Hamburger Psychiater erklärt: So belastet Corona die Kinder – und das kann helfen
Einsamkeit, Depression, Zukunftsangst: Kinder leider unter der Pandemie. Der UKE-COPSY-Studie nach waren zwei Drittel der Hamburger Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie psychisch belastet. Die MOPO hat mit Kinder- und Jugendpsychiater Joachim Walter und Sozialpädagogen Tobias Lucht über Gründe gesprochen – und darüber, wie man helfen kann.
Lena ist 16 Jahre alt – und in der Psychiatrie. Seit der Scheidung ihrer Eltern fühlt sie sich von ihrem Vater alleingelassen. Ihr Diabetes zwingt sie zur einer ständigen Kontrolle, was sie wütend macht. Dann kommt der Lockdown: Im Homeschooling sackt sie schulisch ab. Sie lebt in einer engen Wohnung zusammen mit ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter, die als Verkäuferin arbeitet und ihr tagsüber nicht helfen kann. Lena verliert die Freude am Leben, die Hoffnung auf die Zukunft, wird müde. Nach zwei Monaten suizidaler Gedanken nimmt sie eine Überdosis Schmerztabletten – und kommt ins Krankenhaus.
Kinder und Corona: Steigende Fallzahlen in Hamburger Klinik
Einsamkeit, Depression, Zukunftsangst: Kinder leider unter der Pandemie. Der UKE-COPSY-Studie nach waren zwei Drittel der Hamburger Kinder und Jugendliche in der Corona-Pandemie psychisch belastet. Die MOPO hat mit Kinder- und Jugendpsychiater Joachim Walter und Sozialpädagogen Tobias Lucht über Gründe gesprochen – und darüber, wie man helfen kann.
Lena ist 16 Jahre alt – und in der Psychiatrie. Seit der Scheidung ihrer Eltern fühlt sie sich von ihrem Vater alleingelassen. Ihr Diabetes zwingt sie zur einer ständigen Kontrolle, was sie wütend macht. Dann kommt der Lockdown: Im Homeschooling sackt sie schulisch ab. Sie lebt in einer engen Wohnung zusammen mit ihrer kleinen Schwester und ihrer Mutter, die als Verkäuferin arbeitet und ihr tagsüber nicht helfen kann. Lena verliert die Freude am Leben, die Hoffnung auf die Zukunft, wird müde. Nach zwei Monaten suizidaler Gedanken nimmt sie eine Überdosis Schmerztabletten – und kommt ins Krankenhaus.
Kinder und Corona: Steigende Fallzahlen in Hamburger Klinik
Diesen konstruierten, aber wirklichkeitsnahen Fall schildert Joachim Walter, Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Kinderkrankenhauses Wilhelmstift in Rahlstedt, der MOPO. Die Fallzahlen in der Klinik haben in der Pandemie deutlich zugenommen. „Die Wartezeit für reguläre Aufnahmen ist von zwei auf fünf Monate gestiegen“, sagt Walter. Die Fälle mit depressiven und suizidgefährdeten Kindern und Jugendlichen hatten sich zwischenzeitlich sogar fast verdoppelt. Gleichzeitig dauern die Behandlungen länger – denn Familien- und Gruppensitzungen können nicht wie sonst ablaufen, und Masken erschweren die Therapie, weil sie widersprüchliche Signale in der Mimik verdecken.

Warum aber hat die Pandemie Kinder und Jugendliche so stark getroffen? „Ein ganz wichtiger Faktor ist Einsamkeit“, erläutert der Psychiater. Kontakt mit Freunden oder sich zu verlieben helle die Stimmung auf und das sei gerade für Jugendliche wichtig – wurde aber immens erschwert. Zudem fühlten Kinder die Sorgen ihrer Eltern oft mit, könnten die Pandemie aber noch nicht rational verstehen – was Ängste nur noch weiter schüre, erklärt Walter.
Hamburger Kinder-Psychiater über psychische Störung
Die meisten Kinder und Jugendlichen könnten das bewältigen, sagt Walter, der Großteil komme langfristig gut durch Krisen. Damit sich eine psychische Störung entwickele, brauche es meist mehrere Faktoren. Wo es die aber schon gegeben habe, brachte Corona das Fass zum Überlaufen.
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Und das mit teils langfristigen Folgen – besonders in sozioökonomisch benachteiligten Gruppen. „Es ist ein absolut unsoziales Virus“, sagt Walter. „Kinder mit großer Wohnung und Unterstützung beim Homeschooling sind seltener betroffen. Wer aber zu Hause weniger Hilfe bekommt, stark belastet ist und wegen Corona etwa sein Abi nicht schafft, spürt die Folgen sein Leben lang.“ Daher sollten Schulen und Kindergärten unbedingt offen bleiben, meint Walter. Die Erwachsenen seien dafür verantwortlich, die Pandemie in den Griff zu bekommen.
Kinderhilfsprojekt „Die Arche”: Belastung der Kinder zu spüren
Ein Anlaufpunkt für Kinder aus sozialen Brennpunkten ist auch das Kinderhilfsprojekt „Die Arche“ mit Häusern in Jenfeld, Billstedt und Harburg. „In den Lockdowns haben wir viele Kinder kaum gesehen“, sagt der Regionalleiter Tobias Lucht. „Aber als sie wieder regelmäßig hier waren, haben wir die Folgen gespürt.“ Besonders schlimm stand es um einen elfjährigen Jungen. Ohne Präsenzunterricht hatte er jegliche Kontakte außer zu seiner Mutter verloren. Weil sich die Familie kein passendes Gerät leisten konnte, war er auch vom Online-Unterricht ausgeschlossen. Irgendwann spitzte sich die Lage zu: Als die Mutter mit dem Jugendamt telefonierte, schrie der Junge plötzlich, er wolle nicht mehr leben.
Für diesen Elfjährigen gab es ein Happy End: In der Arche wurde er sozial integriert und bekam ein gespendetes Tablet für die Schule. Heute geht es ihm besser. Andere Kinder und Teenager, die Lucht kennt, kämpfen noch.

Besondere Sorgen mache er sich um ein zwölfjähriges Mädchen mit kranker Mutter, das aus Angst, sich anzustecken, auch jetzt nur selten zur Schule geht. „Wir haben sie zu Weihnachten einmal gesehen“, sagt Lucht. „Sie wirkte traurig.“ Nun lässt sich das Arche-Team speziell für psychische Auffälligkeiten schulen.
Psyche und Corona: Das könnten Eltern tun
Und was können Eltern tun, um ihren Kindern zu helfen? Mit ihnen über Gefühle reden und dabei alle zulassen, rät Psychiater Walter – so lernen Kinder zu kommunizieren, wenn es ihnen schlecht geht. Eltern sollten sich eigene Ängste bewusst machen, um sie nicht auf ihre Kinder zu übertragen. Dazu Online-Zeit mit Freunden erlauben, aber kontrollieren und Kindern helfen, rauszugehen und sich zu bewegen – denn das sei ein wirksames Antidepressivum. „Achten Sie auch darauf, ob sich Ihr Kind noch so wie früher freuen kann“, sagt der Experte. Falls nicht, sei das ein Warnsignal. „Und sprechen Sie mit ihm über die Zukunft – und dass es wieder besser wird.“
Brauchst du Hilfe? Hier kannst du dich melden:
Nummer gegen Kummer: 116 111 (für Kinder und Jugendliche), 0800 111 0550 (für Eltern)
Hilfetelefon Sexueller Missbrauch: 0800 22 55 530
Das Pflegetelefon: 030 20 179 131 (für pflegende Angehörige)