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  • Mobbing in Unternehmen ist keine Seltenheit. Häufig sind die Vorgesetzten darin involviert. (Symbolbild)
  • Foto: imago images/Panthermedia

Hamburger Studie: Darum ist Mobbing am Arbeitsplatz immer noch so verbreitet

Viele Angestellte wurden in ihrem Job schon respektlos von ihren Chefs behandelt. Das ist nicht nur für Betroffene schlimm, sondern kostet Unternehmen auch viel Geld. Die Erkenntnisse einer neue Studie aus Hamburg überraschen: Führungskräfte wissen oft gar nicht, wie ihr Verhalten wirkt, da Opfer sich häufig selbst die Schuld geben und Respektlosigkeit sogar belohnen. Die MOPO sprach mit einer Betroffenen und den Verfassern der Studie darüber, was Mobbing für Folgen hat und wie sich Betroffene wehren können. 

Mobbing am Arbeitsplatz ist keine Seltenheit: Laut einer Studie mit mehr als 4000 Teilnehmern aus Deutschland haben 17,1 Prozent aller Beschäftigten mindestens einmal Mobbing am Arbeitsplatz erlebt. Auffällig ist: Die Befragten fühlten sich fast doppelt so häufig von den eigenen Vorgesetzten zu Unrecht kritisiert, schikaniert und bloßgestellt (13,3 Prozent) als von ihren Arbeitskollegen (7,3 Prozent). Die Studie ist 2019 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „International Archives of Occupational and Environmental Health“ (Deutsch: Internationales Archiv für Gesundheit am Arbeitsplatz und Umwelt) erschienen.

Hamburger Studie: Darum ist Mobbing am Arbeitsplatz so verbreitet

Giftiges Führungsklima kennt auch Anne B.* Sie arbeitet seit 29 Jahren als Speditionskauffrau in einer großen Firma. In dieser Zeit hat die Hamburgerin viele Vorgesetzte erlebt. Im Jahr 2017 kam erstmals jemand, mit dem sie nicht zurechtgekommen ist. „Er war Ende 30 und hat erstmals einen Leitungsposten übernommen. Ich hatte den Eindruck, dass er dazu noch nicht bereit gewesen ist“, erzählt sie der MOPO.

Doch das war nicht das Hauptproblem: Ihr Chef mobbte sie über Jahre hinweg. „Er schrie mich ständig an und suchte immer wieder einen Grund mich anzugehen. Ich sei unordentlich und solle meinen Schreibtisch aufräumen, ich würde meine Arbeit plötzlich nicht mehr gut machen und sei teamunfähig.“ 

Mobbing am Arbeitsplatz: Hamburgerin sucht sich Hilfe

Anne B. blieb nicht die einzige Betroffene: In den vier Jahren gab es viele Kollegen, die kamen und gingen. Doch sie war die einzige, die trotz des schlechten Klimas immer weitermachte. Nach vier Jahren konnte die Speditionskauffrau nicht mehr. „Irgendwann schaffte ich es gesundheitlich nicht mehr. Ich hatte andauernd Kopfschmerzen und mir war so schlecht, dass ich mich regelmäßig übergeben musste.“ Sie ließ sich krankschreiben und suchte sich Hilfe bei „KLIMA e.V.“, einem Verein, der sich für Mobbingopfer einsetzt und sie unterstützt.

Christian Tröster ist Professor für Führung und Verhalten in Organisationen an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg.

Christian Tröster ist Professor für Führung und Verhalten in Organisationen an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg.

Foto:

KLU/Christin Schwarzer

Nicht alle reagieren wie Anne B. – abhängig ist das unter anderem auch davon, wie Betroffene ihr Verhalten zum Chef einschätzen. „Angenommen, Ihre Führungskraft ignoriert Ihre E-Mails, schreit Sie an oder macht Witze auf Ihre Kosten. Was würden Sie tun? Wahrscheinlich würden Sie ihr nicht dabei helfen, ihre nächste Präsentation zu erstellen. Doch genau das ist häufig der Fall, wie unsere Studie zeigt“, erklärt Christian Tröster, Professor für Führung und Verhalten in Organisationen an der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Grundlage der Studie sind ein Online-Experiment mit 200 Teilnehmenden sowie eine Tagebuchstudie mit 275 Personen.

