaos mehr gibt (Archivbild).

Foto:

dpa

Das ist bislang nicht so?

Nein. Viele Stellwerke verfügen über eigene, individuelle Techniken. Das macht es schwierig, Ersatzteile zu besorgen oder vorzuhalten. Wenn alles aus einem Guss ist, wird die Arbeit für unsere Mitarbeiter einfacher.

Sie haben im vergangenen Jahr ein neues Instandhaltungswerk in Stellingen in Betrieb genommen. 35 Millionen Euro hat das gekostet. Hat es sich bereits bezahlt gemacht?

Das Werk ist für uns ganz wichtig, weil wir es benötigt haben, um die neue Baureihe 490 einzuflotten. Es hilft uns aber auch, die Wartungskapazitäten um 50 Prozent zu erhöhen.

Das neue Instandhsaltungswerk in Stellingen hat 2019 seinen Betrieb aufgenommen.

Das neue Instandhaltungswerk in Stellingen hat 2019 seinen Betrieb aufgenommen.

Foto:

Patrick Sun

Gehen Sie mit der Baureihe 490 eigentlich in die Zukunft? Oder kommt da noch ein neues Modell?

Nein, wir setzen auch weiter auf die Baureihe 490. Wir haben aktuell davon 72 Fahrzeuge, bis November kommen noch zehn dazu. Dann haben wir insgesamt 194 Züge in Betrieb, 30 mehr als früher. Und: Anfang kommenden Jahres werden wir wohl die Option ziehen, 64 weitere Züge der Baureihe 490 zu bestellen. Dazu müssen wir uns aber noch mit der Stadt verständigen.

Zum Abschluss: Welche Botschaft haben Sie für Fahrgäste wie SPD-Chef Kienscherf, die sich über S-Bahn-Probleme ärgern?

Wir ärgern uns über Störungen am meisten, weil wir wissen, wie sehr unsere Fahrgäste darunter leiden. Im Vergleich zum Vorjahr sind wir besser geworden, etwa weil wir die Kinderkrankheiten der neuen Fahrzeuge beseitigt haben. Das merken wir gerade auf der Strecke nach Bergedorf. Die Strecke nach Buxtehude und Stade bleibt kritisch, weil wir dort eine andere Technologie, einen Systemwechsel auf Oberleitungen haben. Das haben wir besonders im Blick, damit unsere aktuelle Pünktlichkeitsquote von insgesamt 94,5 Prozent weiter im grünen Bereich liegt und noch besser wird.

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