Hamburger Rabbiner: „Zeit, mehr Kameras auf zentralen Plätzen zu installieren“
„Angesichts der jüngsten Ereignisse ist es an der Zeit, die Installation von Kameras in den Straßen rund um Synagogen und auf zentralen Plätzen in den Städten zuzulassen. Sicherheit geht vor Datenschutz“, schreibt der Hamburger Landesrabbiner Shlomo Bistritzky auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Polizei reagiert reserviert: Die Hürden für Video-Überwachung im öffentlichen Raum sind hoch.
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„Angesichts der jüngsten Ereignisse ist es an der Zeit, die Installation von Kameras in den Straßen rund um Synagogen und auf zentralen Plätzen in den Städten zuzulassen. Sicherheit geht vor Datenschutz“, schreibt der Hamburger Landesrabbiner Shlomo Bistritzky auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Polizei reagiert reserviert: Die Hürden für Video-Überwachung im öffentlichen Raum sind hoch.
„Der 7. Oktober ist nicht nur für uns Juden ein Einschnitt, nach dem viele Dinge neu gedacht werden müssen“, sagt der Landesrabbiner der MOPO: „Es muss nun auch überprüft werden, ob der Datenschutz noch Priorität gegenüber der Sicherheit hat.“ Am 7. Oktober fanden in Israel die bestialischen Morde durch palästinensische Hamas-Terroristen statt.
Seine Forderung: Mehr Kameras, nicht nur in der Nähe jüdischer Einrichtungen, sondern auf zentralen Plätzen der Stadt, auf denen etwa anti-israelische Demonstrationen stattfinden. Bisher, so das geistige Oberhaupt der jüdischen Gemeinde in Hamburg, könnten „böse Menschen“ darauf vertrauen, dass sie für ihre Taten nicht bestraft würden, weil sie nicht identifiziert werden könnten.
„Videokameras verhindern keine Straftaten“, heißt es in einigen Kommentaren unter dem Post des Landesrabbiners. Diesen Einwand lässt Shlomo Bistritzky nicht gelten: „Die Überwachung macht eine Bestrafung viel wahrscheinlicher und diese Abschreckung kann Straftaten sehr wohl verhindern.“
Hamburg baut Videoüberwachung aus
Das sieht auch die Hamburger Polizei so und baut derzeit die Videoüberwachung an zehn Standorten rund um den Hauptbahnhof deutlich aus. Aktuell betreibt die Polizei insgesamt 43 Kameras im öffentlichen Raum, und zwar am Hansaplatz, am Jungfernstieg und an der Reeperbahn.
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Eine Videoüberwachung am Steindamm, wo die Polizei in jüngster Zeit einige verbotene pro-palästinensische Demonstrationen aufgelöst hat, ist aber nicht so ohne Weiteres durchzusetzen. Grund: Die Installation von Kameras, die das Treiben auf Straßen und Plätzen überwachen, ist streng reglementiert: In Deutschland haben alle Menschen das Recht, sich in der Öffentlichkeit frei zu bewegen, ohne dass ihr Verhalten durch Kameras aufgezeichnet wird, so hat es das Bundesverfassungsgericht in einem Grundsatzurteil festgestellt.
Bevor die Polizei Kameras aufbauen darf, muss die „Straßenkriminalität“ an einem Ort dauerhaft besonders hoch sein, also etwa Diebstähle, Messerstechereien, Raubüberfälle. Und: Es muss Prognosen geben, dass es an dem Ort so kriminell weitergeht. Mehrere Verstöße gegen das Versammlungsgesetz und antisemitische Parolen reichen für eine Videoüberwachung nicht aus.
Kameras senken Kriminalität an Brennpunkten
Wie komplex das Thema ist, zeigt ein Blick in die Vergangenheit: Als Hamburg 2006 auf der Reeperbahn erstmals zwölf schwenkbare Kameras installierte, war das der Start für jahrelanges juristisches Tauziehen zwischen der Stadt und Anwohnern, die sich in ihrer Privatsphäre gestört fühlten. Bereits 2010 wurden die Kameras wieder ausgeschaltet. Zwei Jahre später erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Videoüberwachung öffentlicher Plätze zur Verhinderung von Straftaten dann aber grundsätzlich für rechtens.
Tatsächlich ist die Kriminalität etwa auf dem einstigen Brennpunkt Hansaplatz stark gesunken, nachdem dort im Juli 2019 mehr als 20 Kameras scharf geschaltet wurden. Alleine in den ersten sechs Monaten sanken damals die Fälle der Drogenkriminalität um 62 Prozent, die Zahl der Raubüberfälle ging gar um 73 Prozent zurück. Seit Juli 2023 sind auf dem Platz KI-Kameras installiert, die nur aktiv werden, wenn sie untypische Bewegungen wie Fallen, Treten oder Schlagen erkennen.
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Die jüdische Gemeinde fühle sich von der Polizei Hamburg sehr unterstützt, das zu betonen ist dem Landesrabbiner wichtig, dennoch würden andere Länder, etwa die USA, bei der Aufklärung von Straftaten noch stärker auf Videomaterial und Gesichtserkennungssoftware zurückgreifen: „Es könnten ja Wege gesucht werden, die dem Datenschutz auch gerecht werden, etwa, wenn die Aufnahmen nur kurz gespeichert würden“, so Bistritzkys Hoffnung.
Im Oktober 2020 hatte ein psychisch gestörter Mann vor der Synagoge an der Hohen Weide (Eimsbüttel) ein Gemeindemitglied mit einem Klappspaten schwer verletzt. Er wurde vor Ort von Sicherheitskräften überwältigt. Nach den Hamas-Massakern wurden die ohnehin hohen Sicherheitsmaßnahmen vor jüdischen Einrichtungen in Hamburg noch verstärkt. Videoüberwachung des öffentlichen Raums vor der Synagoge wäre aber ungesetzlich, heißt es seitens der Polizei.