Hamburgs Food-Trends 2024: Regionales, Rohkost und Fische aus dem Reagenzglas
Was ist neu in Hamburgs Food- und Gastro-Szene? Worüber sprechen Produktentwickler und Gastronomen? Das verrät der Experte Hannes Arendholz der MOPO: Warum das „Bio“-Siegel an Wichtigkeit verliert, Rohkost-Teller auch in Restaurants groß rauskommen werden und mit welchen verrückten Ideen Hamburger Unternehmer für Fleisch-Alternativen sorgen.
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Was ist neu in Hamburgs Food- und Gastro-Szene? Worüber sprechen Produktentwickler und Gastronomen? Das verrät der Experte Hannes Arendholz der MOPO: Warum das „Bio“-Siegel an Wichtigkeit verliert, Rohkost-Teller auch in Restaurants groß rauskommen werden und mit welchen verrückten Ideen Hamburger Unternehmer für Fleisch-Alternativen sorgen.
Mit Trends rund ums Essen kennt Hannes Arendholz sich aus: Der 40-jährige Hamburger ist gelernter Koch, Produktentwickler für die Lebensmittelindustrie und einer der beiden Gründer der digitalen Rezept-Plattform „Foodboom“. Sein Unternehmen ist wirtschaftlich etwas in Schieflage geraten, galt aber bisher als führende Foodmarketing-Agentur. Was 2024 wichtig wird, hat Arendholz der MOPO verraten.
Regionales löst „Bio“ ab
„Immer mehr Menschen achten beim Einkaufen mittlerweile mehr darauf, wo das Lebensmittel herkommt und wer der Erzeuger ist, als explizit auf das ,Bio‘-Siegel“, sagt Hannes Arendholz. Denn auch „Bio“-Produkte hätten manchmal lange Wege hinter sich. Und: „Die meisten Produzenten und Bauern bieten inzwischen Lebensmittel in Bio-Qualität an, allerdings ohne kostspielige Zertifizierung, für die auch jedes Jahr wieder Beiträge fällig werden. Wer kann sich das heute noch leisten?“ Stattdessen informierten viele Erzeuger sehr transparent über die Herstellung und Herkunft ihrer Lebensmittel. „Selbst große Supermärkte wie Edeka, Rewe oder Aldi zeigen heute offen, woher ihr Obst und Gemüse kommen – meist aus einem Umkreis von maximal 100 Kilometern.“
„Local Exotics“
„Aktuell geht es auch darum, exotische Lebensmittel in der Nähe der Verbraucher anzubauen, anstatt sie von weit entfernten Orten zu importieren“, so Arendholz. Durch „Indoor Farming“, also den Anbau in einer Halle oder einem Gewächshaus, sollen so zum Beispiel auch exotische Früchte an Orten mit weniger günstigem Klima wachsen. „Der Ansatz ist, kulinarische Vielfalt zu fördern, lokale Landwirte zu unterstützen und gleichzeitig die Umweltauswirkungen der Lebensmittelproduktion zu verringern.“
Rohkost als Trend
„Immer mehr Menschen achten auf eine gesündere Lebensweise. Deshalb wird es einen Rohkost-Trend geben“, ist sich Hannes Arendholz sicher. Rohkost sei viel mehr als nur aufgeschnittene Paprika und Möhre. „Auch fermentiertes Gemüse wie Kimchi oder Gedörrtes gehören dazu. Gemüse, das nicht gekocht wird, beinhaltet noch alle Vitamine, Enzyme und Mineralstoffe. Davon nimmt der Körper tatsächlich alles auf.“ Wenn man nur gekochte Sachen isst, bekomme der Körper nicht das, was er eigentlich brauche. „2024 wird vermehrt Rohkost auf dem Speiseplan einiger Restaurants landen – ein Anfang davon waren die Bowls. Aber auch kalte Gemüsesuppen wie Gazpacho oder Gurkensuppe werden bald vermehrt auf der Karte stehen“, so der Experte.
Vietnamesische Küche
Die vietnamesische Küche werde nochmal mehr an Beliebtheit gewinnen. „In vielen Foodblogs und in den sozialen Medien ist das schon zu erkennen.“ Und auch das liege am Gesundheitsaspekt: „Diese Küche bietet einen gesunden Mischmasch – ein bisschen was Gekochtes, ein bisschen was Knackiges, viele unterschiedliche, spannende Gewürzmischungen.“
Neue Ersatzprodukte
„Es wird immer weniger Fleisch gegessen“, sagt Hannes Arendholz. „Ich würde sagen, pflanzliche Ernährung ist nicht mehr nur auf dem Vormarsch, sie ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Das sieht man ja auch an der Fülle von Fleisch-Ersatzprodukten, die es mittlerweile im Supermarkt gibt.“ Jetzt werde es darum gehen, weitere innovative Technologien zu finden, um Lebensmittel jenseits von Fleisch zu produzieren. Und da gebe es viele kreative Ideen, auch in Hamburg.
„Mara Thiele von ,Plantlike‘ baut zum Beispiel den Igelstachelbartpilz an, der eine super Fleisch-Alternative sein kann. Sie züchtet ihn auf Biertrester, einem Nebenprodukt der Bierherstellung“, so Arendholz. „Und Sebastian Rakers von ,Bluu Seafood‘ aus Altona hat einen zellbasierten Fisch im Bioreaktor kreiert. Auch wenn die Zulassung in Deutschland noch dauern wird – in den USA und in Singapur versucht er jetzt, auf den Markt zu kommen.“
„Zero Waste“
Ob zu Hause oder in der Restaurantküche – der Trend gehe dahin, wirklich alles an einer Zutat zu verarbeiten. Food-Influencer hätten das Thema nun noch mal groß gemacht. Und auch Hannes Arendholz setzt das schon selbst um: „Wenn ich Blumenkohl kaufe, verkoche ich die Außenblätter und den Strunk in einem Schnellkochtopf zu einer Suppe. Püriert fällt niemandem auf, dass es eigentlich aus dem gekocht wurde, was viele auf den Kompost schmeißen. Auch braune Bananen, die viele wegwerfen, lassen sich super schälen und einfrieren – und sind schnell zu einem Shake oder mit Kokosmilch zu einem Blitz-Eis verarbeitet.“ Jedes Restaurant, das heute Lebensmittel in den Müll schmeiße, werfe ja bares Geld weg. „In den Küchen werden aus Gemüseschalen Gewürzbrühen aufgesetzt. Fleischabschnitte werden gesammelt und eingefroren – und zu einer kräftigen Soße oder zu Frikadellen verarbeitet.“
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Frauenpower
Noch ein Trend sei ganz klar zu erkennen: „Es gibt in der Gastro-Branche derzeit echte Frauenpower. Es sind Köchinnen, Foodbloggerinnen, Winzerinnen oder Bäckerinnen, die auf Social Media eine ordentliche Welle schlagen und das Handwerk auf ihre lockere Art und Weise präsentieren“, so Hannes Arendholz. „Und sie finden Gehör.“ Beispiele seien die Hamburgerinnen Sophia Hoffmann (Restaurant „Happa“) und Janine Op het Veld („Ændré“). Die Gastronomie war bisher eine Männerdomäne, das wandele sich jetzt. „Und das Spannende daran: Die Frauen bringen auch wichtige sozial-ökologische Themen auf den Tisch.“ Diese Bewegung hat sogar einen Begriff: „Female Connoisseurs“ („weibliche Gastro-Kenner“).