Hamburger NSU-Mord: Grüne, SPD und Linke streiten wie die Kesselflicker
Braucht Hamburg einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zu den NSU-Morden: ja oder nein? Es geht um einen Mord, der vor 22 Jahren geschah. Bis heute wirft der Fall Fragen auf. Nun streiten Linke, Grüne und SPD wie die Kesselflicker darüber, auf welche Weise eine Aufklärung noch möglich ist.
Braucht Hamburg einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) zu den NSU-Morden: ja oder nein? Es geht um einen Mord, der vor 22 Jahren geschah. Bis heute wirft der Fall Fragen auf. Nun streiten Linke, Grüne und SPD wie die Kesselflicker darüber, auf welche Weise eine Aufklärung noch möglich ist.
Im Juni 2001 war in der Schützenstraße in Bahrenfeld der Gemüsehändler Süleyman Taşköprü erschossen worden – einer von insgesamt zehn Mordopfern der Terrortruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Während alle anderen Bundesländer, in denen der NSU mordete, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse einberufen haben, ist das bis heute in Hamburg nicht der Fall.

Viele Fragen offen: Vor 22 Jahren starb in Bahrenfeld Süleyman Taşköprü
Erneut macht die Hamburger Linke den Versuch, das zu ändern. Am 13. April will sie das Thema in der Bürgerschaft debattieren und einen PUA beantragen. Unterstützung bekommt sie jetzt von der Türkischen Gemeinde Hamburg. Das „unbestreitbare Versagen“ des Verfassungsschutzes und die fragwürdigen Ermittlungsmethoden der Polizei müssten aufgeklärt werden, heißt es in einer Presseerklärung. Hintergrund: Die Ermittler waren jahrelang davon überzeugt, dass Süleyman Taşköprü, also das Hamburger NSU-Mordopfer, einen kriminellen Hintergrund hatte und deshalb getötet wurde. Die Polizei suchte die Täter allein im Bereich der Organisierten Kriminalität. Alle Hinweise, dass Rechtsextremisten die Tat verübt haben könnten, wurden ignoriert.
Grüne eigentlich dafür, stimmen aber trotzdem dagegen

Das Thema sorgt aktuell für mächtig Unruhe: Bei einer Podiumsdiskussion am vergangenen Donnerstag, zu der das Hamburger Bündnis gegen Rechts eingeladen hatte, machte der grüne Abgeordnete Dominik Lorenzen deutlich, dass seine Partei einen PUA zwar eigentlich für das richtige Mittel hält, seine Fraktion aber trotzdem gegen den Antrag der Linken stimmen wird – mit Rücksicht auf den Koalitionspartner SPD.
Denn die Sozialdemokraten sind vehement dagegen. Bei der Podiumsdiskussion bekräftigte Kazım Abacı, migrationspolitischer Sprecher der SPD, ein PUA sei „nicht zielführend“. Zur Aufarbeitung des NSU-Mordes habe es doch bereits vor langer Zeit im parlamentarischen Kontrollgremium (PKA) 15 Sitzungen und im Innenausschuss der Bürgerschaft zehn Sitzungen gegeben.

Abacı sagte weiter, dass auch die SPD an einer Aufklärung der NSU-Morde interessiert sei und deshalb zusammen mit den Grünen einen eigenen Antrag in die Bürgerschaft einbringen werde. Abacı versprach: „Keine Ermittlungsunterlagen werden vernichtet, sondern der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt.“
Jasberg: Hamburg hinkt bei der Aufklärung beschämend hinterher
Zuvor hatte die grüne Fraktionschefin Jennifer Jasberg im „Abendblatt“ gesagt, sie bedaure sehr, „dass es bisher keine parlamentarischen Mehrheiten für eine konsequente Aufklärung“ in Sachen NSU-Mord gegeben habe. Auffällig sei, dass in Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern und Bayern schon der zweite Untersuchungsausschuss in Sachen NSU laufe, „während Hamburg in Sachen Aufklärung beschämend hinterherhinkt.“ Und weiter: „Es ist erschütternd, dass es hier seit vielen Jahren eine vehemente Ablehnung zur Einsetzung eines PUAs seitens der SPD und CDU gibt.“

Auf Jasbergs Vorwürfe reagierte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf verärgert. Er wies die „unhaltbaren Vorwürfe aufs Schärfste zurück“: „Ein PUA ist ein parlamentarisches Kontrollgremium, in dem die parteipolitische Aufarbeitung im Fokus steht. Deshalb halten wir diese Instanz für ungeeignet, 20 Jahre nach der Tat für Aufklärung zu sorgen.“
Deniz Celik: „Staatliches Totalversagen“ und „glatte Lüge“
Unterdessen hält die Linke an ihrer Forderung fest. „Wir sind es den Opfern rechter Gewalt und deren Angehörigen schuldig, ihre Fragen zu beantworten und verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen“, so der Linken-Abgeordnete Deniz Celik. „In Hamburg hat es ein staatliches Totalversagen gegeben – und zwar zweimal: bei den Ermittlungen zum Mord an Taşköprü und dann erneut durch die verweigerte Aufklärung.“ Wenn der Senat behaupte, es sei alles aufgearbeitet, sei das eine „glatte Lüge“.