Lou Töllner (23) ist Jura-Studentin und hat den „Hamburger Zukunftsentscheid“ mit ins Leben gerufen. Töllner sitzt auf einem weißen Polstersessel. Im Hintergrund steht eine Pflanze.

Lou Töllner (23) ist Jura-Studentin und hat den „Hamburger Zukunftsentscheid“ mit ins Leben gerufen. Foto: Emilia Skibbe

Hamburger Zukunftsentscheid: Was gibt Ihnen Hoffnung, Frau Töllner?

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Hamburg soll 2040 klimaneutral werden. Dafür kämpft die Initiative „Hamburger Zukunftsentscheid“. Ganz vorn mit dabei ist Lou Töllner (23). Die Hamburgerin studiert Jura, hat den Zukunftsentscheid mit ins Leben gerufen und ist Pressesprecherin der Initiative. Im MOPO-Interview verrät sie, wie sie trotz schwieriger Zeiten den Kopf nicht hängen lässt, was das „beste“ Problem ist, das man als Aktivist haben kann, und wie sie die Hamburger:innen erreichen möchte.

Frau Töllner, wir erleben gerade einen Rechtsruck der Politik, und Klimawandel war im letzten Bundestagswahlkampf eher ein Randthema. Wie trägt man das jetzt wieder an die Leute heran?

Der Rechtsruck ist natürlich etwas, das mich sowohl auf politischer als auch auf privater Ebene beschäftigt. Gerade in solchen Zeiten ist es wichtig, wieder mit konstruktiven Projekten und Ideen Vertrauen zu gewinnen und den Leuten zu zeigen, wie sie sich politisch einbringen können.

Gerade jetzt ist es wichtig, Projekte zu haben, die Hoffnung machen und bei denen man gemeinschaftlich aktiv werden kann, um die Gesellschaft gerechter und lebenswerter zu gestalten. Und genau das versuchen wir mit diesem Gesetz zu tun.

Was erhoffen Sie sich von diesem Gesetz?

Mit diesem Volksentscheid gewinnen wir nicht nur ein Gesetz, das Emissionen effektiv reduziert, das Transparenz schafft und die Sozialverträglichkeit hoch priorisiert. Wir gewinnen auch die öffentliche Debatte, in der es tatsächlich wieder darum geht, wie Klimaschutz funktionieren kann. Wir gewinnen, dass sich die Leute darüber austauschen und Klimagespräche wieder stattfinden. Und wir gewinnen ein lebenswertes Hamburg in unserer Zukunft.

Woher nehmen Sie, trotz schwieriger Zeiten, die Motivation, weiterzukämpfen?

Wenn man sich mit klimapolitischen Fakten auseinandersetzt, ist das meistens sehr ernüchternd und sehr frustrierend. Aber wenn man sich klimapolitisch engagiert, dann trifft man eben auf Leute, die konstruktive Lösungen finden wollen. Dann kann man sich damit beschäftigen, was Klimaschutz tatsächlich bedeuten kann. Zum Beispiel, dass bei energetischen Sanierungen Mieten langfristig viel stabiler bleiben können und dass, wenn wir Solarenergie, Photovoltaikanlagen ausbauen, Strompreise sinken.

Wenn man sich damit auseinandersetzt, nicht nur mit dieser großen Gefahr, sondern auch mit den vielen Möglichkeiten, die für uns mit sozialem Klimaschutz einhergehen, dann schafft das Hoffnung. Dann schafft das Motivation dafür, sich einzusetzen, langfristig in einer gerechteren Gesellschaft leben zu wollen. Was mir gerade aber auch ganz viel Motivation gibt, sind einfach die tausenden Ehrenamtlichen, die sich für den Volksentscheid einbringen.

Haben Sie ein Beispiel?

Die kleinen Gespräche zwischendurch, die Situationen, in denen wir wieder Flyer nachbestellen müssen, weil zu viele Leute zu viele Flyer mitgenommen haben. Und das ist ein logistisches Problem, aber es ist wirklich das beste Problem, das man haben kann.

Mit den Ehrenamtlichen habt ihr bereits den Haustürwahlkampf gestartet. Der Klimawandel wird in der Zukunft nicht alle Stadtteile und nicht alle Personengruppen im selben Maße betreffen. Stichwort: alte Menschen und Versiegelung. Wie geht ihr im Wahlkampf vor, um alle Stadtteile und alle Menschen zu erreichen?

Wir versuchen über ganz viele unterschiedliche Formate Leute zu erreichen und Klimaschutz auch als alltagsrelevantes Thema für wirklich jede Person in Hamburg wieder ins Gedächtnis zu rufen.

Wir haben zum Beispiel jeden Mittwoch bei uns Infoveranstaltungen für neue Leute, die sich interessieren und mitmachen wollen. Und in fast alle Stadtteilzentren Hamburgs schicken wir Vortragende von uns hin, damit Leute in ihrer Nachbarschaft zum Stadtteilzentrum gehen und sich informieren können, mit uns in Austausch kommen und überhaupt darüber sprechen, was Klimaschutz für sie bedeuten würde, wie sozialer Klimaschutz in ihrem Alltag auch eine positive Rolle spielen und was das für positive Auswirkungen für sie haben kann.

Wie sieht es beim Haustürwahlkampf aus?

Wir haben von Anfang an explizit drauf geachtet, dass wir in allen Stadtteilen, in allen Bezirken Hamburgs gleichermaßen vertreten sind. Das machen wir, damit wir eben nicht bei denen stehenbleiben, wo wir wissen, dass wir hohe Zustimmungsquoten abholen. Unser Anspruch ist es, in Hamburg auch wirklich alle zu überzeugen und eine ehrliche Mehrheit auf die Straße zu bringen, oder beziehungsweise bis zur Wahlurne.

Die CDU stellt sich gegen den Hamburger Zukunftsentscheid. Sie kritisieren, dass die schnellen Neuauflagen das Wohnen und die Mobilität verteuern würden und warnen davor, dass durch kurzfristige und teure Maßnahmen Arbeitsplätze, beispielsweise in der Hafenwirtschaft gefährdet werden würden. Was setzen Sie dieser Kritik entgegen?

Gerade auf lokaler Ebene finanzieren sich Klimaschutzmaßnahmen regelmäßig sehr schnell gegen – auch wenn das nicht immer unmittelbar sichtbar wird. Pro investiertem Euro in den ÖPNV entstehen der Wirtschaft drei Euro Nutzen. Allein die Luftverschmutzung richtet erheblichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Schaden an, Schätzungen gehen bis zu mehreren Prozent des BIPs. Sozialer Klimaschutz ist also nicht nur gut für unsere Gesundheit, sondern auch für die Wirtschaft. Die ist außerdem für die Zukunft besser aufgestellt, wenn sie klimaneutral ist. Deshalb verfolgt die Handelskammer, völlig unabhängig vom Zukunftsentscheid, das Ziel einer früheren Klimaneutralität. Mit der Klimaneutralität 2040 ziehen wir endlich mit CDU regierten Bundesländern wie Schleswig-Holstein gleich.

Unser Gesetz sieht außerdem vor, dass die Politik nachsteuert, wenn ein Klimaziel verfehlt wurde – das ergibt einfach Sinn, wenn wir unsere Ziele in der Zukunft wieder erreichen wollen. Das bedeutet aber keinen Zwang zu kurzfristigen Maßnahmen, weil die Verfehlung gleichmäßig auf die nächsten fünf Jahre angerechnet wird.

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