Hamburgs Ärzte gehen auf die Barrikaden: Deshalb bleiben am Mittwoch die Praxen zu
Unmut bei Hamburgs Ärzten und Psychotherapeuten: Aus Protest gegen das Spargesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollen die niedergelassenen Mediziner am kommenden Mittwochvormittag ihre Praxen schließen. Sie warnen: Wenn sie weniger Geld bekommen, gerate die Versorgung der Patienten in Gefahr.
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Unmut bei Hamburgs Ärzten und Psychotherapeuten: Aus Protest gegen das Spargesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wollen die niedergelassenen Mediziner am kommenden Mittwochvormittag ihre Praxen schließen. Sie warnen: Wenn sie weniger Geld bekommen, gerate die Versorgung der Patienten in Gefahr.
Es ist ein schauriges Bild, mit dem die Hamburger Kassenärzte ihre Botschaft am Freitag wirkungsvoll in Szene setzen: Auf der Pressekonferenz zu den Praxisschließungen zeigten sie eine Karikatur Karl Lauterbachs als Graf Dracula. Die Zähne sind spitz, die Hände greifen nach einer Arztpraxis. Im Hintergrund flattern Vampire. Und über allem prangt in blutiger Schrift der Satz: „Lauterbach saugt Praxen aus“.
Aus Protest: Hamburgs Ärzte wollen Mittwoch ihre Praxen schließen
Dabei hat die Sache einen ganz nüchternen Hintergrund: Um das finanzielle Loch bei den Krankenkassen zu stopfen, hat das Bundesgesundheitsministerium das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz auf den Weg gebracht. Neben verschiedenen Maßnahmen, zu denen auch erhöhte Zusatzbeiträge gehören, sieht das Gesetz auch einen Wegfall der Neupatientenregelung vor. Diese sorgte seit 2019 dafür, dass Ärzte die Behandlung neuer Patienten voll bezahlt bekamen, während die Behandlung regelmäßiger Patienten gedeckelt war und nur zu 80 Prozent honoriert wurde.
„Dagegen müssen wir uns wehren“, erklärte Dr. Björn Parey, Vizevorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KVH). Die Kürzung treffe die Praxen in einer Zeit, in der sie angesichts der hohen Inflation und explodierender Energiekosten ohnehin unter Druck stünden. Eine geringere Vergütung würde zwangsläufig zu einer schlechteren Versorgung der Patienten führen.
Ärzte sehen medizinische Versorgungslage in Hamburg in Gefahr
Was das genau bedeute, erklärte Andreas Bollkämper, Facharzt für Radiologie und Leiter der Protestkampagne. Seit 2019 hätten Hamburgs Ärzte im Gegenzug für die höheren Honorare für Neupatienten ihr Versorgungsangebot erweitert und offene Sprechstunden eingeführt. „Die Patienten bekommen seitdem schneller Termine und haben keine langen Wartezeiten mehr“, so Bollkämper. Dafür seien die Praxen umgebaut und neues Personal eingestellt worden. Falle diese Regelung jetzt weg, sei das nicht nur zutiefst „unfair“, findet der Radiologe, es führe auch wieder zu Terminengpässen und Nachteilen für die Patienten.
„Wenn künftig die Wartezeiten auf Facharzttermine länger werden, führt das dazu, dass unsere Patientinnen und Patienten mit dringendem Behandlungsbedarf verstärkt in der Klinik landen“, warnte auch Silke Lüder, Hausärztin in Neuallermöhe. „Das ist schlecht für sie und verteuert die Versorgung.“
Ärzte: Neupatienten-Regelung deckt ein Großteil der Praxiskosten
Wie viel Geld die Neupatienten den Praxen bringen bzw. wieviel Prozent sie ausmachen, konnten die Ärzte-Vertreter nicht genau sagen. Das sei je nach Praxis sehr unterschiedlich. KVH-Vorstand John Afful schätzt, dass die Neupatienten bei Hausärzten etwa zehn bis 15 Prozent ausmachen, bei Orthopäden bis zu 40 Prozent.
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Der HNO-Arzt und ehemalige Leiter des Impfzentrums, Dr. Dirk Heinrich, erklärte gegenüber der MOPO, bei ihm seien 40 Prozent der Patienten Neupatienten. Das Spargesetz stelle für ihn eine Leistungskürzung dar, die massive Auswirkungen auf seinen Praxisbetrieb haben könnte. „Das bewegt sich in der Höhe von ein bis zwei Gehältern der medizinischen Fachangestellten“, so Heinrich.
Ärzte-Streik am Mittwoch: Notversorgung ist sichergestellt
Laut John Afful hat sich die Versorgung von Neupatienten in Hamburg allein bis Ende 2021 um 19 Prozent auf eine Anzahl von insgesamt 6,1 Millionen erhöht. Insgesamt seien die Behandlungen in Hamburger Praxen um vier Prozent gestiegen, was auch in den sozial schwächeren Stadtteilen zu einer besseren Versorgung geführt habe.
Was den nächsten Mittwoch angehe, betonte Afful, man habe für den Streik einen Termin gewählt, an dem viele Praxen ohnehin geschlossen wären. Er rechne mit einer hohen Anzahl an Teilnehmern. Patienten müssten sich keine Sorgen machen. Afful: „Eine Notversorgung ist sichergestellt.“