Warum gibt es in Hamburg nicht mehr grüne Haltestellen?
Mehr Pflanzen, mehr Insekten, mehr Natur: Vor einem Jahr begrünte Hamburg zwei Bushaltestellen – eine an der Osterstraße und eine an der Stadthausbrücke –, um zu untersuchen, wie das den Schutz von Wildbienen fördert. Das Projekt wird jetzt ausgewertet – erst dann will die Stadt entscheiden, ob weitere folgen. Aber was muss dort eigentlich so lange evaluiert werden?
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Mehr Pflanzen, mehr Insekten, mehr Natur: Vor einem Jahr begrünte Hamburg zwei Bushaltestellen – eine an der Osterstraße und eine an der Stadthausbrücke –, um zu untersuchen, wie das den Schutz von Wildbienen fördert. Das Projekt wird jetzt ausgewertet – erst dann will die Stadt entscheiden, ob weitere folgen. Aber was muss dort eigentlich so lange evaluiert werden?
Spricht man Diplom-Geologe Christian Gerbich auf das Bushaltestellen-Pilotprojekt an, muss er einmal tief durchatmen. „An sich ist in Zeiten von Artensterben jeder Quadratmeter begrünte Fläche begrüßenswert“, sagt der Naturschutz-Referent des Hamburger Nabu. „Aber in seiner Wirkung ist das Projekt sehr begrenzt.“
Grüne Haltestellen in Hamburg: Das sagt der Nabu
Auf den Haltestellen trockne der Boden sehr schnell aus und auch der Wasserspeicher-Effekt sei überaus gering. „Es war mal eine Zahl von 1500 begrünten Haltestellen im Gespräch. Wenn man vier Quadratmeter im Schnitt rechnet und die Flächen zusammenzählt, würde eine insektenfreundliche Wiese mehr nutzen, als diese Haltestellen“, sagt Gerbich.
Er wolle die Wirkung und Aussagekraft der grünen Busstops gar nicht mindern. „Trotzdem steht das politische Engagement und der Parlamentarismus in keinem Verhältnis zum Nutzen.“
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), der das einjährige Projekt im Juni 2021 zusammen mit dem Geschäftsführer des beteiligten Außenwerbeunternehmen „Wall“ vorgestellt hatte, betonte damals wiederum die vielen Vorteile: Die Begrünung sorge nicht nur für ein besseres Mikroklima, ein grüneres Stadtbild sowie sauberere Luft, „sondern flankiert auch die Klimaziele des Senats“.
Grüne Bushaltestellen: Folgen noch weitere?
Inzwischen ist das Probe-Jahr rum, die Verkehrsbehörde kann auf Nachfrage allerdings keinerlei Auskunft geben, ob das Projekt ein Erfolg war. „Für die korrekte Evaluation ist ein voller Jahreszeitenwechsel nötig, daher liegen die Ergebnisse voraussichtlich erst Ende 2022 vor“, heißt es. Auch ob die Behörde eine ganzstädtische Haltestellen-Begrünung grundsätzlich unterstützt, bleibt unklar. Dabei machen es andere Städte schon vor: Zum Beispiel das niederländische Utrecht oder das schwedische Göteborg.
Die Deutsche Wildtierstiftung, die das Projekt betreut, kann immerhin einen Zwischenstand geben: „Es lässt sich bereits festhalten, dass sich die Dachbegrünungen sehr gut entwickelt haben“, sagt Sprecherin Jennifer Calvi. „Trotz teilweise starker Trockenheit. Nur wenige der gepflanzten Blühstauden sind eingegangen.“ Sie betont, dass Dachbegrünungen aber immer nur als Ergänzung zu anderen Maßnahmen gelten könnten.
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Und die sieht Christian Gerbich vor allem in insektenfreundlichen Wiesen, die bis vor fünf Jahren in Hamburg gar kein Thema gewesen seien. „Punktuell hat es ein Umdenken gegeben“, sagt er. „Allerdings ist das Anlegen der Wiese das eine, das Wichtige ist die richtige Pflege.“ Denn diese dürften nur ein bis zwei Mal jährlich gemäht werden. Das erfordere spezielle Maschinen. „Es ist auch wichtig, dass nie die gesamte Fläche abgemäht wird, sondern immer ein Punkt bestehen bleibt“, ergänzt Gerbich.
Wo gibt es in Hamburg insektenfreundliche Wiesen?
Verantwortlich für Hamburgs Grünflächen sind die einzelnen Bezirke. In Altona seien die Bedingungen für eine Wildblumenfläche allerdings aufgrund der vielen Schatten- und Wurzelbereiche der Bäume sowie den dicht bebauten Wohnquartieren oft nicht gegeben, sagt Sprecher Mike Schlink. Ausnahmen seien etwa der Hauptfriedhof oder die Kleingarten-Anlagen.
Wandsbek legt laut eigener Aussage seit 2019 „bewusst Blühwiesen für Insekten an“ Mit zehn Standorten sei man gestartet, sagt Sprecherin Claudia Petschallies, inzwischen gebe es 25. In diesem Jahr seien noch zwei weitere geplant: eine am Oldenfelder Bürgerpark und eine im Park Hohenhorst. Harburg verweist auf seine fünf Insektenhotels, die unter anderem im Harburger Stadtpark stehen.
„Natürlich Hamburg“ soll Blühwiesen in die Stadt bringen
Im Bezirk Mitte verteilen sich laut Sprecherin Sorina Weiland insgesamt 15.000 Quadratmeter Wiesen- und Wildblumenflächen auf die Horner Geest. Weitere 20.000 Quadratmeter sollen im Wihelmsburger Inselpark und im Bereich der ehemaligen Wilhelmsburger Reichsstraße entstehen.
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Hamburg will aber auch ganzstädtisch mehr Blühwiesen etablieren: Helfen soll das Projekt „Natürlich Hamburg“ der Umweltbehörde, das vom Bundesamt für Naturschutz gefördert wird. Für 19 Naturschutzgebiete, 20 Parks und drei Bitope wurden darin entsprechende Pläne erstellt, die bis 2030 umgesetzt werden sollen.