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Alexandra Zykunov ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet in Vollzeit. In ihrem Buch „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt“ lässt sie ihre Wut über Ungerechtigkeiten in der Welt einer Frau und Mutter freien Lauf.
  • Alexandra Zykunov ist Mutter von zwei Kindern und arbeitet in Vollzeit. In ihrem Buch „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt“ lässt sie ihre Wut über Ungerechtigkeiten in der Welt einer Frau und Mutter freien Lauf.
  • Foto: Samira Debbeler

Gleichberechtigung: Hamburgerin wehrt sich gegen „Bullshit“

Dass Frauen in vielen Berufen schlechter bezahlt werden als Männer oder auch Karrieren aufgeben, um sich um Kinder zu kümmern, ist teilweise heute noch so. Eine Hamburger Journalistin, Influencerin und Mutter bringt das so sehr auf die Palme, dass sie ein Buch darüber geschrieben hat. Die MOPO sprach mit Autorin Alexandra Zykunov über Gleichberechtigung, Kind und Karriere und über „Care-Arbeit“, wie sie die Kinderbetreuung nennt.

MOPO: In Ihrem Buch „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!“ behandeln Sie 25 „Bullshit-Sätze“ – so wie Sie sie nennen – die Frauen tagtäglich an den Kopf geworfen werden. Also beispielsweise Sätze wie: „Hast du ein Glück, dass dein Mann zu Hause so viel mithilft!“ Oder „Übertreib mal nicht. Frauen werden hier doch nicht unterdrückt.“ Oder: „Wir sind doch alle längst gleichberechtigt”. Haben Sie sich eigentlich auch schon mal dabei ertappt, dass Sie so einen „Bullshit-Satz” selbst gesagt haben?

Alexandra Zykunov: Ja, total. Sowas wie: ‚Du musst doch mal deinen Typen auf den Pott setzen‘ Das habe ich nicht nur gegenüber Freundinnen gesagt, sondern auch als Journalistin in meinen Artikeln geschrieben. Für mich war es selbstverständlich, dass man sich mit seinem Partner streiten und ihn „auf den Pott setzen“ kann. Dass nicht jede Frau so privilegiert ist und jede dritte bis vierte Frau in Deutschland schon mal Gewalt in ihrer Partnerschaft erfahren hat und da nicht viel ist mit „Typ auf den Pott setzen“ – das kam mir erst später in den Sinn. Außerdem suchen wir mit diesem „Tipp“ schon wieder bei den Frauen nach Lösungen für ihre eigene Diskriminierung und denken, dass die Frauen selbst das Problem sind. Sie müssen nur mehr streiten, nur besser verhandeln, dann erreichen sie schon Gleichberechtigung. Aber das Problem sind nicht die Frauen, das Problem ist das System, das sie diskriminiert.

Auf Ihrem Instagram-Account bekommt man auch Einblicke in Ihr Privatleben und das System, das Sie und Ihr Partner in Ihrem Alltag fahren, damit jeder von Ihnen gleichberechtigt ist. Verfallen Sie dennoch manchmal in alte Rollenbilder?

Ab und zu passiert es in extremen Stresssituationen, wenn Care-Arbeit und Erwerbsarbeit uns gleichermaßen doll beanspruchen, dass mein Partner dann sowas sagt wie: ‚Alex, wie sieht es hier denn aus? Wieso ist hier nicht aufgeräumt?‘. Andersrum erwische ich mich auch dabei, wie ich Sachen für die Kinder rauslege, wenn mein Partner mit der Betreuung dran ist, weil ich dann denke, er würde sie zu dünn anziehen. Dann fangen wir uns aber auch wieder. Mein Mann weiß natürlich, dass er genauso für die dreckige Küche verantwortlich ist und ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass unsere Kinder schließlich noch nie krank geworden sind, weil mein Partner sie angeblich zu dünn angezogen hat.

Was sagen Sie denn zu Frauen, die es in Ordnung finden, Vollzeit-Hausfrau zu sein, weniger Geld zu verdienen und dem Mann nach dem Feierabend das Essen zu servieren?

