Hamburgs Kinder verlernen das Radeln – Polizist nennt entscheidenden Grund
Radfahren ist kinderleicht – oder etwa doch nicht? Immer mehr Hamburger Grundschüler haben Probleme bei der Fahrradprüfung, rasseln sogar durch. Woran liegt das? Polizeiverkehrslehrer Heino Krüger (57) beobachtet diese Entwicklung bereits seit mehreren Jahren. Laut seiner Aussage haben die Eltern einen großen Anteil daran, es sei aber auch vom Stadtteil abhängig.
Radfahren ist kinderleicht – oder etwa doch nicht? Immer mehr Hamburger Grundschüler haben Probleme bei der Fahrradprüfung, rasseln sogar durch. Woran liegt das? Polizeiverkehrslehrer Heino Krüger (57) beobachtet diese Entwicklung bereits seit mehreren Jahren. Laut seiner Aussage haben die Eltern einen großen Anteil daran, es sei aber auch vom Stadtteil abhängig.
„Wenn ich laut pfeife, dann stoppt ihr sofort das Fahrrad und geht mit einem Fuß auf den Boden. Der andere bleibt auf dem Pedal!“ Es ist Freitagmorgen, 8 Uhr, an der Grundschule Thadenstraße in der Altonaer Altstadt. Elf Drittklässler sind heute anstatt im Klassenraum in der Sporthalle und drehen hintereinander ihre Runden auf den mitgebrachten Fahrrädern der Verkehrsschule.
In der 3. oder 4. Klasse machen Hamburgs Grundschüler die Fahrradprüfung
Als der Pfiff von Heino Krüger dann ertönt, versuchen die kleinen Radfahrer prompt zu bremsen. Manch einer wackelt ein bisschen, aber schließlich stehen alle da und richten den Blick gespannt zu dem 57-Jährigen, der von einem zum anderen geht und die Haltung korrigiert. „Dass mir hier aber keiner den Storch macht!“, sagt er und lacht dabei. Mit „Storch“ meint er diejenigen, die das eine Pedal so hochgetreten haben, dass sie Ähnlichkeiten mit dem Tier haben.

In der 3. und 4. Klasse steht für die meisten Acht- bis Zehnjährigen in der Schule die Rad-Verkehrs-Erziehung auf dem Stundenplan. Das bedeutet Theorie (welche Verkehrszeichen bedeuten was?) und Praxis – zunächst in der Sporthalle oder dem Schulhof und dann im richtigen Straßenverkehr. Am Schluss gibt es dann noch eine Prüfung – durch die aber immer mehr Kinder durchfallen. Noch im Schuljahr 2018/2019 waren es knapp 18 Prozent aller Schüler, im Jahr 2021/2022 bereits 28 Prozent.
Warum können immer weniger Kinder Fahrrad fahren?
Für Krüger keine Überraschung. Laut seiner Erfahrung in den 17 Jahren, die er als Polizeiverkehrslehrer an Hamburgs Grundschulen unterwegs ist, fehlten vielen inzwischen die motorischen Fähigkeiten. „Ich stelle wiederkehrend fest, dass sich immer weniger Kinder in Sportvereinen oder aktiv draußen bewegen. Dafür spielen sie Computerspiele oder sitzen am Handy.“ An dieser Stelle sieht er vor allem die Eltern in der Pflicht, ihren Kindern möglichst früh das Radfahren beizubringen und auch regelmäßig mit ihnen zu fahren.
Das könnte Sie auch interessieren: Diese Orte machen Hamburgs Radfahrern Angst
„Wir können hier in der Verkehrsschule nicht bei null anfangen und den Kindern das Fahrradfahren an sich beibringen“, sagt er. Dafür fehle einfach die Zeit. In den dicht bebauten Hamburger Stadtteilen sei die Quote derjenigen, die nicht Fahrrad fahren können, tendenziell höher, als bei denjenigen, die in Stadtteilen mit Einfamilienhäusern lebten. „Klar, dort ist es meistens auch ruhiger zum Fahren und es gibt mehr Platz“, sagt er.
Welche Rolle spielen die Eltern-Taxis an den Schulen?
Einen großen Anteil hätten aber auch die Eltern-Taxi, die ihren Nachwuchs bis direkt zur Schule kutschieren. „Wie sollen die Kinder da den Straßenverkehr kennenlernen?“, fragt Krüger und schüttelt den Kopf. Allerdings, wendet er ein, der Verkehr auf Hamburgs Straßen habe sich im Miteinander deutlich verändert. „Manche haben es scheinbar eilig und wollen schnell überall hin, sowohl Auto- als auch Radfahrer. Das kann zu gefährlichen Situationen führen und ist erst recht kein vorbildliches Verhalten für Kinder.“

Deshalb lernten die Schüler in der Fahrradschule vor allem defensives Fahren. „Besser immer noch einmal mehr schauen und sich nicht im guten Glauben auf die eigene Vorfahrt verlassen“, sagt der 57-Jährige.
Was üben die Grundschüler im Fahrradverkehrstraining?
Die kleinen Radfahrer an der Thadenschule üben an diesem Freitag den Schulterblick. Die Reihe führt Krügers Kollege Jens Sulies (65) an. Während der Fahrt dreht er sich um und zeigt mit dem Arm nach hinten. „Ich sehe dich!“, sagt er zu dem Hintermann, der sich dann ebenfalls umdreht – wenn auch etwas wackliger. Anschließend sollen alle einmal den linken Arm, dann den rechten während der Fahrt vom Lenker haben. „Das ist schon etwas schwieriger“, meint eine der Schüler. „Aber das schaffe ich! Ich fahre auch sehr oft Fahrrad.“
Das könnte Sie auch interessieren: „Müssen“ Radfahrer Regeln brechen? Polizei findet klare Worte
Plötzlich kracht es, einer der jungen Fahrschüler ist bei der Übung gestürzt, hält sich weinend das Knie. Krüger eilt zu ihm rüber, spricht kurz mit ihm. Ein paar Minuten später sitzt er wieder auf dem Sattel. „Wir zwingen natürlich keinen, sich aufs Rad zu setzen“, betont der 57-Jährige. „Wenn Kinder zu viel Angst haben, versuchen wir, ihnen diese aber durch behutsames Vorgehen zu nehmen.“
An diesem Freitag ist Heino Krüger ausnahmsweise zufrieden. Von den elf Schülern, die bisher nur in der Sporthalle in der Thadenstraße trainiert haben, würde er alle im nächsten Schritt in den richtigen Straßenverkehr mitnehmen.