Hamburger Wissenschaftler machte selbst Erfahrungen mit Mobbing

Das Ergebnis der Studie: Wenn Mitarbeitende die Beziehung zum Chef grundsätzlich als positiv einschätzen, ist es wahrscheinlich, dass Mobbing bei ihnen Schuldgefühle auslöst. Die Forschungsergebnisse widersprechen damit der vorherrschenden Theorie, wonach Mobbing am Arbeitsplatz die Leistungsbereitschaft verringert.

Dr. Niels Van Quaquebeke kennt das Verhaltensmuster von Mobbing-Opfern selbst.

Dr. Niels Van Quaquebeke, Professor für Führung und Verhalten in Organisationen, kennt das Verhaltensmuster von Mobbing-Opfern selbst. 

Foto:

KLU/Christin Schwarzer

Das Verhaltensmuster Betroffener kennt einer der Autoren selbst: „Ich habe alles erlebt: Ich hatte Führungskräfte, die mich mit einem Baseball-Schläger gejagt haben, die mich als Student bis spät in die Nacht haben schrubben lassen, ohne dabei meine Arbeit mit nur einem Wort zu würdigen, oder die vor der versammelten Mannschaft Witze auf meine Kosten gemacht haben“, erklärt Dr. Niels Van Quaquebeke, Professor für Führung und Verhalten in Organisationen. Doch anstatt dagegen anzugehen, habe auch er versucht, es seinen damaligen Chefs recht zu machen.

Mobbing am Arbeitsplatz: „Führungskräfte wollen nicht so sein, wie sie sind“

Laut den Verfassern der Studie würden Anzeichen für missbräuchliche Führung viel zu oft übersehen. „Wenn man nur auf die Zahlen guckt, haben Unternehmen super Führungskräfte. Die wirkliche Meinung der Mitarbeiter über sie tauchen in Statistiken aber meistens nicht auf“, erklärt van Quaquebeke.

Er gehe nicht davon aus, dass Führungskräfte so sein wollen, wie sie sind. „Sie kriegen nicht die richtige Rückmeldung – erst recht nicht, wenn ihre Mitarbeiter augenscheinlich noch höher springen, wenn sie respektlos behandelt werden.“

Hilfe gegen Mobbing: Grenzen festlegen und kommunizieren

Die Konsequenzen sind erheblich: Mitarbeitende entwickeln häufig psychische Probleme. Auf Unternehmen kommen damit Fehlzeiten und möglicherweise kostspielige rechtliche Schritte zu. „Es bereitet uns Sorgen, dass Untersuchungen andeuten, dass sich in vielen Unternehmen schleichend die Kultur breitmacht, mit harter Hand durchzugreifen. Das dient auf lange Sicht keinem“, sagt Tröster.

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Doch das muss nicht so bleiben: Die Wissenschaftler raten zu wöchentlichen oder monatlichen Umfragen, in denen Angestellte den Führungsstil ihrer Vorgesetzten bewerten. Und um gar nicht erst in die Spirale aus Mobbing und Schuldgefühlen hineinzugeraten, empfehlen sie schon vorher klare Grenzen festzulegen. „Wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen: Was sind Verhaltensweisen einer Führungskraft, die ich nicht akzeptiere? Wo werden Grenzen überschritten?“, so Tröster.

Mobbing am Arbeitsplatz: So können Kollegen helfen

Wird diese Grenze dann überschritten, helfe in den allermeisten Fällen bereits ein Gespräch mit der Führungskraft. Auch als Außenstehender sollte man eingreifen und Betroffene fragen, wie es ihnen gehe. Sie können die Situation meist objektiver betrachten – und damit Schlimmeres verhindern. 

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Anne B. hatte nicht das Gefühl, dass ihr Chef ihr überhaupt richtig zuhörte. Mittlerweile ist sie schon über ein Jahr krankgeschrieben – eigentlich kann sich die Speditionskauffrau nicht vorstellen, wieder an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. „Ich habe mir einen Anwalt genommen und will klagen“, sagt sie. Damit hat sie endlich auch den Mut gefunden, sich aktiv zu wehren.

*Der Name der Betroffenen wurde von der Redaktion geändert, da sie anonym bleiben möchte. 

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