Hamburgs Inzidenz explodiert – und Omikron hat wohl einen großen Anteil dran
Die Kurve wird zur Wand – was andernorts noch als Warnung gilt, ist in Hamburg schon Realität: Binnen zehn Tagen ist die Sieben-Tages-Inzidenz in Hamburg um 100 Punkte gestiegen, während sie im Bundesschnitt sinkt. Sehen wir im Norden bereits die Omikronwelle aus Dänemark anrauschen?
Mehr als 1000 neue Fälle pro Tag – inzwischen kennt fast jeder mindestens eine Person im Kollegen-, Freundes- oder Familienkreis mit positivem Testergebnis. Oft doppelt geimpft. Wie hoch der Omikron-Anteil derzeit ist? „Aktuell bei 30 bis 40 Prozent“, schätzt derjenige, der sich in Hamburg am besten damit auskennt: Professor Adam Grundhoff vom Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI).
Die Kurve wird zur Wand – was andernorts noch als Warnung gilt, ist in Hamburg schon Realität: Binnen zehn Tagen ist die Sieben-Tages-Inzidenz in Hamburg um 100 Punkte gestiegen, während sie im Bundesschnitt sinkt. Sehen wir im Norden bereits die Omikronwelle aus Dänemark anrauschen? Laut Expertenschätzung wird das hochansteckende Omikron schon bald die vorherrschende Virusvariante in Hamburg sein.
355,4 – das ist die Inzidenz für Hamburg am 22. Dezember 2021. Mehr als 1000 neue Fälle pro Tag – inzwischen kennt fast jeder mindestens eine Person im Kollegen-, Freundes- oder Familienkreis mit positivem Testergebnis. Oft doppelt geimpft. Zum Vergleich: Weihnachten 2020 lagen wir bei einer Inzidenz von 179 und waren in höchster Alarmbereitschaft, weil niemand geimpft war und die Intensivstationen drohten, in die Knie zu gehen. Nun deutet alles darauf hin, dass Omikron das Zepter übernimmt, die Variante, die den Impfschutz besser austrickst als Delta, zur Erleichterung des Krankenhauspersonals aber mildere Symptome verursacht.
Rollt Omikron aus Dänemark nach Hamburg?
Hat Omikron Hamburg schon im Griff? Festlegen will sich da niemand. „Es gibt von den Instituten noch keine belastbaren Zahlen, inwieweit Omikron für die gegenwärtige Entwicklung verantwortlich ist“, erklärt Senatssprecher Marcel Schweitzer.
Ähnlich vorsichtig äußert sich Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde, zu der Frage, ob der Norden vielleicht aus Richtung Dänemark mit der neuen Variante überflutet wird. Unser kleines Nachbarland wird derzeit förmlich überrollt und meldet täglich mehr als 10.000 Neuinfektionen, zunehmend durch Omikron. „Dass die norddeutschen Bundesländer aufgrund von Verkehrsströmen und Mobilitätsbewegung von einem Eintrag von Varianten aus benachbarten Ländern stärker betroffen sein könnten, ist jedenfalls nicht unplausibel“, so Helfrich etwas umständlich.

Einer, der für belastbare Zahlen zuständig ist, ist Professor Adam Grundhoff vom Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI). Als Mitverantwortlicher der Hamburg Surveillance Plattform überwacht er die Entwicklung neuer Virusvarianten in Hamburg: Sollte sich hier eine Mutation bilden, etwa wie Omikron in Südafrika, wären der Virologe und sein Team die ersten, die es mitbekämen.
Omikron wird bald die Hauptvariante in Hamburg sein
Derzeit dreht sich bei der Arbeit der Forscher viel um das Aufspüren von Omikron in den Virenproben von Infizierten. Festzustellen, ob sich in Rachen und Bronchien eines Corona-Infizierten die Delta- oder die Omikronvariante eingenistet hat, ist ein zeitaufwendiges Prozedere. Derzeit werden 5 bis 10 Prozent der Hamburger Proben in verschiedenen Laboren sequenziert, die Ergebnisse liegen frühestens nach einer Woche vor. In der ersten Dezemberwoche wurde die neue Variante erstmals in Hamburg nachgewiesen, bei nur 2,7 Prozent der Proben. Inzwischen gibt es „mehrere hundert Verdachtsfälle“, wie Gesundheitssenatorin Melanie Leonhardt (SPD) sagt.

Anzunehmen ist, dass sich der Omikron-Anteil an den Infektionen etwa alle drei Tage verdoppelt, so Grundhoff zur MOPO: „Es gibt viele Unsicherheitsfaktoren, aber wir schätzen, dass der Omikron-Anteil aktuell bei 30 bis 40 Prozent liegt.“ Spätestens im Januar, so die vorsichtige Prognose des Experten, werde Omikron im Norden die Delta-Variante in den Hintergrund gedrängt haben. Es könne aber auch anders kommen: „Wenn sich viele Menschen jetzt extrem vorsichtig verhalten, kann das die Ausbreitung auch verlangsamen.“
Spuren von Omikron im Abwasser
Während in München Wissenschaftler in Kläranlagen das Abwasser auf Omikron-Spuren untersuchen (und diese auch finden), hält Hamburg sich bei dieser Form der Früherkennung zurück. Obwohl die Bürgerschaft die Idee zumindest prüfenswert findet, sieht der Senat vorrangig Probleme: „Die Tiefe der Sielsohle erschwert die Probenahme und kann eine technische Grenze darstellen. Die geographische Lage der Zugangsschächte wird in vielen Fällen zu Eingriffen in den Straßenverkehr führen. Der personelle Aufwand ist auf Grund der Arbeitsschutzmaßnahmen hoch“, schreibt der Senat im Oktober in der Drucksache 22/5936 an die Bürgerschaft.
Inzwischen plant Hamburg immerhin, sich für ein Modellprojekt, finanziert durch die EU, zu bewerben, wie die Umweltbehörde mitteilt. Ab wann und in welcher Form das Hamburger Abwasser auf Virenvarianten hin untersucht wird, sei aber noch unklar.
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Aber warum sinken die Inzidenzen im Bundesvergleich, während Hamburg ungläubig auf täglich neue Rekordwerte blickt? Das liege auch an den Kontaktbeschränkungen, die die bevölkerungsreichen Bundesländern eingeführt haben, so Senatssprecher Schweitzer. Andererseits kann der Bundestrend aber auch täuschen, und die Zahlen sinken gar nicht, sondern die Gesundheitsämter in stark betroffenen Regionen kommen schlicht nicht mehr hinterher mit der Meldung der Massen von Neuinfektionen.