Hamburger Top-Virologin: Wann die Pandemie vielleicht endlich vorbei ist
„In ein, zwei Monaten“ haben wir in Sachen Omikron das Schlimmste überstanden: Die Prognose von Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut klang verheißungsvoll. Aber bedeutet das automatisch, wir sind dann in Sachen Pandemie komplett durch? Mitnichten, sagt die Hamburger Corona-Expertin Nicole Fischer im MOPO-Interview.
Frau Prof. Dr. Fischer, Ihr Kollege Herr Schmidt-Chanasit ist ziemlich optimistisch, was den weiteren Verlauf der Pandemie anbelangt. Sind wir im Sommer vielleicht schon durch mit Corona?
Nein, das wird nicht der Fall sein. Wir haben einfach immer noch viel zu viele Ungeimpfte in Deutschland, sodass wir ohne Impfung keine ausreichende Immunität erreichen werden, die uns dann im Herbst vor hohen Fallzahlen schützt.
Das bedeutet: Es wird weitere Wellen geben?
- Deutsch (Deutschland)
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„In ein, zwei Monaten“ haben wir in Sachen Omikron das Schlimmste überstanden: Die Prognose von Prof. Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut klang verheißungsvoll. Aber bedeutet das automatisch, wir sind dann in Sachen Pandemie komplett durch? Mitnichten, sagt die Hamburger Corona-Expertin Nicole Fischer im MOPO-Interview.
Frau Prof. Dr. Fischer, Ihr Kollege Herr Schmidt-Chanasit ist ziemlich optimistisch, was den weiteren Verlauf der Pandemie anbelangt. Sind wir im Sommer vielleicht schon durch mit Corona?
Nein, das wird nicht der Fall sein. Wir haben einfach immer noch viel zu viele Ungeimpfte in Deutschland, sodass wir ohne Impfung keine ausreichende Immunität erreichen werden, die uns dann im Herbst vor hohen Fallzahlen schützt.
Das bedeutet: Es wird weitere Wellen geben?
Ja, es werden weiter Infektionswellen kommen. Das Entscheidende wird aber sein: Wie hoch werden diese sein, und wie viele Menschen müssen im Krankenhaus behandelt werden? Und dafür ist die Impfquote ausschlaggebend: Schaffen wir es, genug Leute zu erreichen, sodass wir für weitere Wellen einen ausreichenden Impfschutz in der Bevölkerung haben?
„Es ist keine gute Idee, jetzt eine natürliche Infektion mit Omikron der Impfung vorzuziehen“
Ausreichend heißt: mindestens dreimal geimpft, oder?
Ja. Was wir bei Omikron sehen: Als vollständig geimpft und somit gut geschützt kann man bei der Virusvariante erst nach der dritten Dosis gelten. Und wir wissen ja nicht, was da noch kommt an Mutationen. Ich gehe also davon aus, dass wir noch eine weitere, vierte Impfung brauchen werden, um unseren Impfschutz kontinuierlich oben zu halten – zumindest für Ältere und andere vulnerable Gruppen.
Manch ein Impfgegner denkt jetzt vielleicht: Naja, dann steck ich mich jetzt halt direkt mit Omikron an, dann bin ich auch immun. Was sagen Sie als Virologin dazu?
Es ist keine gute Idee, jetzt eine natürliche Infektion mit Omikron der Impfung vorzuziehen, zum Beispiel weil man denkt, man könnte so vielleicht eine bessere Immunität gegen Corona aufbauen. Omikron an sich ist einfach so wahnsinnig unterschiedlich aufgrund der vielen Mutationen. Das heißt: Menschen, die ungeimpft sind und sich jetzt mit Omikron infizieren, haben einen schlechten Immunschutz gegen andere Varianten, wie zum Beispiel Delta oder andere Delta-ähnliche Varianten.
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Die Fallzahlen sind aktuell so hoch wie noch nie, auch in anderen Ländern. Der Umgang mit den hohen Zahlen ist aber durchaus unterschiedlich, die Dänen etwa wirken viel entspannter …
Derzeit ist es nicht so wichtig zu vergleichen, wie andere Länder mit hohen Fallzahlen umgehen, sondern eher zu schauen, wie gut haben andere Länder ihre Impfstrategien durchgesetzt? Wie gut haben Sie die Leute erreicht und zum Impfen bewegt und wie haben sie das gemacht?
„Im Herbst werden wir wieder einen deutlichen Anstieg der Infektionen sehen“
In Deutschland sind ja immer noch verhältnismäßig viele Menschen ungeimpft.
Ja. Und deshalb ist klar, dass wir nach dem kommenden Sommer wieder einen deutlichen Anstieg der Infektionen im Herbst sehen werden. Wie genau dann der Winter 2022/23 aussieht, das wissen wir noch nicht. Es kommt eben ganz entscheidend darauf an, dass wir die Impfquote bis dahin weiter erhöhen. Hinzu kommt: Wir wissen auch noch gar nicht, ob wir noch weitere Virusvarianten zu erwarten haben.
Also dieses Jahr wird das wohl nichts mehr mit dem Ende der Pandemie?
Ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir Anfang 2023 langsam zu einer Normalität, wie wir sie vor Corona hatten, zurückkehren können. Dann hätten wir drei Jahre Pandemie erreicht, das ist normalerweise auch der Schnitt einer globalen Infektionskrankheit. Corona wird auch dann nicht ganz weg sein, das ist klar. Aber mit Glück wird es dann endemisch sein, wie etwa auch die Grippe.
Was heißt das?
Das bedeutet: Dann müssen wir nur noch schauen, die vulnerablen Gruppen weiter zu schützen vor dem Virus – aber es droht kein Kollaps mehr beim Gesundheitssystem.
Das klingt positiv!
Ja, wir sehen Licht am Ende des Tunnels, die Strecke ist absehbar.