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  • Auf dem anonymen Urnengrabfeld des Hauptfriedhofs Altona sollten die Verwandten von Pascal H. bestattet werden.
  • Foto: Florian Quandt

Hamburger entsetzt: Familie trauerte 20 Jahre am falschen Grab

Bahrenfeld –

Viele rote und orangefarbene Blumengestecke zieren das Urnengrabfeld auf dem Hauptfriedhof Altona. 20 Jahre lang trauerte Pascal H. mit seiner Mutter dort – überzeugt, dass hier sein Vater und seine Großeltern begraben liegen. Dann der Schock: Seine Angehörigen wurden gar nicht hier, sondern auf einem ganz anderen Friedhof beigesetzt! Wie konnte es dazu kommen?

Die Verwechslung fällt erst Anfang dieses Jahres auf, als die Mutter von Pascal H. verstirbt. Er wendet sich an ein Bestattungsinstitut in Bahrenfeld, das Jahre zuvor auch die Beerdigung des Vaters und der Großeltern organisiert hat. Der Plan: Die Mutter soll ein anonymes Grab auf dem Hauptfriedhof Altona erhalten – nahe ihres Ehemannes und dessen Eltern, die dort ebenfalls anonym beigesetzt wurden.

Hamburger findet heraus: Verwandte liegen auf falschem Friedhof

Es ist der neue Chef des Bestattungsinstituts, der Pascal H. auf die Spur bringt. Der blättert nämlich in den alten Rechnungen von den Bestattungen der Verwandten – und bemerkt, dass die Preise der anonymen Bestattung auf dem Hauptfriedhof Altona viel höher gewesen wären als auf den alten Rechnungen vermerkt. Es stellt sich heraus, dass der Vater nicht dort, sondern dem wesentlich günstigeren Mennoniten-Friedhof (Bahrenfeld) beigesetzt worden war.

Pascal H. ist fassungslos. „Das muss man sich mal vorstellen – meine Mutter und ich sind über 20 Jahre zu dem falschen Friedhof gelaufen“, sagt er im Gespräch mit der MOPO. „Als wir das erfahren haben, sind meine Frau und ich sofort zum Mennoniten-Friedhof gefahren. Nachdem wir uns dort umgeschaut hatten, war für uns klar: Hier hätten wir meinen Vater niemals beerdigen lassen.“ 

Ein Kommunikationsfehler innerhalb in der Familie?

Als Pascal H. das Institut zur Rede stellt, erklärt man ihm dort, es sei damals niemals die Rede davon gewesen, die Angehörigen auf dem Hauptfriedhof Altona beizusetzen – weder bei den in den 90er Jahren verstorbenen Großeltern, noch bei dem 2001 verstorbenen Vater. Bei allen sei eine Trauerfeier auf dem Hauptfriedhof Altona und die anonyme Beisetzung auf dem Mennoniten-Friedhof ausgemacht worden, so der Bestatter zu Pascal H.

Pascal H. ist empört: „Ich habe natürlich sofort meinen Onkel angerufen. Er hat das Grab für meine 1998 verstorbene Großmutter in Auftrag gegeben. Er erzählte, dass er ausdrücklich die Beisetzung auf dem Hauptfriedhof Altona beauftragt hat.“ Der Mennoniten-Friedhof sei mit keinem Satz erwähnt worden und der Onkel habe auch noch nie von diesem gehört. 

Die MOPO konfrontiert den damaligen Geschäftsführer des Instituts „Bock Bestattungen seit 1861“ mit den Vorwürfen. Der streitet einen Fehler ab. Es müsse „sich um einen Kommunikationsfehler innerhalb der Familie handeln“, so der Bestatter.

Ob das frühere Institut wirklich die volle Schuld trifft, ist schwierig nachzuvollziehen. Weder das Bestattungsinstitut noch die Familie von Pascal H. können Vertragsdokumente vorweisen. Auch aus den Rechnungen geht nicht hervor, wo die Verstorbenen beigesetzt wurden. 

Das anonyme Urnengrabfeld in der parkartigen Anlage des Hauptfriedhofs Altona

Der Eingangsbereich des Altonaer Hauptfriedhofs in Bahrenfeld. 

Foto:

Florian Quandt

Im Bezirksamt Altona ist das Beerdigungsinstitut bekannt. Laut eines Sprechers wurde dem früheren Inhaber vor längerer Zeit die Bestatter-Zulassung entzogen, 2006 meldete die Firma Insolvenz an. Aber: Unter einem ähnlichen Namen existiert die Firma weiter. Der damalige Inhaber ist zwar nicht mehr offiziell der Chef, wohnt aber über dem Institut und „hilft dort aus“, nach eigener Aussage.

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Der Verdacht von Pascal H.: Der ehemalige Chef hat damals seine Verwandten heimlich auf dem günstigeren Mennoniten-Friedhof beigesetzt, aber die höheren Kosten des Altonaer Friedhofs abgerechnet. 

Rechnungen wurden nebulös gestaltet

Wie beurteilen Experten den Fall? Auch der Geschäftsführer des Verbands unabhängiger Bestatter, Hans-Joachim Möller, stutzt beim Betrachten der alten Rechnungen. Der Experte bemerkt, dass diese „äußerst nebulös gestaltet“ wurden. Normalerweise würden der Rechnung vom Bestatter auch die verauslagte Rechnung der Friedhöfe mit beigeheftet. Das sei hier nicht der Fall. Des Weiteren seien einige Kosten, wie die für das Ausheben und Schließen, äußerst hoch angesetzt, nämlich bei 290 Mark (148,27 Euro). Der Preis dafür liegt heute bei dem Mennoniten-Friedhof bei 90 Euro, ist also erheblich geringer. Zudem sei es untypisch, dass Trauerfeier und Beisetzung an unterschiedlichen Orten seien.

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Die Urnen von dem 2001 verstorbenen Hans-Jürgen H. und der 2021 verstorbenen Gisela H.

Die Urnen von dem 2001 verstorbenen Hans-Jürgen H. und der 2021 verstorbenen Gisela H. auf der Trauerfeier im Februar auf dem Hauptfriedhof Altona.

Foto:

hfr

Der Vater von Pascal H. wurde mittlerweile von dem Mennoniten-Friedhof auf den Altonaer Hauptfriedhof umgebettet. Dort liegt er nun neben seiner im Januar verstorbenen Frau. Um den Verstorbenen gebührend zu gedenken, hat Pascal H. im Februar für beide eine Trauerfeier abgehalten. Zeitnah möchte er dann auch noch seine Großeltern nachholen. Gegen das Institut hat er inzwischen Anzeige erstattet. Die Polizei prüft, ob eine Straftat vorliegt. 

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