Ich finde es vollkommen legitim, wenn Frauen sich dazu entscheiden, Vollzeit-Hausfrau zu sein und Care-Arbeit zu leisten. Zumal es auch ein um Längen härterer Job sein kann als viele durchschnittliche Bürojobs, die wir so kennen. Ich finde es auch schwierig, dass die feministische Bubble es manchmal so darstellt, als sei Hausfrau sein unfeministisch. Das Problem ist aber, dass diese Frauen weniger Geld verdienen. Eine Frau mit Kindern wird im Laufe ihres Lebens eine halbe Million Euro weniger Lebenseinkommen erwirtschaftet haben als ein Mann. Mehr als 60 Prozent aller Ehefrauen zwischen 30 und 50 hierzulande haben weniger als 1000 Euro netto im Monat zur Verfügung, oftmals weil sie für die Familie ihre Jobs reduzieren oder komplett aufgeben. Es kann nicht sein, dass die Entscheidung, sich in Vollzeit um die Kinder zu kümmern oder auch Angehörige zu pflegen, gleichzeitig mit Altersarmut einhergeht. Care-Arbeit müsste bezahlt werden, Menschen, die pflegen, müssten radikal steuerlich entlastet werden oder man müsste diese Arbeit durch Rentenpunkte viel höher vergüten als es aktuell der Fall ist.

Gab es einen konkreten Auslöser für Ihre Buchidee?

Tatsächlich ist es Social Media gewesen. Meine Instagram-Community ist in den letzten vier Jahren auf 30.000 Menschen gewachsen. Die Leute fingen dann irgendwann an, sich in meinen Texten wiederzufinden. Ich habe mich halt auch mal kritisch mit Mutterschaft und der Frauenrolle auseinandergesetzt. Ich habe gemerkt, dass ich vielen Menschen aus der Seele sprach. Die Leute fingen an, mir Anekdoten aus ihrem Leben zu schicken. Ein Beispiel: Ein Mann bekam von seinem Chef zu hören: ‚Warum willst du denn in Elternzeit gehen? Willst du deiner Frau die Titten halten?‘. Ich wurde dann gefragt, wie man auf solche Aussagen reagieren soll. Und die Antworten liefere ich nun in meinem Buch.

Was müsste Ihrer Meinung nach die Politik anders machen, damit sich derartige Probleme auflösen?

Das Problem ist, dass wir immer noch in einem Land leben, das Hausarbeit und Erziehung größtenteils bei der Mutter sieht – der Klassiker: „Ein Kind gehört zur Mutter“ – , wir aber Frauen für eben diese Sorgearbeit nicht entlohnen. Man muss also einen Weg finden, Care-Arbeit zu bezahlen, aber so, dass es nicht wieder nur die Mütter an den Herd bindet. Eine Diskriminierung von Frauen und vorwiegend Müttern im Beruf müsste abgestraft werden. Zum Beispiel gibt es unzählige Fälle von Frauen, die nicht befördert werden, weil sie bald ein Kind bekommen könnten, oder weil sie gerade ein Kind bekommen haben, oder ein zweites kriegen könnten. Im Grunde landen Frauen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 beruflich irgendwann auf dem Abstellgleis – Männer aber nicht. Gegen sowas kann man bisher nicht klagen, weil das Gesetz hier keine Diskriminierung sieht. Es gibt im Anti-Diskriminierungsgesetz aktuell keine Formulierung, die neben Hautfarbe oder Religion auch Elternschaft als Diskriminierungsmerkmal in das Gesetz einbezieht. Man hat also keine rechtliche Handhabe. Unser Steuersystem sollte auch angepasst werden, vor allem für Alleinerziehende – in neun von zehn Fällen sind Frauen die Alleinerziehenden, sie werden aber aktuell fast so hoch besteuert wie ein Single ohne Kind. Das kann nicht sein! Das sind nur einige wenige Sachen, die ich von der Politik fordere.

Alexandra Zykunovs Buch „Wir sind alle längst gleichberechtigt“ ist seit dem 24. Februar im Handel. Wer die Hamburgerin bei Instagram verfolgen möchte, findet sie unter dem Namen: alexandra___z.

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