Hamburg wird immer weiter zubetoniert – Karte zeigt, wo es am schlimmsten ist
Wer auf aktuelle Karten zur Versiegelung der Stadt blickt, der sieht gleich in doppelter Hinsicht Rot. Zum einen wuchern die hochversiegelten Flächen in roter Markierung auf dem Plan. Zum anderen packt einen die Wut, wie sich die grüne Stadt zu einer grauen entwickelt. Trotzdem sehen sich die Grünen in der Bürgerschaft auf einem guten Weg in Richtung einer ausgeglichenen Null-Bilanz zwischen Versiegelung und Entsiegelung.
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Wer auf aktuelle Karten zur Versiegelung der Stadt blickt, der sieht gleich in doppelter Hinsicht Rot: Zum einen wuchern die hochversiegelten Flächen in roter Markierung auf dem Plan. Zum anderen packt einen die Wut, wie sich die grüne Stadt zu einer grauen entwickelt. Trotzdem sehen sich die Grünen in der Bürgerschaft auf einem guten Weg in Richtung einer ausgeglichenen Null-Bilanz zwischen Versiegelung und Entsiegelung.
Rund 39 Prozent Hamburgs sind nach aktuellsten Versiegelungskarten der Stadt zubetoniert, mit Wohnhäusern, Firmengeländen oder Straßen, Parkplätzen und dem Flughafen. Das ist mehr als in Berlin und weniger als in München. Tendenz: massiv steigend, denn die Zahlen sind von 2021 und etliche richtig große Bauvorhaben sind noch gar nicht enthalten. Die genaue Karte der Behörde in der Detailansicht.
Die Auswirkungen auf das Wohlbefinden in den inneren Gebieten der Stadt sind immens. Wo Asphalt, Mauern und Beton vorherrschen, da heizt es sich im Sommer viel zu sehr auf. Bei Starkregen im Herbst und Frühjahr können die Wassermassen nicht abfließen und überfluten die Straßen. Und der Blick aus dem Fenster endet wie etwa in der Neuen Mitte Altona immer öfter auf öden Wänden statt auf üppigen Baumkronen. Da tröstet es nur wenig, wenn ein paar Kilometer weiter ein Park ist, in dem Vögel, Eichhörnchen und Igel noch überleben können.
Hamburg bebaut 400 Hektar für Wohnungen
Aktuell laufen Planung und Umsetzung von 400 Hektar an neuen Wohngebieten, die die städtische Entwicklungsgesellschaft IBA Hamburg im Auftrag der Stadt erschließt. Dazu gehören große Flächen in mehreren Baugebieten in Neugraben (Fischbeker Reethen), ebenso in Wilhelmsburg (Spreehafenviertel etc.) oder Oberbillwerder, wo allein 100 Hektar auf der grünen Wiese bebaut werden. In einem gerade veröffentlichten Bericht der Umweltbehörde (Bukea) mogelt sich die Stadt noch heraus bei der Frage, wie und wo die massive Bebauung dieser Marschen bei Bergedorf durch andere Grünflächen kompensiert werden soll. Man darf gespannt sein.
Aber es werden nicht nur zusätzliche Flächen bebaut, die bestehenden verändern sich auch zum Negativen. So nehmen gering versieglte Gebiete ab und Flächen mit hohem Versiegelungsgrad nehmen laut dem aktuellsten Bericht der Stadt von 2021 zu. Auch dieser Trend dürfte sich stark fortgesetzt haben. Was nicht verwundert, da beim Wohnungsbau auch auf Nachverdichtung von Quartieren gesetzt wird, um nicht noch mehr Flächenfraß zu betreiben. Und in Neubaugebieten werden die Grundstücke immer enger bebaut, damit es bezahlbar bleibt.
Grünen Fraktion: Netto-Null-Versiegelung
Da erstaunt eine Äußerung der Grünen anlässlich des Scheiterns eines Volksbegehrens für den Erhalt des Hamburger Grüns vergangene Woche. Das Verfassungsgericht hatte das Begehren gestoppt, weil es das politische Handeln bei Bauvorhaben zu sehr eingeschränkt hätte. Die Grünen begrüßen das Urteil und loben sich selbst: „Das Erreichen einer Netto-Null-Versiegelung in Hamburg … ist ausdrücklich das Ziel der Grünen Fraktion, auf das wir auch jetzt weiter konsequent hinarbeiten werden.“
Menschen, in deren Umfeld gerade ein grüner Hinterhof bebaut wurde oder denen die letzte grüne Lücke im Umfeld für Neubauten genommen wurde, spüren sicherlich nichts von einem „konsequenten Hinarbeiten“ zu einer sogenannten Netto-Null-Versiegelung. Denn sie würde bedeuten, dass nichts mehr versiegelt wird, ohne andere Flächen im Umfeld zu entsiegeln. Und auch der BUND sagt: „Von Netto-Null-Versiegelung ist Hamburg meilenweit entfernt“, so die BUND-Vorsitzende Sabine Sommer. „Wir sehen auch bisher kein Umdenken.“
200 Hektar werden in Hamburg versiegelt
Die MOPO hakte bei den Grünen nach. Fraktionschef Dominik Lorenzen rechtfertigt die aktuelle Baupolitik: „Die Not auf dem Wohnungsmarkt ist groß, darauf müssen wir reagieren. Das wird in der Folge in den nächsten Jahren zu einem Flächenverbrauch von über 200 Hektar führen.“ Aber die Grünen wollen sich für eine Deckelung stark machen, damit nicht bald die ganze Stadt unter Beton verschwindet.
Lorenzen: „Daher ist eine Obergrenze des Flächenverbrauchs und der Versiegelung ein wichtiges politisches Ziel unserer Fraktion.“ Doch dafür „braucht es eine entsprechende Überzeugung bei den politischen Partnern“ so Lorenzen. Im Klartext: Eine Obergrenze für Versiegelung will die SPD nicht – wegen ihres ambitionierten Bauprogramms mit 10.000 Wohnungen jährlich. Denn dafür werden Jahr für Jahr rund 70 Hektar gebraucht.
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Auch der Hamburger Klimabeirat hatte das große Bauprogramm bereits kritisiert. Dort sieht man durchaus auch positive Entwicklungen. Etwa durch den Vertrag für Hamburgs Grün, den die Stadt vor einigen Jahren mit einer Volksinitiative geschlossen hatte. Denn der beinhaltet, dass Bebauungen innerhalb eines großen Radius in der Stadt kompensiert werden müssen. „Das war ein wichtiger Meilenstein“, sagt Jörg Knieling, stellvertretender Vorsitzender des Klimabeirats. „Aber es kann nur ein erster Schritt sein.“
Der Klimabeirat appelliert an die Politik, dass neue Versiegelung im gesamten Stadtgebiet ausgeglichen werden sollte. „Bei den Möglichkeiten von Entsiegelung ist noch viel Luft“, so Knieling, der Stadtplaner an der Hafencity Universität (HCU) ist. Diese Potenziale müssten nun ermittelt werden. Etwa bei Parkplätzen und Straßen, die in der Vergangenheit sehr großzügig asphaltiert worden seien. „Da gibt es Spielraum und der kann für mehr Grün genutzt werden.“ Das gelte in noch stärkerem Maße im Hafen. Knieling: „Dort liegen noch wenig genutzte Flächen, insbesondere der Bereich östlich des Alten Elbtunnels bietet Chancen für Wohnen in der Stadt. Doch derzeit sind diese Flächen noch für die Hafennutzung blockiert.“