• PD Dr. med. Gregor Leicht ist Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKE. 
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Hamburger Psychiater erklärt: Corona und Herbstblues – das passiert mit der Psyche

Eppendorf –

Wie geht es nur mit der Corona-Pandemie weiter? Seit mehr als einem halben Jahr hat sich das Leben enorm verändert, viele Menschen sind verunsichert und sorgen sich um die Zukunft. Jetzt hat auch noch der Herbst begonnen. Was die Pandemie in Zusammenhang mit dem Herbstblues auslösen kann, darüber hat die MOPO mit Dr. Gregor Leicht gesprochen. Er ist Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am UKE und erklärt, wie man Trübsal jetzt ganz einfach vorbeugen kann – und wann man sich Hilfe holen sollte. 

MOPO: Viele Menschen sind wegen der Corona-Pandemie ohnehin in Sorge, nun beginnt auch noch die dunkle Jahreszeit. Wie kann sich beides zusammen auf die Psyche auswirken?

Gregor Leicht: Das muss man getrennt betrachten. Es gibt saisonale Depressionen, auch Winterdepression genannt, sie sind aber kein häufiges Phänomen. Typische Symptome wie bleierne Müdigkeit, verstärkter Appetit und Antriebslosigkeit verschwinden im Frühjahr wieder. Die mit der Pandemie einhergehenden Ängste wie Sorge um die eigene Gesundheit oder die soziale Isolation können zu einem Stressfaktor werden, der bei Menschen, die zu Depressionen neigen, eine solche begünstigt. Derzeit ist es aber noch zu früh zu sagen, wie sich Covid-19 in Verbindung mit der dunklen Jahreszeit psychisch auswirken wird.

Wieso überhaupt werden einige Menschen im Herbst traurig?

Das ist noch nicht abschließend erforscht, aber man vermutet, dass Lichtmangel der Grund sein könnte. Dadurch könnte es zu einem Mangel des Glückshormons Serotonin kommen. Tageslichtlampen und Bewegungen im Freien morgens oder mittags können helfen.

Gibt es Menschen, die für den Herbstblues besonders anfällig sind?

Es ist nur eine sehr kleine Gruppe, bei denen eine saisonale Depression diagnostiziert wird. Diejenigen, die öfter mal im Herbst und Winter für längere Zeit weniger Energie hatten, traurig und ständig müde waren, könnten ein erhöhtes Risiko haben, dass es ihnen in den folgenden Jahren auch so ergeht.

Nur eine kleine Gruppe? Gefühlt ist doch jeder mal im Herbst schlecht drauf.

Das sind völlig normale, nicht krankhafte Schwankungen in der Stimmung, die normale Auslöser haben können – zum Beispiel auch schlechtes Wetter oder weil man Freunde nicht treffen kann. Erst wenn Symptome wie Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit und Energielosigkeit länger als zwei Wochen kontinuierlich anhalten, sollte man sich an seinen Hausarzt wenden. Wichtig zu wissen ist, dass Depressionen eine Krankheit sind, die man sehr gut behandeln kann.

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Wie kann man der Traurigkeit im Herbst denn vorbeugen?

Wichtig ist regelmäßige Bewegung, am besten an der frischen Luft, das hilft erwiesenermaßen der psychischen Gesundheit. Am besten zwei bis drei Mal pro Woche. Soziale Kontakte zu Angehörigen und Freunden sind ebenfalls sehr wichtig. Sie sollte man aufrechterhalten, auch wenn es einem nicht gut geht. Umgekehrt: Wer mitbekommt, dass es jemandem nicht gut geht, sollte mit demjenigen in Kontakt bleiben und wenn nötig ermuntern, sich ärztliche Hilfe zu suchen. Das ist ganz wichtig! Als Vorbeugung sollte man außerdem Aktivitäten als Selbstfürsorge in den Alltag einbauen, die ein positives Gefühl hervorrufen. Selbstfürsorge heißt auch, zum Beispiel auf regelmäßige Pausen und Entspannungsphasen zu achten, gerade jetzt, wo viele noch im Homeoffice arbeiten.

Auch die Corona-Pandemie schlägt einigen Menschen auf die Psyche. Warum ist das so?

Das größte Problem ist es, dass wir auf die Befriedigung bestimmter Bedürfnisse verzichten müssen. Dinge, die früher einfach zu haben waren und uns guttaten, funktionieren nicht mehr so einfach. Etwa Freunde treffen, rausgehen, in den Urlaub fahren. Außerdem ist das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle durch die Veränderungen der Regeln unseres Zusammenlebens infolge der Pandemie nicht mehr so einfach erfüllbar. Die allermeisten Menschen werden davon nicht depressiv. Bei denjenigen jedoch, die eine Veranlagung haben, kann dies einer von mehreren Auslösern sein.

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Glauben Sie, dass es in diesem Herbst zu vermehrtem Andrang bei Psychologen und Psychiatern kommen wird?

So etwas lässt sich nicht vorhersehen, alarmistisch zu sein hilft hier auch nicht weiter. Ich fände es wichtiger, den Menschen zu sagen, wie sie sich jetzt verhalten sollen. Ja, durch den Faktor Herbst/weniger Licht und Covid-19 kann es eine Depressionsbegünstigung geben. Aber wenn wir alle gut aufeinander Acht geben, muss es gar nicht so weit kommen.

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