Hamburger erzählt aus seinem Beruf: „Die Arbeit des Bestatters ist hochsozial“
Bahrenfeld –
„Wissen Sie eigentlich, woher das Wort Pietät kommt?“, fragt Frank Kuhlmann. Er sitzt auf einem Stuhl im Eingangsbereich seines Unternehmens. Dunkler Anzug, Lederschuhe, Einstecktuch, medizinische Maske. Kuhlmann hat den Oberkörper etwas vorgebeugt. Während der 56-Jährige über die römische Pieta, ein Bildnis Marias, erzählt, die um ihren verstorbenen Sohn trauert, wirkt er sichtlich gerührt. Kuhlmann ist Bestatter in vierter Generation. Pietät, die Ehrfurcht vor den Verstorbenen, ist ihm wichtig.
Ausgangspunkt des Besuchs bei Kuhlmann in Bahrenfeld ist ein Artikel über Pascal H. in der MOPO. Einen Hamburger, der nach 20 Jahren durch einen Zufall erfahren hat, dass seine Großeltern und sein Vater anonym auf einem anderen Friedhof begraben wurden, als es von der Familie eigentlich gewünscht wurde. Für Kuhlmann eine Geschichte, die ihn aufwühlt, die ein schlechtes Licht auf die gesamte Branche wirft. Er selbst wurde auf den Fall angesprochen, verunsicherte Kunden meldeten sich, weil der damalige Unternehmer, der heute nicht mehr tätig ist, ebenfalls in Bahrenfeld mit seiner Firma ansässig war. Kuhlmann: „Dabei arbeiten 99,9 Prozent der Bestatter seriös und richtig.“
Frank Kuhlmann aus Hamburg: Gewürzehändler, Yachtbauer, Bestatter
Und der 56-Jährige muss es wissen. Er ist Vorsitzender der Bestatter-Innung in Hamburg, seit fast drei Jahrzehnten im Beruf. Die Firma Otto Kuhlmann kaufte er vor der Jahrtausendwende seinem Vater ab. Eigentlich wollte der 56 Jahre alte Mann gar nicht zwingend in dessen Fußstapfen treten. Frank Kuhlmann lernte zunächst Gewürzhändler, lebte in New York und Berlin. Mit Yachtbau machte er sich in St. Petersburg mit einem Geschäftspartner selbstständig. Glücklich wurde er dort nicht – und kam zurück.
Mittlerweile ist das Unternehmen größer geworden, der Firmensitz ist aber noch der alte von früher. Kuhlmann geht an Urnen vorbei. „Öko“, sagt er und zeigt auf eine Urne aus Holz, die mit Moos verziert ist. Weiter führt er durch einen kleinen Raum. Hier, so erzählt Kuhlmann, können Angehörige und Freunde von den Toten Abschied nehmen, werden die Verstorbenen auf Wunsch in einem Sarg aufgebahrt. „Die Angehörigen sollen Distanz abbauen, Zeit und Raum haben, in Ruhe und Intimität einem Menschen Lebewohl sagen“, erklärt Kuhlmann. Nebenan stehen die Särge. Eiche natur oder geölt, aufwendig bearbeitet oder eher schlicht. Sargwäsche für die Auskleidung der Holztruhen hängt an einer Stange.
Hamburg: So erkennt man schlechte Bestatter
Wenn Kuhlmann von den Beratungsgesprächen erzählt, die er täglich führt, dann wird klar, warum ihn die Billigbestatter so stören. Der letzte Weg braucht Zeit, braucht einen, der zuhört. Damit man bei der Wahl des richtigen Unternehmens nicht auf einen windigen Bestatter hereinfällt, müsse man ein paar Dinge beachten, so Kuhlmann. Nicht die Google-Bewertungen seien entscheidend, sagt er, sondern der persönliche Eindruck, „der Erstkontakt ist wichtig“.
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Bestatter könne sich jeder mit Gewerbeschein nennen, erklärt er. Kuhlmann empfiehlt deshalb bei der Wahl des Unternehmens zu schauen, ob es zertifiziert ist. „Wer sich dort unterstellt, der möchte damit etwas zeigen.“ Umgekehrt heiße das jedoch nicht automatisch, dass der Bestatter etwas zu verbergen habe. Kuhlmann kämpft dafür, dass sein Beruf irgendwann in naher Zukunft geschützt wird.
Kuhlmann: Danksagungen sind der Applaus der Bestatter!
Der Bestatter schließt den Raum hinter der Kühlkammer mit den gelagerten Toten ab. Wie viele Beerdigungen seine Firma pro Jahr durchführt, möchte Kuhlmann nicht erzählen. Er berichtet auf dem Rückweg zum Eingangsbereich lieber über den Anruf einer Frau, die bei einer Beerdigung am Tag zuvor anwesend war und sich bei ihm für die würdige Beerdigung bedankt habe. Es sei gar nicht so schlimm gewesen, wie befürchtet, soll sie gesagt haben. Kuhlmann: „Die Arbeit des Bestatters ist hochsozial. Wenn sich die Menschen bedanken, dann tut das gut. Man verfällt nicht in Routinen. Das ist unser Applaus.“