Hamburgs Bildungspläne: Im Rückwärtsgang in die Zukunft
Rechtzeitig zum neuen Schuljahr beginnt die Debatte über die Bildungspläne für Hamburgs Schulen, die Ties Rabe (SPD) vor der Sommerpause vorgelegt hat. Der Schulsenator wird mit den Schulleitungen über die zukünftigen Richtlinien für den Lernbetrieb der Zukunft diskutieren, bevor diese dann 2023 in Kraft treten sollen. Aber die Fronten sind verhärtet, schreibt MOPO-Kolumnist Marco Carini.
Die Verbände, die Lehrende und Lernende, Eltern und Schulleitungen vertreten und sich zu einem „Bündnis für zukunftsfähige Schulen in Hamburg“ zusammengeschlossen haben, üben jedenfalls vernichtende Kritik an den Plänen aus dem Hause Rabe. „Inhaltlich total überfrachtet“ seien sie. Die Schüler und Schülerinnen werden so mit Fakten vollgestopft, als sollten ihre Hirne mit der Google-Suchmaschine konkurrieren. Die Bildungsgewerkschaft GEW spricht gar von einem „Bulimie-Lernen“, das in den neuen Bildungsplänen verankert sei.
Rechtzeitig zum neuen Schuljahr beginnt die Debatte über die Bildungspläne für Hamburgs Schulen, die Ties Rabe (SPD) vor der Sommerpause vorgelegt hat. Der Schulsenator wird mit den Schulleitungen über die zukünftigen Richtlinien für den Lernbetrieb der Zukunft diskutieren, bevor diese dann 2023 in Kraft treten sollen. Aber die Fronten sind verhärtet, schreibt MOPO-Kolumnist Marco Carini.
Die Verbände, die Lehrende und Lernende, Eltern und Schulleitungen vertreten und sich zu einem „Bündnis für zukunftsfähige Schulen in Hamburg“ zusammengeschlossen haben, üben jedenfalls vernichtende Kritik an den Plänen aus dem Hause Rabe. „Inhaltlich total überfrachtet“ seien sie. Die Schüler und Schülerinnen werden so mit Fakten vollgestopft, als sollten ihre Hirne mit der Google-Suchmaschine konkurrieren. Die Bildungsgewerkschaft GEW spricht gar von einem „Bulimie-Lernen“, das in den neuen Bildungsplänen verankert sei.
„Wichtiger als Faktenwissen sind die Einordnung und Bewertung eines Stoffs, die eigene Positionsfindung und der verantwortungsvolle Umgang mit den neuen Medien im Zeitalter von Fake News“, erklärt Christian Gefert von der Vereinigung der Leitungen Hamburger Gymnasien und Studienseminare (VLHGS), die kommende Woche einen Termin bei Rabe hat. Für die „Ausbildung von Kreativität, kritischem Denken, Zusammenarbeit und Kommunikation“ bliebe „aufgrund der Stoffverdichtung aber keine Zeit mehr“, beklagt Thimo Witting, Sprecher der Schulleiter und Schulleiterinnen der Stadtteilschulen.
Hamburgs Bildungspläne: Lehrende und Lernende uneins
Rabe hingegen betont, der „Widerspruch zwischen Stofflichkeit und Kompetenzorierentierung“ sei „konstruiert, den gibt es nicht“. Seinen Kritikerinnen und Kritikern wirft er vor, „so zu tun, als ob die Gegenwart völlig ohne Fakten auskomme“.

Doch nicht nur die Faktendichte, auch die Zahl der Klausuren will der Schulsenator erhöhen. Klausurersatzleistungen wie Referate oder Präsentationen werden nicht mehr akzeptiert.
„Rabes didaktisch-pädagogischer Ansatz ist völlig überholt. Die geplanten Veränderungen führen zu einem Unterrichtsklima, das nicht lernförderlich ist und der individuellen Lernentwicklung zu wenig Raum lässt. Sie verhindern guten Unterricht“, fasst Kai Kobelt von der Lehrerkammer die Kritik zusammen. Die Lernenden, befürchtet wiederum die Schülerkammer, empfänden das als „kontinuierliches Gehetze von Thema zu Thema, von Klausur zu Klausur“. Jede Lernmotivation bliebe so auf der Strecke.

Rabe gibt zu, mit der Kritik „in dieser Schärfe nicht gerechnet zu haben“ und kündigt an, sich bei der einen oder anderen Leistungsanforderung mit seinen Kritikerinnen und Kritikern „auf halber Strecke treffen“ zu wollen. Dass er bereit ist, ein wenig nachzujustieren, reicht vielen aber nicht. „Es geht darum, die gesamten Pläne in eine andere Richtung zu bringen“, betont Gefert. Das aber schließt Rabe kategorisch aus: „Die Leitlinien der Bildungspläne stehen nicht zur Debatte.“
Ties Rabe tut Kritik als „ideologisch motiviert“ ab
„Es wird Kompromisse geben, was die Vielzahl der Klausuren betrifft, aber beim hinter den Plänen stehenden Bildungsbegriff, der nur auf Leistung und nicht auf individuelle Bildungsgerechtigkeit und Persönlichkeitsentwicklung abzielt, wir es schwierig, die Gräben zu überwinden“, sagt GEW-Chef Sven Quiring.„Rabe ist ein Mann der Rezepte von vorgestern. Er erklärt einem, wie die Welt und die Schule funktionieren und ist kaum bereit, seine Positionen mit der Praxis abzugleichen. Seine Neunziger-Jahre-Pädagogik nimmt die neueste Forschung einfach nicht zur Kenntnis.“
Ähnlich scharfe Worte findet Kai Kobelt: „Rabe ist niemand, der neue Wege geht.“ Thimo Witting geht da noch weiter: „Wenn wir, wie in den letzten 150 Jahren, den Fokus auf Faktenlernen richten, werden wir die starken Schülerinnen und Schüler nicht zu Exzellenzen machen und die Schwächeren weiter abhängen.“
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Rabe tut vieles an der Kritik als „ideologisch motiviert“ ab. So läuft letztlich alles auf einen Machtkampf hinaus. Als Bildungssenator hat Rabe natürlich die Macht, seine Konzepte auch gegen die Stimmen aller Interessenvertretungen des Bildungsbereichs durchzusetzen. Doch dann hätte er so ziemlich alle, die im Schulsystem Verantwortung tragen, zum Gegner – eine Frontstellung, die nur diejenigen stärkt, die meinen, nach elf Jahren Rabe sei es Zeit, frischen Wind durch die Schulbehörde wehen zu lassen.