Hamburger Ärztin packt aus: Warum ich längst Kinder gegen Corona impfe
In den USA und in Israel sind die Corona-Impfkampagnen für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren angelaufen, während Deutschland in dieser Altersgruppe frühestens ab dem 20. Dezember impfen will. Eine Hamburger Ärztin, die bereits seit August Kinder auf Wunsch der Eltern immunisiert, kann das angesichts explodierender Inzidenzen an den Schulen nicht verstehen. Aus Sorge vor Anfeindungen bat sie vor dem Gespräch mit der MOPO um Anonymität.
MOPO: Warum soll man Kinder überhaupt gegen Covid impfen, die haben doch nur milde Verläufe?
Ärztin: Es gibt schon lange Zahlen zu PIMS , dem Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, das bei Kindern mit einer Corona-Infektion auftreten kann. Zudem gibt es auch Long Covid und neurologische Schäden, ja, das sind alles seltene Erkrankungen, aber wir impfen Kinder gegen Krankheiten, die noch seltener auftreten.
Aber es gab doch noch gar keine Freigabe des Impfstoffs für Kinder?
- Deutsch (Deutschland)
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In den USA und in Israel sind die Corona-Impfkampagnen für Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren angelaufen, während Deutschland in dieser Altersgruppe frühestens ab dem 20. Dezember impfen will. Eine Hamburger Ärztin, die bereits seit August Kinder auf Wunsch der Eltern immunisiert, kann das angesichts explodierender Inzidenzen an den Schulen nicht verstehen. Aus Sorge vor Anfeindungen bat sie vor dem Gespräch mit der MOPO um Anonymität.
MOPO: Seit wann impfen Sie auch Kinder?
Ärztin: Ich habe Mitte August meine eigenen Kinder geimpft, auch andere Kolleginnen haben das bereits gemacht. Es war damals eine Off-Label-Impfung, also ohne Empfehlung, man musste schon sehr aufgeklärt sein. Zu den ersten Eltern, die mich ansprachen, gehörten Kollegen, die selbst nicht impfen, oder Eltern aus anderen Gesundheitsberufen. Es sprach aber keiner darüber, auch aus Angst vor den Drohungen der Impfgegner.
Warum soll man Kinder überhaupt gegen Covid impfen, die haben doch nur milde Verläufe?
Es gibt schon lange Zahlen zu PIMS , dem Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, das bei Kindern mit einer Corona-Infektion auftreten kann. Zudem gibt es auch Long Covid und neurologische Schäden, ja, das sind alles seltene Erkrankungen, aber wir impfen Kinder gegen Krankheiten, die noch seltener auftreten.
Aber es gab doch noch gar keine Freigabe des Impfstoffs für Kinder?
Im August lagen bereits Studien zu Biontech vor: In Israel wurden vorerkrankte Kinder bereits früh geimpft, ohne dass sich daraus irgendwelche Warnsignale ergeben hätten. Inzwischen sind wir in einer Situation, in der es absurd ist, die Kinder nicht zu impfen, angesichts des Infektionsgeschehens an den Schulen. Auch Christian Drosten hat gesagt: Wir können die Kinder mit dem vorhandenen Impfstoff impfen.
Bald gibt es einen Impfstoff extra für Kinder, hätten Sie den nicht abwarten müssen?
Der Impfstoff, den Jens Spahn jetzt als Kinderimpfstoff bestellt, ist der normale Biontech-Impfstoff, nur verdünnt. Bei unseren Kinderimpfungen haben wir ein Drittel der Erwachsenendosis verwendet, also einen Milliliter. Ich kann auch nicht nachvollziehen, dass man sagt, der Impfstoff für Kinder kommt erst am 20. Dezember, wenn viele Kinderarztpraxen über Weihnachten schließen. In der Pandemie kommt es doch auf Zeit an.
Müssten die Kinderärzte und -ärztinnen da mehr Druck machen?
Ja, davor scheuen sich aber viele. Am meisten bewegt mich, wenn Eltern mit vorerkrankten Kindern zu mir kommen, weil ihre Kinderärzte die Impfung zwar empfehlen, es aber selbst nicht machen wollen. Diese Haltung kann ich nicht nachvollziehen. Die Kinderärzte haben ja schon die Schulimpfungen bei den über 12-Jährigen verhindert.
Weil viele Eltern eine genaue Aufklärung fordern, das geht nun mal in den Praxen besser.
Ja, wenn man die Aufklärung als einen individuellen Akt betrachtet und nicht als breite gesellschaftliche Aufgabe. Durch das lange Warten auf die Stiko-Empfehlung wird die Entschlossenheit der Eltern abgebremst. Und wenn die Empfehlung dann endlich vorliegt, soll alles in den überlasteten Kinderarztpraxen stattfinden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das eine Erfolgsgeschichte wird.
Was muss jetzt passieren aus Ihrer Sicht?
Vorerkrankte Kinder hätten schon längst off-label geimpft werden müssen. Und es muss alles vorbereitet werden für Impfungen in Schulen und Kitas, weil jetzt die Zahlen in die Höhe schießen.