Chef geht in Ruhestand: Bleibt dieser Hamburger Kult-Club bestehen?
Der „Cotton Club“ in der Nähe des Großneumarkts gilt als ältester Jazzclub Hamburgs. Seit mehr als 60 Jahren steht Inhaber Dieter Roloff hier selbst hinterm Tresen – jetzt geht er in den Ruhestand. Die MOPO hat mit dem 78-Jährigen über die Anfänge und die Zukunft des Clubs gesprochen. Und wie er bereits als Teenie plötzlich Club-Inhaber wurde ...
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Der „Cotton Club“ in der Nähe des Großneumarkts gilt als ältester Jazzclub Hamburgs. Seit mehr als 60 Jahren steht Inhaber Dieter Roloff hier selbst hinterm Tresen – jetzt geht er in den Ruhestand. Die MOPO hat mit dem 78-Jährigen über die Anfänge und die Zukunft des Clubs gesprochen.
Im Keller des weißen Eckhauses am Alten Steinweg 10 hat der „Cotton Club“ seine Heimat. Ein paar Stufen geht es hinab, durch eine blaue Holztür mit Glasfenstern und direkt an den Tresen. „Ich stehe im Club zumeist hinterm Tresen. Viele kannten mich lange Zeit nicht. Ich war hier einfach der Zapfer“, sagt Inhaber Dieter Roloff.
„Cotton Club“ in Hamburg: Roloff geht in den Ruhestand
Die dunkle Holzvertäfelung, das schummrige Lichte und hunderte von Fotos an den Wänden machen den Jazz-Keller zu einer charmanten Zeitkapsel. Hier gibt es noch handgemachte Musik. Die Bühne des Clubs steht mitten im Veranstaltungsraum. Sie lässt das Publikum ganz nah an die Musiker heran.
Roloff ist niemand, der im Mittelpunkt stehen will. Wenn am 26. März seine Abschiedsveranstaltung stattfindet, dann müsse man ihn eher „zwingen, auf die Bühne zu gehen.“
„Cotton Club“: Dieter Roloff entdeckt die Welt das Jazz
Seine Leidenschaft für den Jazz entdeckte er, als er etwa 13 Jahre alt war. „Mein Cousin wohnte über mir und hörte immer Jazz-Platten, dadurch ging es los“, erinnert er sich. Einer der ersten Musiker, die ihn in den 1950ern begeisterten, war der Pate des britischen Jazz: Chris Barber (†) wurde mit Hits wie „Petite Fleur“ und „Ice Cream“ weltberühmt.
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Roloff tauchte ein in die Welt des Jazz und lauschte Bands in den Gasthöfen im Alten Land. „So bin ich bei einem Club gelandet, der hieß ,Vati’s Tube Jazzclub’“, erzählt er. Nach ein paar Mal fragte man ihn dort, ob er mal die Kasse machen könnte. „Kurz danach hörte ich, dass sie mit dem Club aufhören wollten. Da habe ich aus Spaß gesagt: Dann kann ich es machen.“
„Cotton Club“-Chef: Mit 17 Jahren plötzlich Club-Inhaber
Plötzlich war der 17-jährige Lehrling Inhaber eines Jazz-Clubs. Damals lief das alles noch privat und ohne Konzession. 1963 taufte Roloff seinen Club in „Cotton Club“ um und zog im Laufe der Jahre immer wieder um: Unter anderem war er am Grindelhof in einem Tiefbunker, an der Müggenkampstraße, am Berliner Tor und am Poelchaukamp zu Hause. In den Keller im Alten Steinweg zog der Club erst 1971 ein.
Nicht nur traditionellen Jazz gibt es im „Cotton Club“ – es treten auch Künstler anderer Musikrichtungen wie Blues, Country, Western oder Swing auf. „Ein Freund von mir erzählte mir mal von Truck Stop, die im ,Onkel Pö‘ spielten, aber da kam keiner“, erzählt Roloff. „Ich sagte, die holen wir sofort hierher.“ Beim ersten Mal seien rund 30 Leute da gewesen und beim zweiten Mal war der Laden gerammelt voll. „Dann konnten sie auch plötzlich woanders spielen.“
Der Hamburger „Cotton Club“ startet durch
Der Club und der Jazz sind Roloffs Leben, so verwundert es kaum, dass er auch seine heutige Ehefrau hier vor über 40 Jahren traf. „Sie war mit einer Freundin unterwegs und die beiden wollten eigentlich woanders hin, aber der Laden war überfüllt. So sind sie hier gelandet und wir kamen ins Gespräch“, sagt Roloff.
Früher betrieb er noch weitere Läden, heute gibt es nur noch den einen: „Die meisten vermuten nicht, wie viel Arbeit so ein Laden macht. Die sehen nur: Um 20 Uhr wird aufgemacht und der Chef geht um 23 Uhr nach Hause, um am nächsten Tag in die Kasse zu gucken“, sagt er. „Aber ich bin immer schon ab 15 Uhr hier im Laden und bereite alles vor.“
„Cotton Club“ Hamburg: Ein Leben für den Live-Jazz
Auch das Booking der Bands übernimmt Roloff selbst. Die Nachfrage für Auftritte ist nach wie vor hoch. Das könnte zusätzlich am Geschäftsmodell liegen: Die Bands erhalten das gesamte Eintrittsgeld und der Club finanziert sich über die Bar. Inzwischen hat der Club sogar sein eigenes Bier, das „Cotton-Pils“. Welche Brauerei es liefert? Das ist streng geheim.
Buchen, Tresen, Kasse – es gibt eigentlich nur eines, was Allroundtalent Roloff im Club nicht selbst übernimmt: Ein Instrument spielen. „Der da oben will das nicht“, sagt Roloff. „Ich habe mir mal eine Posaune gekauft, aber das war meinen Eltern zu laut. Dann musste ich die zurückgeben. Danach hatte ich mir eine Trompete geliehen und die wurde gestohlen.“
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Jeden Tag, außer am Sonntag, gibt es im Keller Live-Musik – wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht. Besonders die Touristen fehlen, die teilweise extra wegen des Clubs nach Hamburg reisen. Auch an diesem Abend bleibt die Bühne leer, die Band hat ihre gesamte Tour abgesagt.
„Cotton Club“-Chef Roloff ist Allrounder
Bis zu 180 Leute sitzen sonst an den dunklen Holztischen und lauschen der Musik. In der Pandemie habe es Tage gegeben, „da kamen gerade mal drei Besucher. Wir merken aber, dass es jetzt langsam wieder besser wird.“
Obwohl Roloff nun in den Ruhestand geht – „altersbedingt“, wie er sagt –, bleibt der Club bestehen. Es gibt zwei Musiker, die den Laden jetzt übernehmen wollen. Namen will er keine nennen, denn die Verträge sind noch nicht unterschrieben. „Wahrscheinlich wird der Club im April für einen Monat schließen und im Mai geht es wieder los.“
Der „Cotton Club“ in Hamburg und die Pandemie
Seinen Nachfolgern gibt Roloff mit, dass sie Ausdauer haben sollen. „Man muss nicht auf andere Leute hören und wissen, was man will. Wenn sie von Bands überzeugt sind und beim ersten Mal nicht viele Gäste kommen, dann bekommen sie eben noch mehr Chancen.“ Als Gast will Roloff auch weiterhin gern in den Club kommen: „Ich werde alles hier vermissen.“
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